Tage Alter Musik – Programmheft 2008

Manche der Stücke in diesem Pro- gramm, darunter die „Pavane” und die „Almandes” am Ende des ersten Teils des Konzerts und das Madrigal Hard by a crystal fountain von Morley im zweiten Teil, ent- stammen dieser wichtigen Quelle. Das erste Stück unseres Programms - Robert Parsons The Song Called Trumpets - weist vielleicht zurück auf die ältere historische Funktion der „waits“ als Signalgeber. Parsons war ein hochgeachteter Komponist seiner Zeit, der einen Teil seines Lebens in London arbei- tete. Seine Kompositionen erwie- sen sich als einflussreich auf viele englische Komponisten des späten 16. Jahrhunderts, darunter beson- ders William Byrd. Unglücklicher- weise fiel Parsons als noch junger Mann einem Bootsunfall zum Opfer, während er den für Hoch- wasser anfälligen Übergang bei Ne- wark befuhr. Ein Kommentar von einem gewissen Robert Dow gegen Ende der achtziger Jahre des 16. Jahrhunderts spiegelt die wahr- scheinliche Reaktion der Musikwelt auf dieses unglückliche Ereignis. Qui tantus primo Parsone in flore fuisti, Quantus in autumno in morere fores. Parsons, der du so großartig warst in der ersten Blüte des Lebens, Wie groß wärest du im (Lebens-)Herbst ge- worden, wenn du nicht gestorben wärest. Ein Komponist, der den Herbst sei- nes Lebens durchaus erreichte, war William Byrd, eine Figur, deren Reputation und dessen komposito- rische Meisterschaft Liebhabern alter Musik kaum vorgestellt zu werden braucht. Obwohl sein Ge- burtsdatum nie erwähnt wird, merkt Byrd in seinem Testament vom November 1622 an, dass er „im achtzigsten Jahr seines Alters“ sei, was seine Geburt irgendwann im Jahre 1543 wahrscheinlich sein lässt. So groß war die Wirkung die- ses Musikgenies, dass ein Bewun- derer ihn als „Brittanicae Musicae Parens“ oder „Vater der britischen Musik“ bezeichnete. Von Byrds drei lateinischen Motet- ten in unserem Programm ist die fünfstimmige Motette Siderum rec- tor die früheste, veröffentlicht in seinen Cantiones, quae ab argumento sacrae vocantur (London, 1575), kurz nachdem Byrd als „Gentle- man of the Chapel Royal“ vereidigt wurde als Parsons’ Nachfolger nach dessen Unfalltod. Ein weiterer von Byrds älteren Zeitgenossen, der großen Einfluss auf ihn ausübte, war Thomas Tal- lis. Um 1505 geboren, besetzte Tal- lis schnell wichtige Positionen in der Welt der englischen Musik und wurde schon 1537 „Gentleman of the Chapel Royal“. Infolgedessen erstreckte sich seine Daueranstel- lung im Dienste des königlichen Hofs über die Regierungszeiten von Heinrich VIII., Eduard VI., Maria Tudor und über mehr als die Hälfte derjenigen Elisabeths I. Ein Couplet aus seiner Grabinschrift hebt die Demut und Bescheiden- heit des Mannes hervor, der zwei- fellos tiefen Respekt genoss. As he dyd lyve, so also did he dy, In myld and quyet Sort (O! happy Man) Wie er lebte, so starb er auch, in milder und ruhiger Art (O! glücklicher Mann) Wenn Tallis und Byrd vom flämi- schen Stil der Polyphonie des Nor- dens, der die internationale Musik- sprache von Messe und Motette be- stimmte, beeinflusst waren, so fand sich ein weiterer Komponist unse- res Programms, nämlich Thomas Weelkes , stark vom neuen italieni- schen Madrigal beeinflusst, das schon vollständig von Thomas Mor- ley adaptiert worden war. Doch Weelkes’ Beiträge zum Genre über- trafen Morleys leichte Gewandtheit in diesem Stil. Mit Stücken wie Cease sorrowes now , das durch lei- denschaftliches Pathos und kühne chromatische Wendungen besticht, soll Weelkes eine neue kompositori- sche Ausdrucksform für englische Komponisten begründet haben. In der Mitte