Tage Alter Musik – Programmheft 2010

Michael Noonewurde in Sydney geboren und studierte an der Universität Sydney und am King’s College, Cambridge. Er widmet sich seitdem dem Studium und der Aufführung spanischer Renaissancemusik. Als Musikwissenschaftler hält er häufig Vorträge auf internationalen Konferenzen und genießt einen hervorragenden Ruf hinsichtlich seiner Forschungsarbeit in den Archiven von El Escorial und der Kathedrale von Toledo. Im Jahre 1998 erschien sein BuchMusic and musicians in the Escorial , von der Kritik als „bahnbrechend“ besprochen. Noones Forschungen führten zu aufregenden Entdeckungen vieler bisher unbekannter Werke von so bedeutenden spanischen Renaissance-Komponisten wie Cristóbal de Morales, Francisco Guerrero, Alonso Lobo und Ginés de Boluda. Seine Ausgaben vieler dieser Werke wurden unter dem Titel Códice 25 de la catedral de Toledo im Jahre 2003 veröffentlicht. Viele der neuen Morales-Werke wurden 2005 in Ersteinspielungen mit dem Ensemble Plus Ultra auf dem Glossa-Label veröffentlicht. Michael Noonehat auch die vollständigen Motetten von Fernando de las Infantas und die Magnificat-Vertonungen von Sebastián de Vivanco herausgegeben. Er unterrichtete an der Australian National University, der University of Hong Kong, der Cornell University und am Boston College. Im Jahre 2006 wurde Michael Noone von Spaniens König Juan Carlos für seine Verdienste um die spanische Musik mit der Royal Toledo Foundation medalausgezeichnet. Das von ihm undWarren Trevelyan-Jones2001 gegründeteEnsemble Plus Ultra steht ganz in der großen Tradition erstklassiger britischer Vokalensembles. Es hat sich auf das reiche Repertoire der spanischen Renaissance spezialisiert und mittlerweile zahlreiche CDs vornehmlich beim Label Glossa veröffentlicht. Von der Fundación Caja Madrid wurde das Ensemble Plus Ultra auserwählt, zur Wiederkehr des 400. Todestages des spanischen Komponisten Tomás Luis de Victoria (1548-1611) eine über 90 Werke umfassende CDCollection für die Archiv Produktion der Deutschen Grammophon Gesellschaft aufzunehmen. 2009 wurden die Aufnahmen abgeschlossen. Die ersten vier Folgen der zehn CDs umfassenden Sammlung wurden vor kurzem veröffentlicht. Der Zinkenist Jeremy West ist Gründungsmitglied und Leiter des Londoner Bläserensembles His Majestys Sagbutts and Cornetts, das seit Jahren zu den prominentesten Vertretern seines Genres zählt. Seit 1995 ist das Ensemble am Royal College of Music in London als „Ensemble in residence“ beheimatet. Die Londoner Bläser arbeiten regelmäßig mit dem Ensemble Plus Ultra zusammen und sind auch in das große Victoria-CD-Projekt eingebunden. Francisco Guerrero (1528-1599) Mit dem älteren Cristóbal de Morales und dem jüngeren Tomás Luis de Victoria war Francisco Guerrero einer der drei großen spanischen Priester-Komponisten des 16. Jahrhunderts. Geboren in Sevilla im Jahre 1528, diente er in der dortigen Kathedrale, wie er später selbst berichtete, „von Kindheit an“. Etwa in den späten 1530er Jahren war er wahrscheinlich Mitglied des Knabenchors der Kathedrale, der seises . Er studierte zuerst Musik bei seinem Bruder Pedro, der später nach Rom auswanderte. Im Jahre 1542, im Alter von 14 Jahren, ereilte Francisco der Stimmbruch, und er wurde von der Kathedrale als contralto -Sänger und Juniorkleriker in Ausbildung für das Priesteramt angestellt. Wir wissen aus Guerreros eigenen Schriften, dass