Tage Alter Musik – Programmheft 2008

schen Renaissancerepertoire. Die einfache De- klamation von Remember me my deir imitiert die französische air de cour . Die Lautenstücke, “canaries”, wurden nach ihrer Entstehung auf den Kanarischen Inseln benannt und durch spanische und italienische Musiker übermittelt. Branles d’escosse sind eigentlich französische Tänze, veröffentlicht in Paris, aber angeblich schottischen Ursprungs. A Courtly Poet What mightie motion Das Talent des Dichters Alexander Montgo- mery, des künstlerischen Leiters am Hof des jungen Jakob VI., zeigt sich deutlich, wenn man nur den ersten Vers dieses Liedes laut liest. Der gesamte Text ist ein Meisterstück der Alliterati- on. Crossing to the New World Crossing to Ireland, Gypsen Davey (Child Ballad no. 200) Neben den schriftlichen Quellen verfolgen wir auch den Weg traditioneller schottischer Lieder, die über die Generationen von einem zum an- deren Sänger weitergereicht wurden und die mit den schottischen Bauern und Handwerkern in die Neue Welt wanderten – in die isolierten Täler von Appalachia und in die weiten Buch- ten von Cape Breton, Nova Scotia. In einer alten schottischen Handschrift von etwa 1630 heißt der Vorläufer von Gypsen Davey “Lady Cassiles Lilt”. Die Ballade erscheint im 18. Jahrhundert als Johnny Faa , or the Gypsie Laddie ( The Scots Musical Museum , II, 1788). Sie erzählt die Ge- schichte einer gewissen Lady Cassilis, die ihren Ehemann für einen Zigeuner verließ. Der Re- frain aus Nonsens-Silben deutet die magische Macht – den Glamour – an, den die Zigeuner auf diese Dame ausüben. Diese Fassung ist eine Kombination aus mehreren von Cecil Sharp in den Jahren 1916-1918 in den Appalachian Mountains in North Carolina und Kentucky ge- sammelten Versionen. The Scotch Humour Green grows the rashes Die Popularität des “Scotch style“ (hier sehr deutlich zu hören durch die Anwendung der „gapped scale“, einer Tonleiter, die von der dia- tonischen sieben-Tonleiter abweicht) erreichte ihren Höhepunkt im England des späten 17. Jahrhunderts durch die Veröffentlichung von Anthologien wie Wit and Mirth; or Pills to Purge Melancholy (1719) und setzte sich im Norden und Süden der Britischen Inseln das ganze 18. Jahrhundert hindurch fort. Der Scotch cuckold ist eine englische Imitation des schottischen Stils, während die Melodie Green grows the rashes eine echte schottische ist. Schon 1627 erschienen, blieb die letzte das ganze 18. Jahrhundert über populär, als Robert Burns einen passenden Liedtext dazu verfasste. Eine Version unserer Melodie Green grows the rashes erschien ohne Worte auch in James Oswalds Caledonian Pocket Companion von 1742. Native Aires One yeir begins Ein Nachdenken über das Vergehen von Zeit und den Kreislauf der Natur bietet dieses schö- ne Gedicht von einem unbekannten schotti- schen Autor. Vielleicht wurde es von einer Frau geschrieben – es gibt entsprechende Hinweise in zusätzlichen Strophen. Der Herausgeber Kenneth Elliott vermutet auf Grund der Tatsa- chen, dass es einer Quelle aus Aberdeen ent- stammt und Drucker aus Aberdeen berühmt waren für ihre Almanache, dass es sich um ein vertontes Almanachgedicht handeln könnte. Die Melodie selbst beseitigt jeden Zweifel über den außergewöhnlichen Tonumfang schotti- schen Singens. Gäbe es die Worte nicht, könnte ein moderner Betrachter dies für eine Instru- mentalmelodie halten, aber der weite Tonum- fang trägt nur zur stimmlichen Expressivität bei und macht das Lied zu einem ursprünglichen Klagen. Suit smiling Katie loves me Hier arrangiert für Cister, Flöte und Laute, stel- len diese Folk-Melodien perfekte Beispiele für in Schottland beheimatete