Tage Alter Musik – Programmheft 2003

Töne oder Tonfolgen auf einem Ton, als auch in der Behandlung des Orchesters. Der bei Pergolesi meist nur dreistimmige Satz erhält bei Bach durch den Wechsel von Solo- und Orchesterbegleitung eine Durchformung im Sinne eines ‚chiaroscuro’-Effekts; außerdem gewinnt der Klang durch gelegentliche Ergänzung einer realen Violenstimme eine größere Dichte. Dass Bach das Werk in dieser Form wahrscheinlich im Gottesdienst der Leipziger Thomaskirche zur Aufführung brachte, an einem Ort also, der sonst seinen eigenen Kantaten vorbehalten war, zeigt wiederum, dass er der zeitgenössischen Musik der jungen Generation aufgeschlossener gegenüberstand, als uns das Bild von dem beharrlich an seinen stilistischen Prinzipien festhaltenden Bach glauben machen will. Alle vier Messen BWV 233 - 236 bestehen aus sechs Nummern, je einer für das Kyrie und je fünf für das Gloria. Die Beschränkung auf die Sätze „Kyrie” und „Gloria” des Ordinarium Missae führte zur Bezeichnung „Lutherische Messen”, was aber irreführend ist, war die Beschränkung auf diese beiden Sätze auch im katholischen Kulturraum, vor allem am Dresdner Hof, häufig anzutreffen. DieMesse in F-Dur BWV 233 ist durch die Verwendung von zwei Naturhörnern neben zwei Oboen, Streichern, Fagott und Basso continuo besonders farbig instrumentiert. Bei den ersten drei Nummern lassen sich - im Gegensatz zu allen anderen insgesamt 21 Nummern - keine Kantatensätze nachweisen, die als Parodievorlage dienten. Das „Kyrie” ist eine gründliche Überarbeitung des Kyrie-Satzes BWV 233a, der allemAnschein nach schon aus Bachs Weimarer Zeit stammt. In der vokalen Bassstimme wird nämlich die Litanei in einer vornehmlich in Thüringen gebräuchlichen Melodiefassung zitiert. Bei der Aufnahme in die Messe wurde der fünfstimmige Singstimmensatz - ohne Eingriff in die Substanz - in den üblichen vierstimmigen Satz verwandelt, indem die oberste Stimme mit dem liturgischen Cantus firmus „Christe, du Lamm Gottes” nunmehr mit den Hörnern und Oboen besetzt ist. Die stärksten Veränderungen hat der Basso continuo erfahren, der selbständiger und flüssiger als zuvor gehalten ist. Die drei klanglichen Schichten Basso continuo, Gesangstimmen mit colla parte geführten Streicherstimmen und der Cantus firmus der Bläser verweisen ebenso wie die drei deutlich getrennten Abschnitte („Kyrie” - „Christe” - „Kyrie”) auf die Zahl drei. Das „Gloria” ist geprägt von einem prachtvoll jubelnden Motiv der Hörner, gefolgt von Oboen und Streichern, dessen zwei Harmonien gegen einen beharrlichen Orgelpunkt im Bass stehen, bis schließlich auch die Continuogruppe nachgibt und sich der Jagd anschließt. Dieses Motiv kehrt im Verlauf des Satzes - verdoppelt von den Gesangsstimmen - immer wieder, mal für „Gloria in excelsis”, mal für „Gratias agimus”. Das „Domine Deus”, das gleichzeitig zwei Aspekte der Dreieinigkeit, nämlich den Vater und den Sohn, anspricht, stellt eine überzeugende Verbindung zwischen den benachbarten Sätzen dar. Es besteht aus einem A-Teil, der das „Domine Deus” etc. vertont, sowie einer vollständigen Reprise des Anfangsritornells, an die sich das neue Material des „Domine Fili unigenite Jesu Christe” etc. wie der B-Teil einer Dacapo-Arie anschließt. Doch die erwartete Wiederholung bleibt aus, und Bach schließt direkt die gequälte, dreifache Bitte um Fürsprache für die Menschheit an, die er im „Qui tollis” der Oboe und dem Sopran anvertraut. Dieser Satz geht auf die Arie „Weh der Seelen” aus der Kantate „Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben” BWV 102 aus dem Jahre 1726 zurück. Er wurde von f-moll nach gJUNI 2003 29 Schlusskonzert des letztjährigen Festivals Sibylla Rubens Marijana Mijanovich Andreas Weller Thomas Bauer

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