Tage Alter Musik – Programmheft 2005

Auf Initiative der Champagne-ArdennenRegion wurde 1986 dieAkadêmia gegründet, ein professionelles Vokal- und Instrumentalensemble, das unter der Leitung von Françoise Lasserre zu den gefragtesten Klangkörpern Frankreichs auf dem Gebiet der Alten Musik zählt. Das Ensemble hat zahlreiche mit Preisen bedachte CD-Einspielungen vorgelegt. Die jüngsten Aufnahmen erschienen beim französischen Label Zig-Zag Territoires. Charakteristisch für die Interpretationen der Akadêmia sind die genaue Detailarbeit, der ausgefeilte Klangsinn und die Brillanz der Stimmen. Repertoireschwerpunkte des Ensembles sind die italienische Musik des 16. und 17. Jahrhunderts und die deutsche Musik des 17. Jahrhunderts mit besonderer Berücksichtigung des Œuvres vonHeinrich Schütz . Die Aufführung seiner drei großen Vokalwerke, Weihnachtshistorie, Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz und Auferstehungshistorie durch die Akadêmia bildet einen glanzvollen Abschluss der 21. Tage Alter Musik Regensburg. Zum Programm: Weihnachtshistorie DieHistoria, Der Freuden- und Gnadenreichen Geburth Gottes und Marien Sohnes, Jesu Christi, Unsers Einigen Mitlers, Erlösers und Seeligmachers wurde vermutlich zum ersten Mal bei der Vesper des Weihnachtstages 1660 an der Hofkapelle des Sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. zu Dresden aufgeführt. Schütz hatte dort erstmals 1615 gearbeitet; wenige Jahre später wurde er Kapellmeister - und dieses Amt hatte er bis zum Ende seines langen, arbeitsreichen Lebens inne. Der erzählende Teil des Werks wurde vier Jahre später publiziert, die Einleitung jedoch, acht Intermedien sowie der Schluss wurden ausgelassen. Diese fehlenden Teile wurden als Leihmaterialien annonciert; andererseits konnte jeder, der das Werk aufführen wollte, auf die jeweiligen Gegebenheiten passende Sätze hinzukomponieren. Die abwechslungsreiche Besetzung der Intermedien hätte vermutlich die personellen und instrumentalen Mittel der meisten Kirchen überstiegen. Glücklicherweise sind Abschriften der Intermedien (außer einem Teil der zweiten Posaunenstimme für das Intermedium V) und des Schlussteils erhalten; von der Einleitung hingegen besitzen wir nur den Continuo-Part. Schütz scheint insbesondere auf sein Rezitativ stolz gewesen zu sein, von dem er behauptet, derartiges erscheine zum ersten Mal in einer deutschen Publikation. Zuvor - in seiner Vertonung der Auferstehungshistorie - hatte er die Erzählung auf den liturgischen Gesang gegründet. Spuren dieses Verfahrens bleiben, doch begegnet uns in der Weibnachtshistorie eine neue melodische, rhythmische und tonale Flexibilität, die die Worte des Evangelisten näher an die Rede denn ans Ritual rückt. Das verursachte dem Komponisten offensichtlich einige Mühe, denn die Vertonung wurde zwischen der Uraufführung und der Drucklegung beträchtlich revidiert. Die Intermedien sind Vertonungen der wörtlichen Rede, wie sie im Evangelium erscheint. Schütz sieht für jede Szene ein anderes Instrumentalensemble vor - einzig die beiden violette mit Continuo der Engel werden wiederholt eingesetzt. Über den Begriff violetta besteht einige Unklarheit; er kann sich auf die Viola beziehen, hier jedoch scheint die Interpretation als Tenorviole passender, namentlich im Hinblick darauf, dass Violen gelegentlich mit der himmlischen Musik assoziiert werden. Auch die Wahl der anderen Instrumente ist symbolträchtig: Bäuerische Pfeifen (Blockflöten) begleiten die Hirten, die Posaunen (kirchliche Instrumente) stehen den Priestern und Schriftgelehrten zur Seite, und Herodes wird mit den Zinken vorgestellt, Das Werk als Ganzes kombiniert auf brillante Weise die opulente Tradition höfischer Unterhaltung im Italien der Renaissance mit dem späteren dramatischen Rezitativ, und Schütz' persönliche Diktion verleiht der Musik eine spezifisch deutsche, andachtsvolle Eindringlichkeit. Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz Bedenkt man den spürbaren Anklang an das barocke Theater (der stile rappresentativoder Seconda PratticaMonteverdis), so zeigen uns die Sieben Worte Jesu Christi am Kreuz ein widersprüchliches Bild. Diese Historia der Passion scheint gleichermaßen den feierlichen barocken Passionen, wie den Oratorien der katholischen Gegenreform zu widersprechen. Die vier Evangelisten liefern hierbei die textliche Grundlage des dramatischen Geschehens (im Großen: Markus: Alt; Johannes: Tenor; Lukas: Sopran; Matthäus: 4 Singstimmen), das hier auf ein Minimum beschränkt ist. Die Aufmerksamkeit soll dabei auf die Sieben Worte gelenkt werden, die dem Buch der Heiligen und Märtyrer des Vincentius Schuruck (Leipzig 1617) entnommen sind und vom zweiten Tenor in einem arioso mit Instrumental-Begleitung vorgetragen werden (zwei Oberstimmen). Diese sieben Sätze des geistlichen Textes, musikalisch ins Geschehen eingefasst wie kostbar verzierte sententiae , ziehen die Emotionen auf sich, wobei Wort und Schweigen sparsam und mit Feingefühl zur Geltung gebracht werden. Nichts wird theatralisch nach außen gekehrt, alles ist reiner Text. Von den Anliegen der barocken Rhetorik, die er vorzüglich zu handhaben verstand, greift Schütz hier nur auf das Lehren ( docere ) zurück Das ganze Werk führt zu einer Verinnerlichung der Sieben Worte Jesu hin, zur besinnlichen Betrachtung, die durch die Musik bis zur Meditation gesteigert wird: „... die sieben Wort, die Jesus sprach, betracht in deinem Herzen“, so singen zu Anfang die fünf Stimmen. Die perTAGEALTERMUSIKREGENSBURG Akadêmia (Frankreich) MAI2005 Montag, 16. Mai 2005, 20.30 Uhr Dreieinigkeitskirche , Gesandtenstraße Leitung: Françoise Lasserre Heinrich Schütz (1585 – 1672) Weihnachtshistorie – Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz – Auferstehungshistorie 38 Akadêmia

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