Melodien dar, wie sie in den handschriftlichen Sammlungen für Laute und Mandora des frühen 17. Jahrhunderts er- halten geblieben sind. Rorate caeli desuper Die Worte Rorate caeli desuper , mit denen Wil- liamDunbar (etwa 1460 – nach 1513) dieses lieb- liche Gedicht eröffnet, stammen von dem Pro- pheten Isaiah des Alten Testaments. Indem er als Introitus für den vierten Adventssonntag dient, ruft der liturgische Text Gedanken an die Wiederkehr Christi und den Tag des Gerichts hervor als sühnende Vorbereitung für das Ge- burtsfest. Sowohl die Hell/Dunkel-Bilder als auch das Herabregnen des Taus (oder der Rechtschaffenheit) vom Himmel, die dem Öff- nen der Erde am Tag des Jüngsten Gerichts vor- ausgehen, dürften für die Christen zu Dunbars Zeit vertraut geklungen haben. Dunbar folgt den biblischen Worten mit Versen über die Glo- rien der Schöpfung und des Menschen Schuld gegenüber Gott. Das Gedicht wurde vertont von den Herausgebern der ersten Auflage des Oxford Book of Carols (1928), die die schotti- sche Volksweise The Strily Vale für die Verto- nung wählten. Sie kannten die Melodie wahr- scheinlich aus James Oswalds Arrangement von Folk-Melodien aus dem 18. Jahrhundert. An Ancient Ground Whip my toudie*, Remember me at evening, A Scot’s tune Die neben der vornehmen höfischen Musik existierenden einheimischen schottischen Melo- dien wurden von belesenen Musikern und Amateur-Sammlern – Aristokaraten im Schott- land des 17. Jahrhunderts – geschätzt, die den Verlust ihrer eigenen ursprünglichen Musik be- fürchteten, wenn sie nicht aufgeschrieben würde. Ihre Handschriften stellen reine Instru- mentalmusik dar (Skene für die Mandora, ein kleines lautenähnliches Instrument, und Stral- och für die Laute), obwohl einige der Melodien ursprünglich einen Text vertont haben mögen. Die Mandora- und Lautenarrangements sind meist rudimentär – einfache Melodien mit spär- licher Begleitung, die zum Improvisieren einla- den. Die Melodienfolge, die mit Whip my toudie anfängt, ist einfach und gerade deshalb umso kraftvoller. Diese drei Melodien verraten ihre Herkunft aus einer improvisierten mündlichen Überlieferung. Harmonisch bewegen sie sich zwischen Dominante und Tonika. *” toudie” meint eine Henne, die keine Eier legt, oder eine junge Frau, die nicht verheiratet ist. On the Banks of Helicon Adeu, O desie of delyt, O lusty May, The Banks of Helicon or The Nine Muses König Jakob VI., 1566 geborener Sohn der Maria Stuart, der in den achtziger Jahren noch ein Ju- gendlicher war, hatte einen Kreis von Dichtern und Musikern um sich versammelt, um eine Ge- sellschaft zu gründen, die sich selbst “Castalian Band” nannte (nach der mythischen Quelle auf dem Berg Parnassus, einem Symbol für Inspira- T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2008 13 Reichssaal Regensburg war seit den Karolingern bevorzugter Ort für die Abhaltung von Reichstagen. Im Mittelalter zählte man 45 Reichstage in Regensburg. 1541 war der Reichssaal Ort des berühmten Religionsgesprächs zwi- schen Melanchthon und Dr. Eck. Von den Reichstagen sind besonders der von 1623, bei dem Bayern die Kur- würde erhielt, und der von 1630, als Wallenstein von der Mehrheit der katholischen Fürsten abgesetzt wurde, zu nennen. Von 1663 bis 1806 war der Reichssaal Tagungs- ort des „Immerwährenden Reichstags“. Er ist als erstes deutsches Parlament anzusehen. Der um 1360 gebaute Reichssaal darf in seinen Dimensionen und seinemAlter für Deutschland als einzigartig gelten. Hervorzuheben ist die mächtige Holzdecke, an deren Unterseite man die Relieffigur des thronenden Petrus (des Stadtpatrons) er- kennt.

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