Tage Alter Musik – Programmheft 2009

L udus Modalis — „das Spiel der Modi“ — wurde von Bruno Boterf gegründet. Das Vo- kalensemble hat sich die Wiedergabe weltlicher und religiöser Polyphonie der Renaissance und des Vorbarock in ihrer ganzen Farbigkeit zur Aufgabe gestellt. Ludus Modalis möchte sich von einer zu allgemeinen Herangehensweise an die Interpretation absetzen, indem es sich auf oft vernachlässigte Aspekte konzentriert, wie Aus- sprache, an den Gebrauch der Modi gebundene Intonation und Temperierung, das Streben nach abwechslungsreicheren Vokalfarben und vor allem die gewissenhafte Beachtung der Ori- ginalquellen, welche durch die Zusammenar- beit mit Musikwissenschaftlern abgesichert wird. Die Entscheidung, sowohl Männerstim- men wie auch Frauen- und sogar Kinderstim- men einzusetzen, ist von dem Bestreben getra- gen, ein Ensemble von Klangfarben zu sein, in dem die Verschmelzung kontrastierender Tim- bres zu einer Bereicherung führt. Die hochge- lobte erste CD des Ensembles erschien 2007 beim Label Ramée. Unter dem Titel „Deux cœrs aimants“ wurden ausschließlich Kompositionen von Paschal de L’Estocart aufgenommen. Der Kritiker der Süddeutschen Zeitung schrieb: „Mit dieser maßstabsetzenden Aufnahme kann Paschal de L’Estocart als Großmeister der Re- naissance wiederentdeckt werden“. Von der Musik der Renaissance und des Vorba- rock fasziniert, widmet sich Bruno Boterf regel- mäßig dem Repertoire des Seicento, sowohl im Duo mit dem von Gilles Ragon gegründeten En- semble A doi tenori, wie auch als Solist mit En- sembles wie Akadêmia , Les Witches , William Byrd oder La Fenice . Seine besondere Aufmerksam- keit gilt außerdem dem französischen Reper- toire, mit einer Vorliebe für die Air de Cour des ausgehenden 16. Jahrhunderts und die Polypho- nie der chanson française, die er während mehr als zwanzig Jahren mit dem Ensemble Clément Ja- nequin aufgeführt hat. Bruno Boterf hat am Kon- servatorium von Tours unterrichtet, wo er an der Gründung einer Klasse für die Interpretati- on von Vokalmusik der Renaissance beteiligt war. Seine Unterrichtstätigkeit hat ihn zur Gründung des Ensembles Ludus Modalis ge- führt. Zum Programm: Man weiß nur sehr wenig über Paschal de L’E- stocart. Er wurde in Noyon (Picardie) um 1537 geboren. Von seiner musikalischen Ausbildung wissen wir nichts. Sein Verbleib ist in Lyon 1559 durch einen Zwischenfall und durch seine Hochzeit im Jahre 1565 belegt, danach verliert sich seine Spur bis zum Jahr 1581, als er sich an der Universität von Basel einschrieb. Es steht demnach außer Zweifel, dass sich L’Estocart aufgrund seiner Sympathien für die Reformati- on auf calvinistischem Boden niedergelassen hatte, und vielleicht auch um sich dort verlegen zu lassen, in jener Schweiz, wo die Drucker äußerst aktiv waren, besonders in Genf, wo mehrere Musikverlage florierten. Der Rest sei- nes Lebens verliert sich im Dunkeln, das nur durch zwei Daten erhellt wird: im Jahre 1584 er- scheint er auf der Liste der Preisträger des Puy de Sainte-Cécile und 1587 enthält das Gesuchs- register an Heinrich III. sein Ersuchen um Auf- nahme als Laie in die Abtei von Frémont —, welches übrigens abgelehnt wurde. Muss man daraus schließen, dass er zum Katholizismus zurückgekehrt war, oder dass er niemals wirk- lich calvinistischen Glaubens war? Von dieser Zweideutigkeit zeugt im Besonderen die Sammlung der Sacræ Cantiones : einerseits mit ihrer Widmung an den Pfalzgrafen Johann Casimir, einen bekannten Calvinisten in den Re- ligionskriegen, und andererseits mit ihrem latei- nischen Teil, der jedoch nur einen minimalen Platz einnimmt. Die musikalische Sprache L’Estocarts scheint, wie bei allen französischen Komponisten seiner Generation, von Lassus beeinflusst. Bezeich- nend ist dabei die Fähigkeit, sämtliche Kompo- sitionstechniken (vom imitativen Kontrapunkt bis hin zu homophonen Akkordblöcken) in den Dienst der musikalischen Ausdruckskraft zu stellen, die Klarheit, mit der die musikalische Syntax jener des Textes entspricht, die rhythmi- sche Vielfalt und das Gespür für Bewegung, die reiche Anwendung rhetorischer Wendungen. Aber seine größte Originalität besteht in der harmonischen Kühnheit, die schon seinen er- T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG Ludus Modalis (Frankreich) M AI 2009 Samstag, 30. Mai 2009, 22.45 Uhr (Nachtkonzert) Dominikanerkirche , Predigergasse 22 Ludus Modalis „Visages de Paschal de L’Estocart“ – Die Wiederentdeckung des Renaissancemeisters Paschal de L’Estocart (um 1537 - ?) Leitung: Bruno Boterf Bruno Boterf

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