Tage Alter Musik – Programmheft 2005

Mit dem Mailänder Barockensemble Estro Cromaticogibt eine der jungen italienischen Barockformationen in Regensburg ihr Deutschland-Debut. Gründer und Leiter ist der 25-jährige Blockflötist Marco Scorticati . Er gilt in der Alte-Musik-Szene Italiens schon heute als eine der virtuosesten und musikalisch interessantesten Persönlichkeiten seines Fachs. Er konzertierte häufig im Ensemble seines Lehrers Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico. Sopransolistin ist die junge, vielbeachtete SpanierinMaría Espada . Sie arbeitet regelmäßig mit den Orchestern von Frans Brüggen, Jordi Savall und Eduardo López Banzo zuammen. Für ihre jüngste CD-Einspielung - Alessandro Scarlattis OratoriumColpa, Pentimento e Grazia bei Harmonia Mundi - erhielt sie hervorragende Kritiken. Zum Programm: Im 17. und 18. Jahrhundert in Italien deckte die Bezeichnung „Cantata“ alle Formen vokaler Kammermusik ab, ob geistlich oder weltlich, ob für zwei oder drei Stimmen geschrieben, ob vom Basso continuo allein oder von aufwändigeren Ensembles begleitet. Kantaten wurden für alle Stimmlagen komponiert, aber der beliebteste Typus - bei Komponisten sowie beim Publikum - war die Solokantate für hohe Stimme (sei es ein Kastrat oder ein weiblicher Sopran). Als raffinierte Gattung war die Kantate für private Aufführungen vor gebildetem, aristokratischem Publikum gedacht. Obwohl der Oper ähnlich in ihren Bestandteilen (Rezitativ und Arie), war die Kantate im Wesentlichen eine einzige, ausgedehnte Szene, die meistens für einen Darsteller allein und in knapper Form Charakterisierungen und Gefühle darstellte, die sonst abendfüllend gewesen wären. Alessandro Scarlatti , Oberhaupt einer Musikerfamilie, die seinen jetzt bekannteren Sohn Domenico mit einschließt, war ein wichtiger und produktiver Komponist des Spätbarock, der über 600 Kantaten schrieb. Die meisten sind nur handschriftlich überliefert, weshalb nur wenige aufgeführt oder eingespielt worden sind. Obwohl Scarlatti als neapolitanischer Komponist gilt, weil er jahrelang Opern und Musik für die Königliche Kapelle des Neapolitanischen Hofes schrieb, wirkte er auch lange in Rom, wo die meisten seiner Kantaten komponiert wurden. In Romwurde er von mehreren glanzvollen und mächtigen Gönnern gefördert, darunter Königin Christina von Schweden, deren private „Akademien“ oder Zusammentreffen von Literaten und Künstlern 1690 zur Gründung der „Accademia dell’ Arcadia“ führte - ein Verein, dessen Mitglieder sich pastorale Namen und Manieren zulegten. Er komponierte auch für zwei wohlhabende, einflussreiche Kardinäle, Benedetto Pamphili und Pietro Ottoboni. Für diese drei Gönner schrieb Scarlatti Kantaten, Opern, Serenaden und Oratorien. Die Kantaten wurden in Rom in zwei verschiedenen Rahmen aufgeführt: bei privaten conversazione und bei den wöchentlichen Treffen der Accademia. 1709 wurden Scarlatti, Arcangelo Corelli und Bernardo Pasquini zu Mitgliedern der Accademia erkoren, die ersten und einzigen so geehrten Musiker. Kantaten sind Strukturen, die aus Arien, Rezitativen und Ariosi (Stücke, in denen der Rezitativ-Text lyrischer als beim normalen „gesprochenen“ Rezitativ behandelt wird) bestehen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte Scarlatti die formale Struktur der Kantate standardisiert, die Anzahl der Sätze auf vier bis fünf reduziert, mit regelmäßigem Wechsel von Rezitativ und Arie - entweder begann sie mit einem Rezitativ und endete mit einer Arie oder begann und endete mit einer Arie. Alle Arien warenda capo . Während Georg Friedrich Händels Aufenthalt in Rom entstand die Cantata a voce Sola con Strumenti „Armida abbandonata“ , deren unbekannter Textdichter hier einen Ausschnitt aus dem berühmten Epos „Gerusalemme liberata“ von Torquato Tasso paraphrasiert. Die Zauberin Armida steigert sich in ihre Wut über Rinaldo, der sie verlassen hat, hinein. Meer und Wind werden von ihr beschworen, um Hilfe zu leisten. Das Werk endet dann mit einer besänftigenden „Siciliana“ – einer ruhigen Arie –, in der Armida Gott Amor bittet, sie von der Liebe zum „Verräter“ Rinaldo zu befreien. Auftraggeber für diese „scena di camera“ war vermutlich der Marchese Ruspoli, in dessen allwöchentlichen „conversazioni“ das Werk am 26. Juni 1707 zum ersten Mal aufgeführt wurde, gesungen von Margherita Durastanti, einer Starsängerin, die auch bei der Uraufführung von Händels „Giulio Cesare in Egitto“ mitwirkte und seine erste „Agrippina“ war. Antonio Vivaldis Konzert „La Notte“ entstammt seiner Sammlung opus 10, die sechs FlötenkonTAGEALTERMUSIKREGENSBURG Estro Cromatico (Mailand) MAI2005 Sonntag, 15. Mai 2005, 11.00 Uhr (Matinee) St.-Oswald-Kirche, Weißgerbergraben Dietro l’orme fugaci – Italienische Kantaten und Concerti in Venedig, Neapel und Rom im 18. Jahrhundert María Espada, Sopran Leitung und Blockflöte: Marco Scorticati 22 Estro Cromatico María Espada Riccardo Minasi (links) und Marco Scorticati (rechts) Foto: Vico Chamla

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