Tage Alter Musik – Programmheft 2008

D as berühmte amerikanische Renaissance-Bläserensemble Piffaro, The Renaissance Band gastiert heuer zum fünften Mal nach seiner Euro- papremiere im Jahr 1993 bei den TagenAlter Musik. Das Ensemble, das mit drei Gast-Musikern nach Regensburg kommt, beherrscht hochvirtuos eine große, breitgefächerte Sammlung historischer Blasinstrumente, was ihren Konzerten unvergleichliche Lebendigkeit und Farbigkeit verleiht. In die- sem Jahr führt die musikalische Reise von Piffaro ins England des 16. und 17. Jahrhunderts. Piffaros Konzert zeichnet die musikalische Geschichte einer Stadtkapelle der florierenden Metropole London von der zweiten Hälfte des 16. bis ins frühe 17. Jahrhundert nach. Piffaro spielt – wie es auch die Londoner Stadtmusikanten taten – Werke einiger der größten engli- schen Komponisten der Zeit. Seit nun 28 Jahren bereichert Piffaro die Alte- Musik-Szene weltweit mit seiner unvergleichlichen Bläserkunst. Es gibt kein wichtiges Festival, bei dem die amerikanischen Musiker nicht aufge- treten sind. Sie haben zahlreiche exzellente CDs bei verschiedenen Labels veröffentlicht, die die Ausnahmekunst von Piffaro dokumentieren. Zum Programm: Über viele Jahre hat Piffaro das reiche Œuvre der Bläsermusik der Renais- sance erforscht, aufgeführt und in zahlreichen CD-Einspielungen doku- mentiert. Dabei lag der Schwerpunkt der Aktivitäten auf dem Repertoire professioneller Bläserensembles, wie es an Höfen, in Kirchen und in den Städten im 15. und 16. Jahrhundert in Europa erklang: In Spanien nannten sich die Bläserensembles ministriles , in Deutschland und in den Niederlan- den stadtpfeiffer oder stadtpijper, in Frankteich ministrels und in Italien piffari. Trotz verschiedener Streifzüge durch die Musik der britischen Inseln wag- ten wir keinen näheren Blick auf Leben, Arbeit und Repertoire der waits von England – bis jetzt. Mit dem heutigen Konzert korrigieren wir diesen Umstand und legen das Hauptaugenmerk auf eine berühmte Kapelle einer berühmten englischen Stadt, auf die Stadtmusikanten von London. Der Ausdruck „wait“, auch überliefert als „wayt“ oder „wayte“, aus dem französischen „gaite“, hatte durch seine Geschichte hindurch eine Vielzahl von Bedeutungen. Im 13. und 14. Jahrhundert bezog er sich auf den Wäch- ter, der am befestigten Tor einer Stadt- oder Burgmauer stand und Horn- signale zwecks Ankündigung von Leuten gab, die Einlass begehrten. Die- ser „wait“ wurde jedoch nicht als Musiker angesehen. Es gibt gute Bewei- se dafür, dass es sich bei dem Horn, das der Wächter spielte, zumindest gegen Ende des 14. Jahrhunderts um eine Schalmei handelte. So meinen Bezugnahmen auf eine „wayte-pipe” wie im Black Book of the Exchequer mit großer Wahrscheinlichkeit ein Sopraninstrument aus der Schalmeienfami- lie. Daraus folgte dann, dass jeder Spieler der Sopranschalmei als „wait“ bezeichnet werden konnte, ganz gleich ob er Wächter war oder nicht. Etwa im 15. Jahrhundert wurde der Plural des Ausdrucks allgemein be- nutzt, um eine Gruppe bürgerlicher Spielleute, die Angestellte von Städten oder Höfen irgendwo im England der Renaissance waren, zu bezeichnen. Die Hauptinstrumente der Stadtmusikanten waren in Einklang mit der historischen Entwick- lung des Wortes die einer lauten Kapelle und um- fassten zunächst Schalmeien, aber dann auch Zug- trompeten und schließlich Posaunen. Ein Fünf- mann-Ensemble bestand im späten 15. Jahrhun- dert wohl aus drei Schalmeien und zwei Posau- nen. Im 16. Jahrhundert erweiterten mit demAuf- tauchen neuer Instrumente die Stadtmusikanten ihre Besetzung – wie die Kapellen auf dem Konti- nent – durch Dulzian, Blockflöte, Krummhorn und Kornett, und die Mitglieder spielten oft außerdem auch Saiteninstrumente, besonders Laute und Harfe, aber gelegentlich auch Viola da gamba und Fiddle. Einige dieser Ensembles be- schäftigten auch Sänger, oder die Instrumenta- listen selbst sangen zu ihren Instrumentaldarbietungen. Diese späten Be- setzungen der Londoner Stadtmusikanten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis ins frühe 17. Jahrhundert stehen im Mittelpunkt dieses Programms. Das Repertoire, das diesen Stadtkapellen zur Verfügung stand, war sehr umfangreich. Wie für ihre Vorläufer sowohl in England als auch auf dem Kontinent bestand ein beachtlicher Teil ihrer Musik aus Vokalmusik, da- runter waren Hymnen, Motetten, Madrigale und andere weltliche Vokal- kompositionen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erweiterte sich ihr Re- pertoire um komponierte Instrumentalmusik in Form von Fantasien, Solo- und Gruppentänzen, „In nomine“-Sätzen, Theatermusik, Kanons u.a. Besonders eine Handschrift, die gegenwärtig in der Fitzwilliam-Bib- liothek in London aufbewahrt wird, scheint Repertoire zu enthalten, das speziell für die Stadtmusikanten bestimmt war. Im Gegensatz dazu gibt es jede Menge Literatur für die in der damaligen Zeit sehr beliebten anderen Instrumentalbesetzungen, wie das Gambenconsort, oder das in England so beliebte „broken consort“. Diese Sammlung, die im folgenden Fitzwil- liam-Blaskapellen-Handschrift (Fitzwilliam ‘Wind Band’ manuscript) ge- nannt wird, zeigt deutlich, welche Musik die Stadtmusikanten spielten. Viele Stücke sind für sechs oder mehr Stimmen geschrieben und spiegeln so die wachsende Größe der Ensembles während dieser Periode wider. T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG Piffaro, The Renaissance Band (USA) M AI 2008 Sonntag, 11. Mai 2008, 11.00 Uhr (Matinee) Minoritenkirche, Dachauplatz London Waits – Bläsermusik aus der Zeit Elizabeths I. 30 Piffaro Minoritenkirche Das Regensburger Minoritenkloster wurde im Jahre 1226, im Todesjahr des hl. Franziskus gegründet. Aufgrund reicher Stiftungen konnte um die Jahrhundertmitte mit dem Neubau einer großen Ordenskirche, der Minoritenkirche, begonnen werden. Im ersten Jahrhundert seines Bestehens wirk- ten drei berühmte Mönche in diesem Klo- ster: der gelehrte Mystiker David von Augsburg (um 1240), der geistliche Dichter Lamprecht (gegen 1300) und der berühmte Volksprediger Berthold von Regensburg (gest. 1272). Die Minoritenkirche ist die größte Kirche des Franziskanerordens in Süddeutschland. Das frühgotische flachge- deckte Langhaus wurde um 1260/70 er- baut, der gewölbte Chor im 14. Jahrhun- dert. Die Wandmalereien des 14. bis 16. Jahrhunderts wurden in den letzten Jahr- zehnten freigelegt. Vor der Stelle, wo sich der Hochaltar befand, wurde das Grab Bertholds eingelassen. Leitung: Joan Kimball & Bob Wiemken

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