Tage Alter Musik – Programmheft 2003

MitPhilippe Herreweghe kommt nach 1992 einer der profiliertesten Bach-Interpreten der heutigen Zeit zum zweiten Mal nach Regensburg. Zusammen mit demCollegium Vocale Gent & Orchester und den prominenten Vokalsolisten Sibylla Rubens, Marijana Mijanovic, Andreas WellerundThomas Bauer wird er seinen Bachstil in Regensburg vorstellen. Diese auf Initiative vonPhilippe Herreweghe1970 gegründete Sängergruppe war die erste, die in den 70er Jahren die neuen Stilprinzipien bei der Interpretation von Barockmusik an die vokale Musik angepasst hat. Instrumentalisten hatten schon einige Jahre zuvor mit ihrer Suche nach einer Aufführungspraxis begonnen, die näher am historischen Kontext lag. Natürlich entdeckten berühmte Interpreten wie Gustav Leonhardt, Ton Koopman oder Nikolaus Harnoncourt schnell das flämische Ensemble für ihre künstlerischen Vorhaben auf diesem speziellen Gebiet der Vokalmusik. Inzwischen ist auch die Zusammenarbeit mit Klangkörpern wie La Petite Bande, dem Concertgebouworkest oder den Wiener Philharmonikern für das Collegium Vocale Gent nichts Ungewöhnliches mehr. Das Repertoire beschränkt sich nicht auf eine genaue Stilperiode: Das Ensemble leistete einen wichtigen Beitrag zur Wiederentdeckung einer Reihe polyphoner Werke aus der Renaissance. Regelmäßig stehen das klassische und romantische Repertoire auf dem Programm, aber auch moderne Musik. Der Schwerpunkt des Collegium Vocale Gent bleibt jedoch die deutsche Barockmusik, genauer gesagt das Werk von Johann Sebastian Bach. Das Collegium Vocale Gent ist regelmäßiger Gast aller berühmten europäischen Festivals und gastierte in den USA, Südamerika, Israel, Japan, China und Australien. Seit 1993 ist es „Kulturbotschafter Flanderns” der Flämischen Regierung. Zum Programm: Bachs KantateWas Gott tut, das ist wohlgetan, BWV 99entstand zum 15. Sonntag nach Trinitatis am 17. September 1724. Sie ist die früheste der drei Kantaten mit diesem Titel und greift auf einen allgemein bekannten Choral zurück: ein Kirchenlied, das 1675 von Severus Gastorius nach einem Gedicht seines Freundes Samuel Rodigast komponiert wurde. Das Werk verdankt seinen charakteristischen Klang vor allem seinen Holzbläsern Traversflöte und Oboe d’amore, die im Einleitungschor kunstvoll konzertierende Rollen übernehmen. Auch im Duett mit Sopran und Alt „Wenn des Kreuzes Bitterkeiten” vereinigen sie sich zu einem dicht fugierten Satz. Dazwischen erklingt eine Arie für Tenor „Erschüttre dich nur nicht, verzagte Seele” mit einem Traversflötensolo, das zu den schwierigsten des gesamten Bach-Oeuvres zählt. Eine Wiederaufführung der Kantate kann für die Jahre 1732-35 nachgewiesen werden. Den Eingangschor arbeitete Bach 1734 in reicherer Orchestergestaltung für die gleichnamige Kantate BWV 100 um. J. S. Bachs Bearbeitung des Stabat mater von G. B. Pergolesi ist erst in jüngerer Zeit in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen. Bachs wesentlichster Eingriff in Pergolesis Werk besteht zunächst darin, dass er dem Stabat mater, der lateinischen Meditation über die klagende Maria, einen deutschen Text verleiht. Der Text, den er Pergolesis Musik unterlegt, ist eine Paraphrase des 51. Psalms „Miserere”, nach der Lutherschen Übersetzung „Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte”. Die Anpassung eines Textes dieser Art bringt jedoch mehrere Probleme mit sich. Der hauptsächlich in Doppelverse gegliederte Psalm entspricht nicht der Gliederung der Stabat-mater-Dichtung mit ihren Gruppen von je drei Versen, so dass zum Teil großzügige Umdichtungen und Ergänzungen notwendig waren, um die gleiche Struktur zu erreichen. Bach achtet nicht nur darauf, dass Sinn und Gesamtcharakter des neuen mit jenen des alten Textes korrespondieren, er bemüht sich auch, an vielen Stellen die klanglichen Qualitäten der Vokale zu erhalten. Bach hat Pergolesis Musik so eingeteilt, dass 14 Sätze entstehen, er hat auch eine Umstellung vorgenommen und den bei Pergolesi letzten Satz vor dem Amen, „Quando corpus morietur”, als „Denn du willst kein Opfer haben” an die vorletzte Stelle gerückt, wodurch sich eine andere Schlussdramaturgie ergibt. Bach wäre nicht Bach, hätte er es mit Umtextierung und Umstellung bewenden lassen, und so versucht er, wo es möglich ist, dieser Komposition seinen eigenen Stil einzuverleiben. Dies zeigt sich sowohl in den Vokalstimmen, dort in einer Auflösung längerer Collegium Vocale Gent & Orchester (Belgien) JUNI 2003 Montag, 9. Juni 2003, 18.00 Uhr Dreieinigkeitskirche , Gesandtenstraße Leitung: Philippe Herreweghe Johann Sebastian Bach: Kantate BWV 99 - Psalm 51 - Messe F-Dur 28 Sibylla Rubens Sopran Marijana Mijanovich Alt Andreas Weller Tenor Thomas Bauer Bass Collegium Vocale Gent & Orchester Philippe Herreweghe

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