Tage Alter Musik – Programmheft 2003

Die New York Times titelte: „Raffiniert und höchst kurzweilig”, die Los Angeles Times schrieb: „Das Publikum geriet in höchstes Erstaunen über den vitalen, provozierenden Musizierstil”. Expressivität und höchste Virtuosität sind ein Markenzeichen des EnsemblesREBEL. Nach dem innovativen französischen Barockkomponisten Jean-Féry Rebel (1666-1747) benannt, haben sich 1991 Musiker um den Geiger Jörg-Michael Schwarz zum EnsembleREBEL formiert. Im selben Jahr gewann REBEL den ersten Preis beim Early Music Award Utrecht. Seitdem hat das Ensemble bei allen wichtigen europäischen und amerikanischen Alte-Musik-Festivals konzertiert. Schon seit einigen Jahren leben die Musiker in New York City und bilden dort das Orchester ‚in residence’ an der historischen Trinity Church und arbeiten eng mit dem Trinity Choir zusammen. Für den Hänssler-Verlag Stuttgart wird Rebel zusammen mit dem Trinity Choir bis zum Jahr 2009 das gesamte geistliche Werk für Chor und Orchester von Joseph Haydn auf CD aufnehmen. REBEL hat zahlreiche CDs veröffentlicht, u.a. bei der Deutschen Harmonia Mundi und bei Dorian. 2002 erschien die jüngste Aufnahme („Telemann alla polacca”), die von der Fachpresse hoch gelobt wurde. Zum Programm: Georg Philipp Telemannwar ein Meister der verschiedenen Nationalstile. Er schrieb fließend in französischem wie italienischem Stil zusätzlich zu seinem heimatlichen deutschen. Schon 1695, gerade mal acht Jahre nach dem Tode Jean-Baptiste Lullys, des „französischsten” der französischen Komponisten - wenn er auch als Giovanni Battista Lulli in Florenz geboren wurde - schrieb der französische Lexikograph Sébastian de Brossard, dass „jeder Komponist in Paris wie verrückt Sonaten in italienischer Manier schrieb.” Viele Beobachter befürchteten, dass der französische Stil selbst bedroht sei. Schließlich wurde er aber, wenn auch nur vorübergehend, gerettet durch François Couperin in seiner Sammlung Les goûts réünisaus dem Jahre 1724. Er kombinierte kunstvoll Elemente zweier Nationalstilarten zu einem neuen vereinigten Ganzen. Für diesen Stil setzten sich sofort führende Komponisten in Paris ein. Etwa um 1730 erwartete man von guten deutschen Komponisten, dass sie sowohl den französischen als auch den italienischen Stil beherrschten. Telemann war derjenige Komponist, der die beiden nahtlos zu dem verband, was man im Deutschland jener Zeit als vermischten Geschmack bezeichnete. Es ist kaum überraschend, dass ein so facettenreicher Komponist wie Telemann über die französischen und italienischen Stilarten hinausgehend auch andere nationale Idiome erforschte. Für Telemann bezeichneten etwa die Begriffe polonoise undpolaccanicht ausschließlich diesen Tanz, sondern signalisierten eher allgemein den Gebrauch polnischer Idiomatik. Für Telemann war Musik in polnischer Manier eine logische Konsequenz seines weiten Interesses an Stil. Telemanns erste offizielleAnstellung nach seinem Studium in Leipzig war im Jahre 1705 eine Einladung an den Hof des Grafen Erdmann II. von Promnitz in Sorau (heute Zary in Polen), wo er Kapellmeister wurde, was er fast drei Jahre lang blieb. Während der junge Komponist seine Pflichten erfüllte, die darin bestanden, des Grafen Appetit auf Musik im französischen Stil zu stillen, begegnete Telemann begeistert der regionalen polnischen Volksmusik. Sein Interesse scheint begonnen zu haben während eines sechs Monate dauernden Aufenthaltes des Hofes in Pless. Dort hörte Telemann polnische Volksmusik sozusagen aus erster Hand. Sein Interesse wurde genährt und sein Geschmack verfeinert während mehrerer Besuche in Krakau, wo er Bewunderung für die - wie er selbst sagte - „barbarische Schönheit” dieses Stils entwickelte. Das D-Dur-Konzert für Traversflöte, Streicher und B.c. ist Telemanns bekanntestes Werk für diese Besetzung. Wie Bachs h-Moll-Orchestersuite weist dieses Stück ebenfalls eine Polonaise auf. Doch Telemann hat hier eines seiner zahlreichen Konzerte im polnischen Stil geschrieben, die „als alternierende Sätze in Adagio and Allegro italienisch verkleidet” sind. Obwohl es sich deutlich um eine Polonaise im klassischen Sinne handelt, gibt Telemann dem ersten Satz dieses Konzertes einfach die Tempobezeichnung „Moderato”. Während Bachs Polonaisen-Paar einen typisch barocken Satz von paarweise angeordneten Tänzen darstellt und Telemann einen einzelnen, ausgedehnten rondoartigen Satz schreibt, wo das eröffnende achttaktige Thema nach kontrastierenden Episoden immer wiederkehrt, wählen sie beide einen Anfang mit einer klaren Feststellung des Tanzrhythmus, indem sie die Sechzehntelpassagen den kontrastierenden Teilen vorbehalten und dann zu der einfachen Version des Tanzes zurückkehren. Im Lichte von Telemanns eigenem Eingeständnis, er habe ganze Konzerte in polnischem Stil geschrieben, in denen die polnischen Ursprünge mit italienischen Titeln verkleidet gewesen seien, fordert es wohl nicht zu viel an Phantasie, sich vorzustellen, dass Telemann andere polnische Einflüsse für die folgenden Sätze dieses Konzerts herangezogen haben mag. Jedes der beiden namengebenden polnischen Stücke in unserem Programm, dieSonata Polonese a-Mollund dasConcerto Polonoise B-Dur , beginnt mit einem als ”Polonoise” betitelten Satz. Diese Sätze sind nicht die vertraute Polonaise (die Bach bekannt war und von ihm unter dem Titel ”Polacca” in seiner h-moll-Orchestersuite benutzt wurde), sondern eher Sätze polnischen Charakters, die französischen Ouvertüren ähneln. Während die Polonaise bei Bach im Dreiertakt steht, sind diese Sätze in einem breiten Zweiermaß. Es sind die derben Auftakte und Synkopierungen in diesen Sätzen, die ihre polnische Inspiration verraten. Weiterhin ist anzunehmen, dass Telemann einen rauherenAufführungsstil vorzuREBEL (New York) JUNI 2003 Samstag, 7. Juni 2003, 11.00 Uhr (Matinee) Reichssaal , Rathausplatz Leitung: Jörg-Michael Schwarz & Karen Marie Marmer G. Ph. Telemann & G. F. Händel - Meister des vermischten Geschmacks 8 REBEL

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