Tage Alter Musik – Programmheft 2006

Bänden der Bibliothek der Kirche von Beitang zu finden waren. Diese Kirche wurde von italienischen und französischen Jesuiten geleitet. Die chinesischen Worte wurden schon existierender Musik unterlegt. Diese Methode, die sogenannte «Parodie», war sowohl in China als auch Italien im 16. Jahrhundert weit verbreitet und konnte weder die Missionare noch ihre gebildeten Gesprächspartner überraschen. Die erwähnte Sammlung wird «Tempio armonico della beatissima vergine» genannt und enthält Stücke für drei Stimmen von verschiedenen Komponisten, zusammengetragen und veröffentlicht von Giovenale Ancina 1598 in Rom. Wu Li, genannt «Yushan» Die erste gesungene Messe und die ersten Kirchenlieder, die von einem Chinesen auf Chinesisch geschrieben wurden, finden sich in der Sammlung «Tianyue zhengyin» (Sammlung des wahren Klangs der Himmelsmusik) von 1710. Diese besteht aus neun Suiten von Stücken des Nordens und Südens und zwölf Gesangsstrophen. Der hochexpressive Stil kennzeichnet die Musik der Dichter mit ihrem fast überfeinen, oft in der Schwebe gehaltenen, transparenten Klängen. Die Worte sind von dem berühmten Maler und Dichter Wu Li «Yushan» (1632–1718). Nach seiner Konvertierung nahm er den Namen Simon Xavier a Cunha an. 1676 traf er Pater François de Rougemont. Er verließ danach Peking in Richtung Macao, wo er 1682 dem Jesuitenorden beitrat. 1688 wurde er zum Priester geweiht. Sein GedichtBan tong yindeutet an, dass er westliche und chinesische Musik auf der Zitherqinspielte. Seine Texte sindAdaptionen von Bibeltexten, ausgewählt aufgrund ihrer erhabenen Gefühle, die die Chinesen beeindrucken sollten. Er wird heute von den chinesischen Katholiken als einer der Gründer ihrer Gemeinde angesehen. Die Stücke der Sammlung «Tianyue zhengyin» und die acht Gesänge von Matteo Ricci basieren auf dem Prinzip der Parodie. In beiden Fällen war es François Picard, der sie nun bearbeitet hat sowie Text und Musik einander anpasste. Die Suite «Shifan pur» (Aloe und Sandelholz brennen) ermöglicht es dem Zuhörer, gleichzeitig oder nacheinander Folgendes zu hören: die erste Sammlung von Amiots Divertissements chinois (1779), die Suite Rechen von Liu Chuqing in Tianjin shifan quanpu (1992) – gesungen wie notiert – und die Suite aus dem Manuskript von Zhou Wenting, zusammengestellt in der HebeiProvinz 1999. Die Überlagerung dieser drei Elemente unterstreicht die bemerkenswerte Kontinuität der Tradition und den historischen Wert der Dokumente von Amiot. Die «Gemeinde der Musiker» Im Lauf des 17. Jahrhunderts wurden vier Kirchen in Peking errichtet, auf Grundstücken, die von den Herrschern zur Verfügung gestellt worden waren. Die zwei wichtigsten sind die von Beitang (Kirche des Nordens) und jene von Bantang, der Kirche des Südens, die von Matteo Ricci im Jahre 1605 gegründet wurde und die zur Zeit vom Bischof von Peking geleitet wird. Einige Jahrzehnte nach ihrer Errichtung wurde die Beitang-Kirche mit einem Glockenspiel und einer Orgel ausgestattet, von der eine sehr genaue Beschreibung erhalten geblieben ist. Auf beiden wurden europäische und chinesische Melodien gespielt, indem eine Mechanik benutzt wurde, wie sie in Athanasius Kirchers Traktat «Musurgia universalis», welcher die Chinesen beeindruckte beschrieben wird,. Diese beiden Instrumente überlebten die Zeitläufe wegen Erdbeben, Feuern und anderer Unbill leider nicht. Das gesamte musikalische Repertoire der Kirche wurde von der «Gemeinde der Musiker» gespielt und vorgetragen. Es bestand sowohl aus chinesischen katholischen Stücken als auch aus Musik, die von den Missionaren mitgebracht worden war. Die Gruppe dieser Musiker, gegründet von Missionaren an der Beitang-Kirche im 17. Jahrhundert, wurde bald von einemManchu geleitet, einem konvertierten Gelehrten, der Ma André genannt wurde und auch selbst einiges komponiert hat – was, wissen wir nicht. Ihm folgten andere chinesische Leiter, deren Namen nicht überliefert sind. Geprobt wurde mindestens einmal die Woche, und das Ensemble war groß genug, um – bei großen Feiertagen – drei Orchester gleichzeitig spielen zu lassen. Mehrere Quellen zeigen, dass sowohl chinesische als auch europäische Musik bei den Zeremonien genutzt wurde, aber wir wissen leider nichts über die Einteilung und Organisation der verschiedenen Stile. Die «Gemeinde der Musiker» starb im 18. Jahrhundert nicht aus; die Mitglieder der Kirche von Beitang setzen diese Tradition noch immer fort. © Jean-Christophe Frisch und François Picard TAGEALTERMUSIKREGENSBURG JUNI2006 18 AUSFÜHRENDE XVIII-21 MUSIQUE DESLUMIÈRES Christophe Laporte Countertenor Shi Kelong Gesang und Schlagzeug Wang Weiping Gesang, Pipa (Laute) François Picard Sheng (Mundorgel), Xiao (Flöte), Leitung Lai Longhan Dizi (Flöte) Hélène Clerc-Murgier Cembalo, Orgel Jonathan Dunford Gamba Jean-Christophe Frisch Traversflöte, Yunluo (Glocken), Gesamtleitung PROGRAMM JOSEPH -MARIEAMIOT Troisième divertissement chinois (1718-1793) Qunyin fangju yinyue pu MATTEORICCI Xiqin qu yi (1552-1610) Aus „Acht Gesängemit westlichen Instrumenten“ Nr. 1 Wuyuan zai shang, In alto le nostre aspirazioni PAOLOPAPINI Aus „TempioArmonicodella BeatissimaVergine”, G. Ancina, Rom 1598 Ardente desiderio di morir in quella santa casa Qual Ape al favo da gli amati fiori MATTEORICCI Xiqin qu yi Aus „Acht Gesängemit westlichen Instrumenten“ Nr. 2Mutong you shan, Il Pastore che cambia di collina Nr. 4De zhi yongqiao, Forza e influsso della virtù WULI Chengsong Shengmu yuezhang - Preisungen (1632-1718) der Heiligen Mutter FRANCESCOMARTINI Aus „TempioArmonicodella BeatissimaVergine”, FLAMENGO G. Ancina, Rom 1598 Mentre più coce in sù’l merigio ardente TEODORICOPEDRINI Sonata V, G-Dur für Traversflöte und Basso (1671-1746) continuo Largo – Vivace – Allegro – Adagio – Pastorale WULI Bei mo’ao - Geplagt vom Dämon des Stolzes MATTEORICCI Xiqin qu yi Aus „Acht Gesängemit westlichen Instrumenten“ Nr. 6Xiong zhong yong ping, Indifferenza di cuore TRAD . Shang po yangDas Schaf auf dem Hügel (instrumental) Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Volker Platte, 42897 Remscheid, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. Ebenso danken wir der Universität Regensburg (Fachbereich Musikpädagogik) für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel.

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