Tage Alter Musik – Programmheft 2005

TAGEALTERMUSIKREGENSBURG MAI2005 Zorns ( ira ) ausgebildet hat, des heftigsten der drei Grundaffekte der menschlichen Seele neben Mäßigung ( temperanza ) und Demut oder Flehen ( umilta o supplicatione ). Ich wollte ein besonders eindrucksvolles Beispiel geben und habe den göttlichen Tasso gewählt, den Dichter, der alle Leidenschaften, die er in seiner Dichtung beschreibt, angemessen und ohne Übertreibung darstellt. Ich habe seine Beschreibung des Kampfes von Tancredi und Clorinda entdeckt und stieß dort auf gegensätzliche Affekte, die es musikalisch darzustellen galt: Krieg, Gebet, ja sogar den Tod. 1624 habe ich diese Musik in Anwesenheit des venezianischen Adels im Hause des hochverehrten und hochwohlgeborenen Signore Mocenigo aufführen lassen, des fürstlichen Ritters und hohen Würdenträgers der Serenissima Repubblica, meines besonderen Gönners und Protektors. Die Musik wurde begeistert aufgenommen und fand große Anerkennung. Die Zeitgenossen Monteverdis machten sich diesen neuen Stil sehr schnell zu eigen; er wurde zu einem festen Bestandteil der allgemein gebräuchlichen musikalischen Ausdrucksmittel und diente fortan der Darstellung kriegerischer Affekte. Dieser Stil fand bei anderen Komponisten so große Zustimmung, dass sie dies nicht nur wortreich zum Ausdruck brachten, sondern selbst ähnliche Stücke schrieben, zu meiner großen Freude und Ehre. Dennoch kann ich wohl für mich in Anspruch nehmen, derjenige gewesen zu sein, der die erste Probe und das erste überzeugende Beispiel dieses Stils vorgelegt hat, eines Stils, der in der Musik unverzichtbar ist und ohne den die Musik wahrlich unvollkommen wäre, denn sie kannte bisher nur zwei Stile, den ruhigen und den gemäßigten. Die Ausdrucksmittel dieses Stils bestehen in anschaulichen, mit Heftigkeit auszuführenden musikalischen Figuren: Tonrepetitionen, energische Tremolos, schnelle Läufe, Rhythmen, die den Galopp eines Pferdes nachbilden, und pizzicati der Streicher zur Darstellung der Säbelhiebe – musikalische Effekte, die mit dramatischer Akzentuierung zu spielen sind und die von den damaligen Musikern mit großen Vorbehalten aufgenommen wurden: Anfangs fanden es die Musiker, vor allem die, die den Basso continuo auszuführen hatten, geradezu lächerlich, eine Note sechzehnmal zu wiederholen, und wenn sie es taten, geriet ihnen der Pyrrhichius zum Spondeus, so dass jeglicher Zusammenhang mit dem erregten Text verlorenging. Deshalb empfehle ich, den Basso continuo und die Begleitung so zu spielen, wie sie notiert sind. DerCombattimento ist ein Werk, das einzig ist in seiner Art. Es ist szenisch insofern, als sich zwei Protagonisten gegenüberstehen, aber es räumt auch einer Person breiten Raum ein, die unbekannt bleibt und außerhalb der szenischen Darstellung steht, demTesto . Dieser Erzähler hat keinen Anteil an der Handlung: er erzählt sie, beobachtet und kommentiert sie. Er ist das Bindeglied zwischen der Dramatisierung des Madrigals und der aufkommenden Oper. Mit seiner Distanz zum dramatischen Geschehen nimmt er etwa die gleiche Stellung ein wie die Chöre imOrfeo . Dennoch ist der musikalische Stil, von dem diese Partie geprägt ist, weder mit dem Solomadrigal noch mit der Oper zu vergleichen. Der Gesang desTesto ist die reifste Form der Kunst des dramatischen Rezitativs bei Monteverdi. Das Lamento bei Monteverdi Lamento bedeutet Klage, Klagegesang. Die Klage war von jeher ein beliebter Gegenstand lyrischer Dichtung. Ihre Themen berühren alle Lebensbereiche, ob politisch oder privat, allgemeingültig oder auf ein spezielles gesellschaftliches Ereignis bezogen. In der italienischen Volksmusiktradition gab es bereits im Mittelalter gesungene Totenklagen, zur eigentlichen Gattung wurde das Lamento jedoch erst mit MonteverdisLamento d'Arianna . Kennzeichen dieser Gattung ist neben der stark subjektiven Empfindung des IchErzählers die Rahmenhandlung, vor der die Klage ihren eigentlichen Sinn bekommt. ImLamento della Ninfa , dem Klagegesang einer von ihrem Geliebten verlassenen Nymphe, ist die Rahmenhandlung in die Komposition miteinbezogen und wird von drei Männerstimmen gesungen. Dem Lamento ist ein durchgehendes Quartbass-Ostinato unterlegt, d.h. ein im Instrumentalbass immer wiederkehrendes Motiv vom Umfang einer Quarte. Über diesem entfaltet sich imMittelteil gleichsam schwebend und frei deklamierend der eigentliche Klagegesang der Nymphe, behutsam kommentiert von den drei Männerstimmen. 33 PROGRAMM CLAUDIOMONTEVERDI (1567-1643) Sinfonia (aus dem 7. Madrigalbuch) Combattimento di Tancredi e Clorinda Giuseppe Maletto, Testo Rossana Bertini, Clorinda Sandro Naglia, Tancredi PAUSE Sinfonia Lamento della Ninfa Rossana Bertini, Ninfa Sinfonia (aus der Oper „Die Krönung der Poppea“) Il Ballo delle ingrate Rossana Bertini, Anima Ingrata Alena Dantcheva, Amore Kiersti Odegaard, Venere Matteo Bellotto, Plutone Ombre d’Inferno: Paola Reggiani, Giuseppe Maletto, Sandro Naglia, Marco Radaelli Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Jürgen Ammer, 34270 Schauenburg, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. Ebenso danken wir der Orgelbaufirma Jens Steinhoff, 79739 Schwörstadt, für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. Dieses Konzert wird in besonderer Weise vom „Italienischen Generalkonsulat München – Kulturabteilung / Istituto di Cultura“ unterstützt. AUSFÜHRENDEE LAVENEXIANA Vokalisten: Rossana Bertini Sopran Alena Dantcheva Sopran Kiersti Odegaard Alt Matteo Bellotto Bass Paola Reggiani Mezzosopran Giuseppe Maletto Tenor Sandro Naglia Tenor Marco Radaelli Bass Instrumentalisten: Svetlana Fomina Violine I Carlo Lazzaroni Violine II Stefano Marcocchi Viola Rodney Prada Lirone Caterina dell’Agnello Violoncello Gabriele Palomba Theorbe Marta Graziolino Harfe Fabio Bonizzoni Orgel, Cembalo Claudio Cavina Orgel

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