Tage Alter Musik – Programmheft 2007

Wesenszügen ( Les Suisses: Behäbigkeit und Soli- dität, Les Portugais: Leidenschaft und Agilität) oder anderen Eigentümlichkeiten ( Les Turcs: Ja- nitscharenmusik mit fremden Klängen über trommelnden Bässen; Les Moscovites: emphati- sches Läuten der Kremlglocken). Bei Türken, Schweizern und Portugiesen ist die Aussage quasi als Folie über bekannte Tanztypen (Gigue, Passpied, Sarabande, Bourrée) gelegt. Mit der Alternativ-Folge der letzten beiden Sätze der Suite wird eine Bedingung des Reisens themati- siert, die Fortbewegung. Ob man im Sattel oder im Fonds einer Kutsche reist, man ist mit lah- menden (Les Boiteux) oder flott trabenden (Les Coureurs) Pferden konfrontiert. Von hier erschei- nen auch die etwas stereotype Fuge der Ouver- türe und das unruhige Menuet alternativement in anderem, dem Thema verpflichteten Licht. „Und wie wäre es möglich, mich all dessen zu erin- nern, was ich zum Geigen und Blasen erfunden?“, schrieb ein verzweifelter Georg Philipp Telemann im letzten seiner drei Lebensläufe. Als er dies für das große Komponistenlexikon seines Freundes Mattheson schrieb, war Telemann auf der Höhe seines Ruhms. Der Ruf dieses Allro- und-Musikers verbreitete sich während einer Karriere, die 75 Jahre währte, in ganz Westeuro- pa. Als Interpret, Lehrer und Komponist war Te- lemann bei Hofe wie im Bürgertum berühmt von St. Petersburg bis Lissabon. Ständig war er an neuen Ausdrucksformen interessiert und ließ sich von so unterschiedlichen Klängen wie denjenigen der polnischen Dudelsäcke und Hörner oder der Vögel der Alster-Seen in Ham- burg inspirieren. Seine a-Moll Ouverture (Suite) weist eine ambi- tionierte Struktur auf, die mit ihren unablässi- gen Stimmungswechseln und ihren kontrastie- renden Satzcharakteren hochdramatisch ange- legt ist. Das gesamte Register der Flöte und ihre ganze Expressivität werden mit großer Kennt- nis und Liebe erkundet. Geschickt achtet Tele- mann darauf, die unterschiedlichen Satzcharak- tere auszubalancieren. Die mächtigen Harmoni- en der Ouverture und das hämmernde Bassmo- tiv umrahmen ein subtiles Fugato mit einem spielfreudigen Kontrapunkt. Die Air à l’Italien mit ihren verschiedenen Tempi wirkt ausge- sprochen experimentell, während die ab- schließende Polonaise an Telemanns Jahre beim Grafen Erdmann II. von Promnitz in Sorau erin- nert. Als der Hof für eine Weile nach Pless, einer Stadt in Oberschlesien, ging, wurde Telemann T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2007 17 Minoritenkirche Das Regensburger Minoritenkloster wurde im Jahre 1226, im Todesjahr des hl. Franziskus gegründet. Aufgrund reicher Stiftungen konnte um die Jahrhundertmitte mit dem Neubau einer großen Ordenskirche, der Minoritenkirche, begonnen werden. Im er- sten Jahrhundert seines Bestehens wirkten drei berühmte Mönche in diesem Kloster: der gelehrte Mystiker David von Augsburg (um 1240), der geistliche Dichter Lamp- recht (gegen 1300) und der berühmte Volks- prediger Berthold von Regensburg (gest. 1272). Die Minoritenkirche ist die größte Kirche des Franziskanerordens in Süd- deutschland. Das frühgotische flachge- deckte Langhaus wurde um 1260/70 er- baut, der gewölbte Chor im 14. Jahrhun- dert. Die Wandmalereien des 14. bis 16. Jahrhunderts wurden in den letzten Jahr- zehnten freigelegt. Vor der Stelle, wo sich der Hochaltar befand, wurde das Grab Bertholds eingelassen.

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