Tage Alter Musik – Programmheft 2010

Das Vokal- und Instrumentalensemble La Morra wurde an der Schola Cantorum Basiliensis (Basel, Schweiz) gegründet und gab sein internationales Debüt im Jahr 2000. Der Name des Ensembles ist einer Komposition Heinrich Isaacs entlehnt. Spezialisiert auf Musik des Spätmittelalters und der Renaissance, ist das Ensemble seitdem auf vielen bedeutenden Festivals wie dem belgischen Festival van Vlaanderen, dem niederländischen Holland Festival und Netwerk Oude Muziek, bei den Schweizer Freunden Alter Musik in Basel, den Rencontres de Musique Médiévale du Thoronet in Frankreich und Il Canto delle Pietre in Norditalien aufgetreten und hat zahlreiche Konzerte in ganz Europa gegeben. La Morra hat mehrere CDs veröffentlicht, die von der internationalen Presse mit viel Aufmerksamkeit bedacht worden sind. Seit 2005 arbeitet La Morra eng mit dem Label Ramée zusammen. Zum Programm: Gotische Kunst kennt im Überfluss bildliche Darstellungen von göttliche Personen der westlichen Christenheit umgebenden musizierenden Engeln (besonders in den Szenen von Geburt und Anbetung). Es wurde darauf hingewiesen, dass solche „Engelkonzerte“ nicht nur wertvolle Informationen über die Kunstwerke selbst, sondern auch über zeitgenössische musikalische Praktiken enthalten können. Gelegentlich legt der Maler ein wirkliches Notenblatt in Engelshände, wie es der als „Master of the Embroidered Foliage“ bekannte flämische Künstler des späten 15. Jahrhunderts tat. In den beiden ihm zugeschriebenen „Madonna und Kind“- Gemälden (dem sogenannten „Polizzi Generosa Triptychon“ in Sizilien und einem gegenwärtig in der Sammlung von R. J. Grog, Paris, befindlichen Gemälde) hält einer der musizierenden Engel eine Handschrift einer polyphonen AntiphonAve regina celorumvon Walter Frye. Selten ist ein Stück polyphoner Musik in der bildenden Kunst der Zeit zu sehen, und es erheben sich viele Fragen über die Identifikation desAve regina celorumin mehreren Gemälden, die demselben Künstler zugeschrieben werden können. Warum wählte er gerade dieses Stück? Beruhte seine Wahl auf ästhetischen Kriterien? Wurde das Stück derart hochgeschätzt, dass man es für „engelsmusikwürdig“ hielt? Oder war es die Kunst der polyphonen Komposition selbst? „Es ist sehr überraschend, dass es keine vor über vierzig Jahren geschriebene Komposition gibt, die von den Gelehrten für aufführungswürdig gehalten wird. Zu dieser Zeit floriert, ich weiß nicht, ob aufgrund des Vorzugs irgendeines himmlischen Einflusses oder des Eifers ständiger Anwendung, zusätzlich zu vielen Sängern, die ganz wundervoll singen, eine unendliche Anzahl von Komponisten (…). Das Werk fast aller dieser Männer verströmt eine solche Süße, dass sie meiner Meinung nach als sehr würdig angesehen werden sollten nicht nur für Menschen und Helden, sondern sogar für die unsterblichen Götter. Ich höre oder studiere sie sicher nie, ohne mich hinterher erfrischter und weiser zu fühlen .“ (Johannes Tinctoris, Liber de arte contrapuncti , Neapel, 1477). Das starke Urteil, das der große flämische Musiktheoretiker gegen „alte Musik“ formulierte, ruft Widerspruch hervor. Aber was Tinctoris uns wirklich zu sagen versucht, ist, dass er Zeuge eines stilistischen Fortschritts in der Kunstmusik seiner Zeit wurde. Heute würden wir das einen Übergang vomMittelalter zur Renaissance nennen. An anderem Ort ( Proportionale musices , ca. 1472-5) nannte Tinctoris einen Engländer, John Dunstaple, „Quelle und Ursprung einer neuen Kunst“ in der Musik (novae artis fons et origo ). Während des 15. Jahrhunderts schwappte die englische Art polyphonen Komponierens über den Kontinent und beeinflusste unter anderen Du Fay und Binchois. In der Arbeit seiner eigenen Generation sah Tinctoris diese „neue Kunst“ einen perfekten „Reifegrad“ erreichen. Es betrifft das Werk des Josquin des Prez – perfekt ausgewogen, dem Wort zugeTAGEALTERMUSIKREGENSBURG La Morra (Schweiz) MAI2010 Freitag, 21. Mai 2010, 22.45 Uhr (Nachtkonzert) Minoritenkirche , Dachauplatz 8 Concentus Angelorum – Geistliche Polyphonie Nordeuropas von 1400 bis 1500 Leitung: Corina Marti & Michal Gondko La Morra

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