Tage Alter Musik – Programmheft 2010

des Adels zu senken. Könnte das vielleicht das Schwinden des Konzertpublikums teilweise erklären? Mozarts soziale Lage verdüsterte sich und brachte ihn in große finanzielle Schwierigkeiten. Trotzdem trug er einen (scheinbar?) unzerstörbaren Optimismus zur Schau, wie die Briefe an seinen Vater zeigen, in denen er seine Unabhängigkeit als Vorteil hinstellte, da sie ihm mehr Zeit zum Komponieren ließ. Der Mensch Mozart war mit seinem ganz eigenen Wesen zu allererst Musiker. In dieser „Trilogie“ stellt er alle Aspekte des menschlichen Ausdrucks, unabhängig von seiner persönlichen Lage, ins hellste Licht. Der Ton der drei Sinfonien ist sehr unterschiedlich: In der Sinfonie Nr. 39 in EsDur erscheinen zahlreiche Elemente, die man eher der Kammermusik zuordnen würde, in der g-Moll-Sinfonie Nr. 40 ist die Welt der Oper unüberhörbar präsent, während Mozart in der C-Dur-Sinfonie Nr. 41 barocke Formen wie Ouvertüre, Concerto und Fuge verwendet. Die Synthese aus Sonatenform und Fuge war damals und ist heute immer noch eine Tour de force, die nur der Hand Mozarts gelingen konnte. Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543 Mozart verwendet hier dieselbe Instrumentation wie in dem Konzert für Klavier und Orchester Nr. 22 in derselben Tonart: 1 Flöte, 2 Klarinetten, Fagott, 2 Hörner, Trompeten, Pauken und Streicher. Die lange Einleitung passt gut zur feierlichen Tonart des Werkes und erinnert an den Stil der barocken französischen Ouvertüre. Ihre Dramatik führt zu grellen Dissonanzen in Takt 18. Der Diskurs verdichtet sich zu einer Frage am Ende der Einleitung. Vier Piano-Takte ziehen das Allegro an. Die bemerkenswerte Expressivität des Satzes beruht auf einem ungewöhnlichen Dreiertakt und seiner Delikatesse, die an Kammermusik erinnert. Celli und Kontrabässe nehmen das bezaubernde Thema vor der ersten Tutti-Episode noch einmal auf. Die ziemlich brutale Durchführung endet erneut mit einem nachdrücklichen Fragezeichen. Das anschließende Andante con moto steht in Rondo-Form. Das intime Ronde-Thema kontrastiert mit den beiden lauten Couplets in f-Moll und h-Moll, letzteres wird durch eine verblüffende Modulation in Takt 91 vorbereitet. Das Bläser-Staccato gibt dem Menuett mit seinen ständigen Harmoniewechseln große dynamische Spannung. Die Klarinette, Mozarts Lieblingsinstrument während seiner letzten Lebensjahre, gibt den Ton im Trio an. Die weniger häufigen Harmoniewechsel dieses Satzteils erlauben es uns, ihn als Ländler zu begreifen, dem ländlichen Tanz der niederen Stände, der oft dreistimmig für zwei Oboen und Fagott oder für Streichorchester im Stile der Musiken für Dudelsack oder Drehleier gesetzt ist. Das Finale, eine Art Perpetuummobile, erinnert an Haydn. Dieser Satz mit seinen kühnen Harmonien und Modulationen endet mit einer Apokope: Wir erleben die Rückkehr des Anfangsthemas, aber stückchenweise. Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550 Im Gegensatz zu den Konventionen der Zeit wurde diese Sinfonie ohne Pauken und Trompeten in einer Molltonart komponiert. Das harmonisch sehr gewagte Molto allegro könnte Schubert als Inspirationsquelle seiner 1. und 5. Sinfonie gedient haben. Der Anfang des Werks ist mit seiner rhythmischen, einaktigen Einleitung von unerhörter Süße. Das Thema ist repetitiv, die Bratschen-Begleitung einprägsam, Charakteristika, die dem Werk noch heute seine ungeheure Popularität sichern. Das Andante erreicht mit harmonischen Spannungen und pausenloser Bewegtheit eine ungewöhnliche Intensität. Alles andere als galant ist das ernsthaft-männliche, polyphone Menuett. Seine merkwürdige 3+3+4+4-Takte-Struktur kontrastiert schroff mit dem darauf folgenden idyllisch-pastoralen Trio. Ein außergewöhnlicher Rhythmus beherrscht das Finale, ein gebrochener Akkord stellt eine Frage, auf die ein nervöses Achtel-Motiv antwortet. Das aufsteigende Thema verleiht dem Ende einen exaltierten und dämonischen Charakter. Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551 Die „Jupiter-Sinfonie“ kann in verschiedener Hinsicht als titanisch bezeichnet werden, obwohl sie in einem bemerkenswert kurzen Zeitraum komponiert wurde. In derselben Weise, wie Mozart in seinen Klavierkonzerten und Opern unvergleichliche stilistische und formale Perfektion erreichte, stellt diese mit 40 Minuten Spieldauer ungewöhnlich lange Sinfonie ein Meisterwerk der Verschmelzung innovativer und traditioneller Elemente dar. Als innovativ wären zu bezeichnen: die imitierende Coda, der Buffo-Stil des Seitenthemas und das Zitat der komischen Arie „Un bacio di mano“ (KV 541), das als letztes Thema der Exposition verwendet wird. Trotz allem ist die Sinfonie in verschiedener Hinsicht erstaunlicherweise noch viel traditioneller, nämlich in der Verwendung barocker Formen wie Concerto und Fuge, in der Tonart C-Dur, im Stil des ersten Satzes in Ouvertüren- oder Intrada-Form. Bemerkenswert am Andante ist vor allem sein kantabler Charakter, das Spiel der Streicher mit Dämpfer (deren gewagte Chromatik aber oft als dem 19.Jahrhundert zugehörig empfunden wurde) und einige Einzelheiten, die sogar an Verdi denken lassen. Vor Mozart hätte es sich kein Mensch einfallen lassen, ein Menuett in fallender Chromatik zu komponieren. Das Trio beginnt mit einer Schluss-Kadenz, als würden hier die Pferde von der Kutsche gezogen. Dem Finale schließlich glückt die Synthese aus Sonaten-Form und Fuge, weshalb diese Sinfonie in den deutschsprachigen Ländern auch „Sinfonie mit der Schlussfuge“ genannt wird. © Jos van Immerseel TAGEALTERMUSIKREGENSBURG MAI2010 45 PROGRAMM WOLFGANGAMADEUSMOZART Symphonie Es-Dur Nr. 39 KV 543 (1756-1791) (1788) Adagio – Allegro Andante con moto Menuetto (Allegro / Trio) Finale – Allegro Symphonie g-Moll Nr. 40 KV 550 (1788) Allegro molto Andante Menuetto (Allegro / Trio) Allegro assai PAUSE Symphonie C-Dur Nr. 41 KV 551 (1788) Allegro vivace Andante cantabile Menuetto (Allegro / Trio) Molto allegro AUSFÜHRENDE ANIMAETERNABRUGGE Brian Dean (Konzertmeister), Balázs Bozzai, Karin Dean, Daniela Helm, Laura Johnson Albrecht Kühner Violine I Joseph Tan, Annelies De Cock, Barbara Erdner, Paulien Kostense, Mimi Mitchell, Liesbeth Nijs, Erik Sieglerschmidt Violine II Luc Gysbregts, Laxmi Bickley, Frans Vos, Sabine Dziewior, Galina Zinchenko Viola Sergei Istomin, Dmitri Dichtiar, Ute Petersilge Violoncello Love Persson, Tom Devaere, James Munro Kontrabass Frank Theuns Querflöte Hans-Peter Westermann, Elisabeth Schollaert Oboe Lisa Klevit-Ziegler, Philippe Castejon Klarinette Jani Sunnarborg, Györgyi Farkas Fagott Jeroen Billiet, Martin Mürner Horn Steven Bossuyt, Bart Coppé Trompete Luuk Nagtegaal Pauken

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