Tage Alter Musik – Programmheft 2010

Haus des Pharisäers salbt, dann Maria Magdalena, die Frau, der Jesus sieben Dämonen exorzierte und die die erste Zeugin der Erscheinungen des Auferstandenen war, und schließlich Maria, die Schwester der Martha und des Lazarus, die sich für ein kontemplatives Leben entschied und sich nicht, wie ihre Schwester, zu Tode arbeitete. Mit dieser Darstellung distanzierte sich Lefèvre, obwohl gläubiger Katholik, von der offiziellen kirchlichen Lehrmeinung und ging sogar soweit, dadurch die Existenz der Heiligen Maria Magdalena zu bestreiten. Die Diskussion über dieses Traktat und die massive Reaktion der Konservativen bestärkte nicht zuletzt die reformatorischen Bestrebungen. Schnell weitete sich die Debatte auch über Paris, den französischen und burgundischen Hof hinaus aus und viele Darstellungen in der bildenden Kunst, vor allem in den Niederlanden, entstanden in direktem Zusammenhang mit dieser „Querelle“. FürBjörn Schmelzer ist die Marienmesse von Nicolas Champion „das faszinierendste und wunderbarste Beispiel der Kunstwerke“, die aufgrund der Auseinandersetzung von 1518 entstanden. Es ist eine Art theologische Abhandlung, ein Kommentar in Form einer vielteiligen Messe, die nicht nur einen, sondern mehrere Cantus firmi aufweist und sieben Antiphonen, gregorianische Wechselgesänge, die von der Struktur her analog zu der Darstellung der drei verschiedenen Marienfiguren in Lefèvres Abhandlung angelegt sind. Dadurch sind die drei Phasen aus dem Leben der fiktiven Maria Magdalena und die drei verschiedenen Erscheinungsformen miteinander verknüpft. Ob Champion mit seinem Werk aber wirklich die divergierenden Standpunkte - Marienverehrung und vermeintliche Historie - miteinander versöhnen wollte, muss, so Schmelzer, unbeantwortet bleiben. Der affektreiche Musikstil, in dem Champion diese Messe komponierte, „Musica reservata“ genannt, war damals en vogue und findet in der Renaissancegotik ihre Entsprechung, enthält aber auch Zitate und Manierismen aus früheren Stilen. Am auffälligsten sind die kontrastreichen HellDunkel-Schattierungen im Zusammenklang, die Vielfalt der rhythmischen Strukturen, die reichen Verzierungen nach französischem oder italienischem Stil, die Vielzahl rhetorischer Figuren sowie auch die improvisatorischen Elemente. Es ist eine reiche Musik, die Graindelavoix in seiner Aufführung zum Leben erweckt, das Werk eines Komponisten, der zu Unrecht völlig in Vergessenheit geraten war. Viel hat Nicolas Champion offensichtlich nicht komponiert, oder zumindest gibt es darüber keine Nachweise - und auch über sein Leben ist wenig bekannt. Champion stammte aus der Gegend von Lüttich, wo er wahrscheinlich ausgebildet wurde. Er war zunächst als Sänger Mitglied der burgundischen Hofkapelle und begleitete Philipp den Schönen und Johanna von Kastilien bei ihren beiden Reisen nach Spanien. Er war schon bald sehr angesehen, auch unter seinen Kollegen Pierre de la Rue, Alexander Agricola oder Mabriano de Orto. Auch nach dem Tod Philipps im Jahre 1506 blieb Champion zunächst noch Mitglied der Kapelle. Johanna reiste noch jahrelang mit dem Leichnam ihres Mannes im Sarg durch Kastilien und ließ den Chor der „Grande Chapelle“ jede Nacht ein Requiem für ihn singen, bis ihr Vater Ferdinand I. dem ein Ende bereitete und die „Wahnsinnige“ in Tordesillas einkerkern ließ. Daraufhin wurde die Hofkapelle aufgelöst und Champion kehrte nach Flandern zurück. Er wirkte zunächst am Hof der Margarete von Österreich in Mechelen, schloss sich später der Hofkapelle Karls V. an und unternahm auch noch zwei weitere Spanienreisen. Schließlich ließ sich Champion in Lier nieder, wurde Kanonikus und erhielt 1519 bedeutende Pfründe an der Kirche St. Gummarus. Obwohl Nicolas Champion zu Lebzeiten sehr angesehen war, litt sein Nachruhm doch unter dem übermächtigen Josquin des Prez; so wurde auch seine Vertonung des 130. Psalms „De Profundis“, lange Zeit als eine der besten Kompositionen von Des Prez angesehen. Und da sich nachweislich nur sechs Werke insgesamt erhalten haben, geriet Champion vollständig in Vergessenheit. Neben Champions Marienmesse erklingen noch französisch-flämische Chansons mit Instrumentalbegleitung, die inhaltlich mit dem Thema „Maria Magdalena“ verbunden sind. Dominikanerkirche Die Dominikanerkirche gehört zu den frühesten Schöpfungen der deutschen Gotik und ist eine der größten Bettelordenskirchen in Deutschland. Mit ihrem Bau wurde 1246 begonnen. Anfang des 14. Jahrhunderts war die Kirche bereits fertiggestellt. Albertus Magnus, der berühmte Gelehrte und Bischof von Regensburg, wirkte von 1236 bis 1240 im Regensburger Dominikanerkloster. Die Kirche wurde gemäß der Regel des Bettelordens der Dominikaner in strenger Schlichtheit erbaut. Sie besitzt deshalb auch keinen ihren Ausmaßen entsprechenden Turm. Unter den Wandfresken im Inneren ist v. a. eine Darstellung der 14 Nothelfer von 1331 hervorzuheben, eine der frühesten, die wir kennen. Die Fresken wurden bei Renovierungsarbeiten zwischen 1967 und 1973 freigelegt. TAGEALTERMUSIKREGENSBURG MAI2010 23 (((*,#+%$!""&%*)' 0A"!8A#" ()'*( /=' =3$ ()'*% /=' ;7"3<!C:1C ""*) /=' 2B71:A "#*$ /=' /&74D.7 ()'*% /=' ,&#78.#" "#*$ /=' *:!!:A !&*$ /=' 5&#'8A#" "!*) /=' -A71.!>.BC 1B"BC:< B9 6:8.< )A#3%:>.BC 1B"BC:< &8.# ?:C.<<BC 0!C#: (!*' (#:1 +!C 5.<C>.BC <B@. B9 ;7C.#7.C JI7--KJCKG0F $'&%"& $$#!#! G7M.+G/ 0). 3K2 -KGG2 CD “La Magdalene” von Graindelavoix

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