Tage Alter Musik – Programmheft 2009

Zum Programm: „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“ (1707) HWV 46a Il Trionfo del Tempo e del Disinganno (Rom 1707) ist das erste von Händel komponierte Ora- torium. Im Jahre 1707 war er gerade in Rom an- gekommen und komponierte, hauptsächlich unterstützt von Marchese Ruspoli, Seite um Seite unglaublich schöne Musik. Hauptsächlich Kantaten mit Continuo- oder mit Orchesterbe- gleitung, aber ebenso geistliche Musik, die in der Hauptstadt des Katholizismus sehr gefragt war. Händel unternahm seine Italienreise imWesent- lichen zu Lernzwecken: das einundzwanzi- gjährige Genie wusste, dass in Italien und be- sonders in Rom die modernste Musik der Zeit komponiert wurde und dass dort die bekannte- sten Komponisten und Virtuosen aktiv waren. Mit dem intensiven Wunsch zur Erweiterung seines Horizonts kam er ganz am Ende des Jah- res 1706 in der Ewigen Stadt an und begann zu arbeiten, unter anderen neben Arcangelo Corelli und den beiden Scarlattis, Alessandro und Do- menico, und es ist verwunderlich, wie schnell, wir würden sagen in weniger als ein paar Mo- naten, Händel sich mit dem höchst verfeinerten italienischen Kompositionsstil auskennt und auf der Grundlage dieser neuen Kenntnisse seinen eigenen Stil zu entwickeln beginnt. Wenn in einer Kantate wie „Aminta e Fillide“ (möglicherweise zu datieren Dezember 1706) fast ein Drittel der Arien aus Anleihen bei Keiser – einem sehr beliebten Komponisten in Ham- burg, wo Händel arbeitete, bevor er nach Italien kam – besteht, so gibt es schon in „Il Delirio Amoroso“ (Februar 1707) nur noch einen Satz, der von Keiser übernommen wird, und der Rest der Musik ist echter Händel in einem schon völ- lig reifen Idiom. Nach diesen ersten beiden Werken – und „Il De- lirio Amoroso“ kann sicherlich schon als Mei- sterwerk bezeichnet werden – ist „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“ zeitlich zu platzieren. Das Libretto dieses Oratoriums präsentiert einen allegorischen Kampf zwischen Piacere auf der einen Seite und Tempo bzw. Disinganno auf der anderen. Es geht in dem Kampf um die Seele Bellezzas (der Hauptrolle des Oratoriums), die im Zweifel ist, ob sie in ihrem Leben Piacere wählen soll oder Verità (im Namen von Verità – einer Figur, die nur benannt wird, aber in dem Oratorium nicht auftritt – handeln Tempo und Disinganno). Im Endeffekt wird sich Bellezza für Verità entscheiden (es konnte im katholi- schen Rom nicht anders sein), aber nur mit sehr viel Zweifel, und es wird interessant sein zu sehen, wie sehr dieser „Triumph“ für Bellezza nach Verlust schmecken wird... Das umstrittene Werk – umstritten nicht wegen seiner musikalischen Seite, die wunderbar ist – ist auf mehrere verschiedene Arten gedeutet worden. Es wurde gesehen als „schwarze Oper“, wo alle Gefühle wie im ‚Negativ‘ darge- stellt sind, ferner als ein Versuch der Mäzene, Händel zum Katholizismus zu bekehren (ne- benbei sei angemerkt, dass mehrere der Kanta- tentexte auf Händel selbst bezogen scheinen und somit als Botschaften betrachtet werden können, die seine römischen Gönner an den Komponisten richteten). Last but not least gibt es eine faszinierende Theorie, die besagt, dass die erste Aufführung von „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“ zusammen mit der Ausstel- lung von Gemälden einer adligen römischen Fa- milie konzipiert wurde, und einige Teile des Li- brettos scheinen tatsächlich in Wirklichkeit Bild- beschreibungen zu sein. Was auch immer die Absicht oder besser die Ab- sichten des Librettisten waren, Händel nahm die Herausforderung an und gestaltete die Texte mit inspirierten Arien aus, mit wirkungsvollen Sonaten und Sinfonien und mit psychologi- schen Vertiefungen – alles Züge, die wir in sei- nen späteren Werken bewundern, alles Züge, die wir erstaunlicherweise bei einem erst 22 Jahre alten Komponisten so reif ausgebildet sehen. T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2009 31 Nuria Rial Fabio Bonizzoni Elena Biscuola Yetzabel Arias Fernandez Krystian Adam Foto: A. Willemse

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=