Tage Alter Musik – Programmheft 2005

Dämpfern, was die Wirkung des Themas intensiviert. Es ist aber vermutlich der letzte Satz, durch den dieses Werk so beliebt wurde: er ist ein schneller, ausgelassener Tanz, der die ganze Zeit kopfüber nach vorne zu stürzen scheint, wobei Solo- und Tuttiabschnitte einander wunderbar ergänzen. Die SonatineD-Dur ähnelt hinsichtlich der Aufführungskonstellation Soloklavier mit Orchester C. Ph. E. Bachs frühen Klavierkonzerten. Durch die Hinzufügung eines Flöten- und Hörnerpaares hebt sich dieses Werk klanglich vom üblichen Streicherensemble ab. Im ersten Satz wechseln zwei kurze Stücke, die beide auf Charakterstücke für Soloklavier zurückgehen in der Art eines Rondo mit Variationen ab. Auch der zweite Satz geht auf ein früheres Charakterstück zurück. In diesem Werk zeigen sich viele bemerkenswerte Beispiele des kühnen Gebrauchs sehr langer und sehr kurzer rhythmischer Werte insbesondere imPhrasenbau auf engstem Raum. Das c-Moll-Konzert ist in drei geringfügig voneinander abweichenden Fassungen überliefert. Ursprünglich 1762 komponiert, revidierte C.Ph.E. Bach später einige Stellen im Solopart und fügte dem Orchester schließlich Hörner hinzu. Im heutigen Konzert erklingt diese letzte, am reichhaltigsten verzierte und instrumentierte Fassung. Der Tangentenflügel Die Geschichte des frühen Klaviers warf in letzter Zeit viele neue Fragen auf. Früher glaubten wir, dass das Klavier Anfang der 1700-er Jahre von Bartolomeo Cristofori „erfunden“ worden sei und das Instrument erst irgendwann im letzten Viertel des Jahrhunderts wirklich bekannt wurde. Diese Auffassung verlangt aus der Sicht der neuesten Forschungen nach einer gründlichen Revision. Vereinzelte Angaben aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert weisen aus, dass klavierartige Instrumente bereits von den 1400-er Jahren an existierten. Demzufolge hatte Cristofori kein neues Instrument konstruiert, sondern eine bereits bestehende Musikinstrumentengattung weiterentwickelt, mit anderen Worten, das Clavier Cristoforis – das eher mit den 1690-er Jahren zu datieren ist - war nicht der Beginn, sondern der erste Höhepunkt einer weit zurückreichenden Entwicklungslinie. Das Tangentenklavier gehört der Familie der frühen Klaviere an. Aus früheren Jahrhunderten sind recht unterschiedliche Lösungen der Klaviermechanik überliefert. Es hat den Anschein, dass die „Hammermechanik“ und die „Tangentenmechanik“ über eine lange Zeit hinweg nebeneinander als gleichrangige Alternativen bestanden. Bei der Hammermechanik werden die Saiten von auf Achsen befestigten Hämmern, bei der Tangentenmechanik von vertikal frei beweglichen Holzstäbchen, den sog. Tangenten angeschlagen. Weder das Hammer- noch das Tangentenklavier trugen lange Zeit „eigene“ Namen. Für diese Instrumente wurden auch allgemein die BezeichnungenCembalo, Clavier, FlügeloderClavecin gebraucht. Der Terminus „Tangentenflügel“ fand im deutschen Sprachraum erst am Ende des 18. Jahrhunderts Verbreitung. Von Klavieren aus der Zeit vor 1700 blieben nur recht wenige Exemplare erhalten. Auch deshalb hat das Tangentenklavier eine Bedeutung von immenser Wichtigkeit. Durch seinen Klang und seine Spieltechnik sagt dieses Instrument nämlich enorm viel über die frühen Klaviere aus. Die heutigen Kopien von Hammerflügel werden im Allgemeinen auf der Grundlage der Instrumente aus dem letzten Abschnitt