des 16. Jahrhunderts zog eine einigermaßen hochge- schätzte italienische Familie nach London und bewies eine dauernde Wirkung auf englische Instrumen- talaufführungen im Allgemeinen und auf die Stadtmusikannten im Besonderen. Diese Familie war der Bassano -Clan, der ursprünglich aus der Nähe von Venedig stamm- te. Die Bassani waren als Hofmusi- ker aktiv während der Herrschaft Heinrichs VIII. bis weit in die Re- publik unter Cromwell. Hoch an- gesehen als praktizierende Musi- ker, Komponisten und Instrumen- tenbauer, hatten sie Einfluss auf jede Schicht des musikalischen Establishments in London. Schließlich waren Mitglieder der Stadtmusikanten mit Sicherheit be- teiligt an den großen höfischen und theatralischen Aufführungen in- nerhalb der englischen Gesell- schaft, den Maskenspielen. Diese Unterhaltungsveranstaltungen fußten auf allegorischen oder my- thologischen Themen und beinhal- teten Poesie, Musik und üppige Bühnenbilder. Stücke wie Cuparee or Gray’s Inn , The Standing Masque , The Nobleman, The First Witch’s Dance und The Second Witch’s Dance ebenso wie die zwei Stücke, die unser Konzert beenden, Goddesses und La Bounette , bieten einen Ein- blick in die sehr englische Welt der volkstümlichen Unterhaltung. © Bob Wiemken T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2008 31 P ROGRAMM ROGRAMM R OBERT P ARSONS (ca. 1530-1570) The song called Trumpets Pommer, Posaune, Perkussion W ILLIAM B YRD (1543-1623) Siderum rector W ILLIAM B YRD Tribulatio proxima est W ILLIAM B YRD Domine non sum dignus Pommer, Posaune, Dulzian J EROME B ASSANO (ca. 1581-1631) Fantasia a 5 A NONYM (17. Jahrhundert) Almaine J OHN B ALDWINE (ca. 1560-1615) Coockow T HOMAS M ORLEY (1557-1602) Hard by a crystal fountain Renaissance-Blockflöte, Laute, Harfe A NON . M ELODIE (Arr. Grant Herreid) The Indian weed is withered quite T HOMAS W EELKES (? – 1623) Come, sirrah, Jack ho C LEMENT W OODCOCK (um 1575) Hackney Gesang, Douçaine, Krummhorn R OBERT J OHNSON (ca. 1583-1633) Masquing Ayre: The Nobleman A NONYM (frühes 17. Jahrhundert) Kemp’s Jig A NONYM MasquingAyre: Cuparee orGray’s Inn A NONYM MasquingAyre: The StandingMasque A NONYM Masquing Ayre: Williams his love A NONYM Antimasque: First Witch’s dance A NONYM Antimasque: SecondWitch’s dance Pommer, Posaune, Dulzian, Laute, Harfe, Dudelsack, Flöte und Handtrommel A UGUSTIN B ASSANO (um 1603) Pavane A NONYM (frühes 17. Jahrhundert) Almandes Pommer, Posaune, Dulzian, Dudelsack, Gitarre, Perkussion PAUSE W ILLIAM B YRD Sermone blando W ILLIAM B YRD Fantasia T HOMAS T ALLIS (ca. 1505-1585) O nata lux de lumine W ILLIAM B YRD In nomine Renaissance-Blockflöten T HOMAS W EELKES Tan ta ra ran ta tan, cries Mars T HOMAS W EELKES Young Cupid hath proclaim’d T HOMAS W EELKES Cease sorrowes now T HOMAS W EELKES A country paire T HOMAS W EELKES Three times a day my prayer Pommer, Posaune, Dulzian A NONYM (Arr. Piffaro) Goddesses M ULLINER B OOK La bounette (veröffentlicht um 1570, Arr. Piffaro) Renaissance-Blockflöte, Laute, Harfe, Posaune Dulzian, Dudelsack ,Gitarre, Perkussion A USFÜHRENDE P IFFARO , T HE R ENAISSANCE B AND Grant Herreid Pommer, Blockflöte, Laute, Gitarre, Gesang Joan Kimball Pommer, Blockflöte, Dulzian, Dudelsack, Krummhorn Christa Patton Pommer, Blockflöte, Harfe Bob Wiemken Pommer, Dulzian, Blockflöte, Krummhorn, Perkussion Tom Zajac Posaune, Blockflöte, Krummhorn, Dudelsack, Flöte und Handtrommel Gäste: Priscilla Smith Pommer, Blockflöte, Dulzian, Krummhorn Daphna Mor Blockflöte, Perkussion Adam Bregman Posaune, Blockflöte, Krummhorn

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