Tage Alter Musik – Programmheft 2008

Zum Programm: Der Programmtitel „Klingende Geographie“ – einer Komposition G. Ph. Telemanns entlehnt – , beschreibt kurz und knapp den Inhalt unseres heu- tigen Programms. In verschiedenen Kompositionen zeigt unsere Auf- führung ein einzigartiges Zusammentreffen vornehm-höfischer Tanzmu- sik mit volkstümlicher Tanz- und Unterhaltungsmusik im Europa des 18. Jahrhunderts. Das Spektakel lebhafter Tänze in originalen Choreographi- en und prächtigen Kostümen beginnt mit Musik von Johann Joseph Fux. Zunächst erklingt seine Orchestersuite Nr. IV g-Moll und die Ballettsuite aus seiner Oper Costanza e Fortezza, einem Auftragswerk anlässlich der Krönung Karls VI. in Prag im Jahre 1723. Der Mittelteil des Programms stützt sich auf mehrere Anthologien alter Musik, die in verschiedenen Teilen Mitteleuropas erhalten sind. Sie zeigen seltene Beispiele landschaftlicher Stilvarianten mit Einflüssen bis aus der Türkei von unvergleichlichem Erfindungsreichtum und unterschied- lichem Temperament. Die Musik in Uhrovská zbierka , einer ungarischen Sammlung um 1730, zeichnet sich aus durch ungewöhnliche Harmoniefolgen und umfasst Stücke mit türkischem, zigeunerischem, polnischem und ungarischem Einfluss. Eine weitere wichtige Quelle ist das Melodiarium von Anna Szir- may-Keczer (1735). Diese Sammlung enthält Repertoire oberungarischer Ensembles aus aristokratischen Kreisen. Aus einer Handschrift eines mährischen Mönchs (1698) stammen drei Tänze, die verschiedene Typen der sozialen Schichten verkörpern: Orpheus pro rustici (für Bauern), Or- pheus pro civibus (für Bürger) und Orpheus pro nobilis (für Adlige). In dieser Sammlung erscheint ein wichtiger Tanztyp, dessen Popularität weit über die Grenzen der Region hinausreichte. Beheimatet in Haná in Mähren, zeigt er Ähnlichkeiten mit anderen Tänzen aus Polen und dem Grenzgebiet zwischen Mähren und der Slowakei. Das Leben von Jan Josef Ignác Brentner (1689 – 1742) war über die Jahr- hunderte in Dunkel gehüllt. Sicher wissen wir nur, dass er in Dobrany bei Pilsen geboren wurde und starb und dass er amAnfang des zweiten Jahr- zehnts des 18. Jahrhunderts in Prag wohnte. Während dieser Zeit erschie- nen vier Sammlungen seiner Kompositionen im Druck und machten ihn zum meistpublizierten tschechischen Komponisten. Im Musikarchiv des Benediktinerklosters in Rajhrad von 1725 war der einzige häufiger vertre- tene Autor Gunther Jacob, ein Mitglied des Benediktinerordens. Es ist er- wiesen, dass Brentners Musik auch im Ausland bekannt war; Jesuiten- Missionare reisten mit seinen Sakralwerken gar bis Südamerika in ihre Missionsstationen im heutigen Bolivien; mehrere lokale Archive dort be- wahren einige seltene Kopien von Brentners Musik bis heute auf. Horae pomeridianae , eine Sammlung von sechs Kammerkonzer- ten, erschien als des Autors vierte Veröffent- lichung im Jahre 1720. Sie stellt das erste be- kannte gedruckte Buch mit Kammermusik von einem einheimischen Komponisten dar, das in Prag herausgegeben wurde. Bis vor kurzem galt es als verschollen, und wir wussten von seiner Existenz nur dank des Wörterbuchs von Jan Bohumil Dlabac vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Es enthält sechs vierstimmige Kom- positionen in Konzertform, wobei die erste Stimme ab- wechselnd der Traversflöte, der Oboe oder der Violine zugewiesen wird. Beson- ders erwähnenswert ist das vierte Concerto , das im Pro- gramm gleich nach der Pause gespielt wird. Der schnelle Mittelsatz heißt Vigil nocturnus (Nacht- wächter), und seine Eröff- nungsmelodie ist ein freies Zitat eines Nachtwächter- liedes, das in Mitteleuropa weit verbreitet war und in pastoralen Kompositionen oft als Symbol für die Mit- ternacht benutzt wurde. T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2008 17 Jana Semerádová Neuhaussaal Der Bau des Stadttheaters mit dem Neuhaussaal wurde unmit- telbar nach der Säkularisation vom neuen Stadtherrn, dem Kur- fürsten und Erzkanzler Carl von Dalberg, in Auftrag gegeben. Der Architekt d'Herigoyen schuf das Stadttheater im Jahr 1804. Nach einem Brand wurde es 1849 in etwas veränderter Form wie- deraufgebaut. Ein Mittelteil mit Dreiecksgiebel und seitliche Bal- kone zeichnen den Bau aus, der eine reiche Theatergeschichte schreibt. Der klassizistische Neu- haussaal kann auf eine reiche Konzert- und Ballgeschichte zurückblicken.

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