Tage Alter Musik – Programmheft 2006

mal deutsch, ist das Lochamer Liederbuch , das etwa 1452-60 in Nürnberg kopiert wurde und die frühesten Beispiele für dasTenorlied enthält. Dieses Tenorlied, das von etwa 1450 bis etwa 1550 seine Blütezeit hatte, war ein spezifisch deutscher Typ des polyphonen Gesangs, der auf einer überlieferten Stimmlinie basierte, die als cantus firmus (oder Tenor) benutzt wurde. Angesiedelt in der Mitte zwischen volkstümlichen und Kunst-Gattungen, sind die Gedichte und Kompositionen natürlich im Stil, und das durch ihre Einfachheit, ihre Intimität und ihren lyrischen Charakter geschaffene Klima unterscheidet sie von jeder anderen Sammlung. Verschiedenartige Sängerkategorien werden in dem Buch erwähnt: Angehörige der Bourgeoisie, Gesangslehrer, Kleriker und einfache Liebhaber nehmen Anteil an den melodischen Vergnügungen eines Stils, der zurückgeht auf die verfeinerte häusliche Kunst derMeistersinger und später vom Gemeindegeist der Reformation aufgenommen wurde, der es in den Choral verwandelte (mit der Melodie fest eingebettet in die Sopranlinie). Das 15. Jahrhundert erlebte auch die Geburt von rein instrumentalen Formen, wie z.B. Stücke für Tasteninstrumente in Tabulatur. Deutschland hatte wieder Anteil mit dem Fundamentum organisandi (1452) des blinden Organisten Conrad Paumann von Nürnberg und dem wenig späteren Buxheimer Orgelbuch (irgendwann zwischen 1460 und 1470). Das Orgelbuch enthält mehr als 250 Stücke, Transkriptionen liturgischer oder weltlicher Vokalwerke und Tänze, darunter mehrere von Dufay und Binchois (die nicht genannt werden) ausgeborgte Kompositionen, die als Basis für spätere Arrangements und Ausschmückungen vorgeschlagen werden. Es ist interessant festzuhalten, dass die Orgel das einzige Instrument darstellt, dessen Geschichte seit etwa 1430 bis heute verfolgt werden kann dank der vielen Quellen und Dokumente, die uns überliefert sind, dass aber – für das 15. Jahrhundert – diese Quellen ausschließlich deutsche sind, da es keine italienischen, französischen, spanischen oder englischen Werke aus jener Zeit gibt. Mit ganczem Willenwird hier in Fassungen aus dem Lochamer Liederbuch, dem Fundamentum organisandi und dem Buxheimer Orgelbuch vorgestellt. Schließlich sind in diesem Programm mehrere Tänze enthalten. Tänze des 14. und des 15. Jahrhunderts gehören natürlich zum instrumentalen Repertoire: der Saltarello und Istampitte Parlamento , und Variationen über einen bassa danza La SpagnavonGuglielmo Ebreo da Pesaro , einem italienischen Tanzmeister des 15. Jahrhunderts, um dessen Dienste sich die glänzendsten Höfe Norditaliens rissen, darunter der Hof der Familie d’Este in Ferrara. Andere Stücke – Amoroso, La danse de Cleves – sind einer der vielen königlichen Privatsammlungen entnommen, der Handschrift, die allgemein alsLiederalbum der Margarete von Österreichbekannt ist. Allgemein ist bei diesem Repertoiretyp nur die Melodiestimme ausgeschrieben, sie wurde aber sicherlich von Perkussionsinstrumenten begleitet, die der Autor zu nennen nicht für nötig hielt. Bei Tänzen der Ars-Nova-Zeit oder früheren sprechen einige Zeitgenossen von estampies (oder istampitte ), die durch eine Gruppe von jongleurs oder einem Quartett von ménestrels (minstrels), die Fideln (vielles) oder Violen spielten, aufgeführt wurden. Dies lässt uns vermuten, dass, wie beim Gesangsrepertoire, instrumentale Polyphonie, wenn auch noch nicht sehr ausgeprägt, für die Begleitung von Tänzen bereits existierte. Die Aufführung dieser Werke durchAllégoriebasiert auf sachlichen Informationen. Stimmen und Instrumente spielten in weltlicher Musik in gleicher Weise wichtige Rollen (wie sich aus zeitgenössischer Ikonographie und Skulptur ergibt). Das Grundprinzip scheint gewesen zu sein, jede Vokalstimme durch ein Musikinstrument zu verdoppeln (colla parte). Aber es war zweifellos üblich, ursprünglich für Gesang gedachte Stücke oder begleitete Gesangsstücke für rein instrumentale Aufführungen umzuschreiben. Da diese Informationen ganz verlässlich sind, konnte sichAllégoriemehrere mögliche Interpretationen vorstellen, je nach dem Aufführungsort (im Saal oder im Freien) und der Tatsache, dass Musiker der Zeit, die zunächst alle Sänger waren, jeweils verschiedene Typen von Instrumenten beherrschten. © Roger Tellart TAGEALTERMUSIKREGENSBURG JUNI 2006 9 PROGRAMM I. LIEBE UNDJUGEND MANUSKRIPTMARGARETE VON Amoroso ÖSTERREICH LOYSETCOMPÈRE (1445-1518) Le grand désir Italien, 14. Jahrhundert EstampieSaltarello MANUSKRIPTBAYEUX (1515) Tenez ces fols en joye MANUSKRIPTMARGARETE VON La Danse de Cleves ÖSTERREICH MANUSKRIPTBAYEUX (1515) Hellas mon cueur II. DERMAIBAUM GUILLAUMEDUFAY (ca. 1400-1474) Bon jour, bon mois Resvelons nous, amoureux Alons ent bien tos au may ANONYM Petits riens GUILLAUMEDUFAY Ce jour de l’an voudray joye mener Italien, 14. Jahrhundert EstampieParlamento GUILLAUMEDUFAY Vergene bella III. DERKRIEG UND DERKÖNIG LOYSETCOMPÈRE Vive le noble roy de France GULIELMUS L ’ HÉBREU (15. Jh.) Basse danse La Spagna AUSFÜHRENDE ALLÉGORIE Els Jansens Mezzosopran Emmanuelle Guigues Fideln Marie Garnier-Marzullo Zink Claire Antonini Laute Serge Goubioud Tenor Jean-Paul Bazin Guiterne Pierre Rigopoulos Perkussion ANONYM A cheval, tout homme à cheval LOCHAMERLIEDERBUCH Mit ganczem Willen (ca. 1450) / CONRADPAUMANN : „FUNDAMENTUMORGANISANDI “ (1452) / BUXHEIMERORGELBUCH IV. AMLEBENSABEND GUILLAUMEDUFAY Quel fronte signorille in paradiso Par droit je puis bien complaindre ARNOLD DELANTINS (15. Jh.) In tua memoria CHANSONNIER DELA Pues no mejora mi suerte COLOMBINA (15. Jh.) Philipp III.

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=