er bei Morales studierte, aber bis vor kurzem wussten wir nichts über Zeit und Ort dieser Lehre. Michael Noones kürzliche Entdeckung des handschriftlichen Codex 25 der Kathedrale von Toledo bietet jedoch den abschließenden Beleg dafür, dass Guerrero im Alter von 17 oder 18 Jahren gegen Ende 1545 und im Jahr 1546 bei Morales in Toledo studierte. In der Tat enthält die Toledo-Handschrift die frühesten Kompositionen, die wir aus der Feder des jungen Meisters besitzen, Kompositionen, die seine schwere Dankesschuld gegenüber Morales enthüllen. Morales, ebenfalls in Sevilla geboren, war kurz vorher nach einem Jahrzehnt im Dienst des päpstlichen Chores in Rom nach Spanien zurückgekehrt. 1546 empfahl Morales persönlich den jungen Guerrero für den Posten desmaestro de capilla an der Kathedrale von Jaén. Offensichtlich waren Guerreros musikalische Fähigkeiten für den Posten ausreichend. Doch seine Unfähigkeit, die täglichen Anforderungen, die das Beherbergen, Ernähren und Erziehen der singenden Knaben von Jaén stellte, zu erfüllen, führte zu gegenseitiger Entfremdung, und er ließ seine Amtszeit im Jahre 1549 auslaufen. 1550 war er zurück in Sevilla, in den folgenden Jahren machten die dortigen Kathedralen-Kanoniker (unter denen sich mindestens ein hervorragender Musiker befand – der Vihuela-Spieler und Komponist Alonso Mudarra) jede denkbare Anstrengung, sich Guerreros Dienste zu erhalten. Nach einem Versuch der Kathedrale von Málaga, Guerrero zu dortiger Kapellmeisterschaft zu locken, nominierten die Autoritäten in Sevilla im Jahre 1551 den 23Jährigen zumAssistenten des damaligenmaestro de capilla , Pedro Fernández, und später, im Jahr 1554, verliehen sie ihm in Erwartung des Todes des Fernández das Recht auf die Nachfolge in der Kapellmeisterschaft. Obwohl Guerrero sofort alle Verantwortlichkeiten des Kapellmeisters in Sevilla übernahm, lebte der schon ältliche Fernández noch fast zwei Jahrzehnte – erst 1574 wurde Guerrero endlich auf dem Posten bestätigt. In der langen Zwischenzeit veröffentlichte Guerrero im Jahre 1555 in Sevilla sein erstes Motettenbuch und wenige Jahre später wurde in Yuste eine seiner Messen für Kaiser Karl V. kurz vor dessen Tod im Jahre 1558 aufgeführt. 1561 besuchte Guerrero die Kathedrale in Toledo und brachte als Geschenk zwei kostspielige neue handschriftliche Chorbücher mit, von denen eines (ein Band mit Magnificat-Sätzen zum Gebrauch bei den Vespern) noch heute dort aufbewahrt wird. 1563 stellte Guerrero die meisten dieser Werke einem internationalen Publikum in seinem ersten gedruckten Magnificat-Buch vor, das in Louvain erschien und König Philip II. gewidmet war. Später, in den 1580er Jahren, wuchs sein internationaler Ruhm durch die Veröffentlichung von fünf Hauptsammlungen seiner Musik in Rom, Paris, Madrid und Venedig und durch eine Reise nach Rom 1581-82, wo er persönlichen Kontakt zu Tomás Luis de Victoria herstellte. (Drei Jahre später, 1585, zollte Victoria TAGEALTERMUSIKREGENSBURG Ensemble Plus Ultra & His Majestys Sagbutts and Cornetts (Großbritannien) MAI2010 Sonntag, 23. Mai 2010, 22.45 Uhr (Nachtkonzert), Dominikanerkirche , Predigergasse Leitung: Michael Noone 36 Francisco Guerrero (1528-1599): Missa Super flumina Babylonis Michael Noone (links), das Ensemble Plus Ultra (Mitte) und His Majestys Sagbutts and Cornetts (rechts) Foto: Ana Ponce

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