des 18. Jahrhunderts mit einem relativ dunklen „klavierartigen“ Klang gefertigt. Es scheint jedoch, dass erst nach dem Tode Mozarts jene Tendenz ihrenAnfang nahm, die den Klavieren einen runderen, massiveren Ton abverlangte. Früher erwartete man von den klavierartigen Instrumenten einen obertonreichen, nahezu cembaloartig hellen, verhältnismäßig dünnen Klang. Die „Tangenten“ des Tangentenflügels sind im Allgemeinen nicht mit Leder versehen, deshalb gibt die mit ihnen angeschlagene Saite einen sehr glänzenden, hellen Klang. Dieser Klang mochte bis um 1780 typisch gewesen sein und viele Pianofortehämmer waren unbeledert oder lediglich von einer recht dünnen Lederschicht überzogen. Der Tangentenflügel stellt eine der vielseitigsten Arten der frühen Klaviere dar. Seine lebendige Grundtonfarbe ist auch durch die Nuancen des Anschlags veränderbar, doch im allgemeinen verfügen sie – ähnlich wie das zeitgenössische Hammerklavier – auch über Registerzüge, die der Veränderung der Klangfarbe dienen. Auf dem heute verwendeten Instrument sind dies folgende: Aufhebung der Dämpfer (das heutige „rechte Pedal“), Aufhebung der Dämpfer lediglich im Diskant, una corda: es erklingt nur eine der beiden zu einem Ton gehörigen Saiten, Moderator: zwischen den die Saite anschlagenden Tangenten und die Saite gleitet ein Lederstreifen, Laute (Harfe): an die Saiten drücken sich Stoffplättchen, die sie dämpfen. In seiner Epoche war der Tangentenflügel ein sehr verbreitetes Instrument. Oft ist nicht zu sagen, welche Komponisten den Tangentenflügel mit Sicherheit kannten. Auf diesem Instrument finden jedoch zahlreiche derartige Musiken „nach Hause“, die weder auf dem Cembalo noch auf dem späteren Pianoforte vollkommen überzeugend klingen. Jene sind am ehesten die Werke von Komponisten um 1760/70. Mit Gewissheit wurden Tangentenflügel bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt. © Miklós Spányi Miklós Spányi spielt auf einem 1993 vonGhislain Potvlieghe (Belgien) gebauten Tangentenflügel, einem Nachbaueines InstrumentsdesMailändersBaldassare Pastori aus dem Jahr 1799. Da im 18. Jahrhundert die süddeutschen Gebiete und Norditalien im Clavierinstrumentenbaueine einheitliche, zusammengewachsene Tradition bildeten, trägt auchdieses Instrument Merkmale der Regensburger Clavierbauwerkstatt „Späth und Schmahl“, die den Tangentenflügel imausgehenden18. Jahrhundert entwickelteundder vonRegensburg aus europaweite Verbreitung fand. TAGEALTERMUSIKREGENSBURG MAI2005 5 Tangentenflügel von Ghislain Potvlieghe PROGRAMM CARLPHILIPPEMANUELBACH Clavierkonzert B-Dur Wq 25 (H 492) (1714-1788) (1749) Allegro di molto – Largo mesto – Prestissimo Sonatina für Clavier und Orchester D-Dur Wq 102 (H 456) (1763) Allegretto grazioso – Presto – Allegretto grazioso – Presto – Allegretto grazioso – Allegretto PAUSE Clavierkonzert c-moll Wq 37 (H 448) (1762) Allegro assai – Andante ed arioso – Presto Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Ghislain Potvlieghe, B–9400 Ninove-Denderwindeke, für die freundliche Bereitstellung des Tangentenflügels. AUSFÜHRENDE CONCERTOARMONICO Erika Petöfi (Konzertmeisterin), István Soltész, Ágnes Kertész, Balázs Bozzai Violine László Móré Viola Csilla Vályi Violoncello Péter Tóth-Kiss Kontrabass Benedek Csalog, Gergely Bodoky Traversflöte Sándor Endrödy, Attila Szüts Naturhorn

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