Tage Alter Musik – Programmheft 2011

Zuerst England. Heinrich VIII. war als zweiter Sohn Heinrichs VII. anfänglich für die Kirche bestimmt und erhielt eine entsprechend vielseitige Erziehung zur Vorbereitung auf diese Karriere. Der Tod seines älteren Bruders Arthur machte ihn zum Thronfolger, und sogar in den ersten Jahren seiner Herrschaft ab 1509 komponierte Heinrich weiterhin Musik: Er soll zwei Vertonungen des Messordinariums geschrieben haben, die jedoch nicht erhalten sind. Sein einziges erhaltenes lateinisches Werk (trotz des biblischen Textes kann es kaum als geistliches Stück bezeichnet werden, da es ein erotisches Gedicht aus dem Hohen Lied vertont) istQuam pulchra es , geschrieben in der dreistimmigen Textur, wie im späten 15. Jahrhundert üblich. Obwohl es in den Jahren zwischen 1505 und 1510 entstanden sein muss, ist sein Stil jener der vorhergehenden Generation. Heinrich hinterließ auch zahlreiche säkulare Werke im ‘Henry VIII manuscript’ (London, British Library, Add. MS 31922), von denen wir drei aufführen. Die beiden ‘Alas’-Lieder, eines englisch, eines französisch, sind sehr kurz in der erhaltenen Form, bestanden aber ursprünglich wahrscheinlich aus mehreren Strophen; ‘The time of youth’ scheint noch alle seine Strophen aufzuweisen und ist von Interesse wegen der in dem Lied gebotenen Einsicht in die Hauptanliegen des jungen Königs, als da sind Ritterlichkeit, die Jagd und ‘feats of arms’ (Waffen-Meisterstücke). Heinrichs Werken vorangestellt sind zwei für den Stand der Kirchenmusik in den frühen Jahren seiner Herrschaft typische Antiphonen: eine von John Taverner, dem führenden Komponisten der Zeit, und eine Vertonung des populären Texts ‘Sancte Deus’ von dem weniger bekannten William Whytbroke, gefunden in den ‘Henrician’ Stimmbüchern in Peterhouse, Cambridge. Das letzte ‘englische’ Stück im Programm stammt tatsächlich von einem Flamen, Philip van Wilder, der sich einer außerordentlich erfolgreichen Laufbahn am Hof Heinrichs erfreute, und dem seines Sohnes Eduard VI., dem van Wilder als Musiklehrer diente. Hauptsächlich Lautenist und Liederkomponist, hinterließ van Wilder auch sieben geistliche Stücke, von denen das reuevolleAspice Dominevielleicht das schönste ist. Am Hof von Aragon war zur Zeit König Ferdinands der führende Komponist Francisco de Peñalosa, der zwischen 1498 und 1516 für den König arbeitete. Dies war eine besonders interessante Zeit für die spanische geistliche Musik, weil die verhältnismäßig unfruchtbaren Jahre der Mitte des 15. Jahrhunderts mit dem Wegbereiter Peñalosa und unter dem Einfluss von der Musik des Josquin Desprez einem neuen und internationaleren Stil Platz machten, der in Spanien für den größten Teil des Jahrhunderts in Mode bleiben sollte, bis er durch den von Palestrina ersetzt wurde. Missa ‘El ojo’ (‘das Auge’: der Grund für den Titel ist nicht bekannt) ist eine von sechs erhaltenen Vertonungen von Peñalosa, von denen die meisten in der Handschrift Tarazona Cathedral MS 2-3, der Hauptquelle für spanische Musik aus dieser Periode, erscheinen. Es ist die einfachste und vielleicht früheste seiner Messen mit einem cantus firmus in der Tenorstimme in traditioneller Art. Peñalosa hatte ein Kanonikat an der Kathedrale von Sevilla inne, und wir stellen seine Musik neben die von zwei namhaften Bewohnern Sevillas aus späteren Jahren des Jahrhunderts, Morales und Guerrero, wobei der erste das wachsende Interesse an Marienmotetten und Lamentationsvertonungen (im Gegensatz zur Situation in England gegen Ende von Heinrichs Regierungszeit) illustriert und Letzterer den auf neue Weise dramatischen Stil der Palestrina-Zeit mit der Erzählung von der Versuchung Jesu in der Wüste zeigt. © Stephen Rice TAGEALTERMUSIKREGENSBURG JUNI2011 11 PROGRAMM JOHNTAVERNER Mater Christi sanctissima (ca. 1490-1545) WILLIAMWHYTBROKE Sancte Deus (ca. 1501-1569) HEINRICHVIII. Quam pulchra es (1491-1547) Alas, what shall I do for love Hélas madame, celle que j’aime tant The time of youth PHILIP VANWILDER Aspice Domine (ca. 1500-1553) FRANCISCO DEPEÑALOSA Missa el Ojo: Gloria (ca. 1470-1528) CRISTÓBAL DEMORALES Salve regina (ca. 1500-1553) Lamentationen: Zai. Candidiores FRANCISCO DEPEÑALOSA Missa el Ojo: Sanctus FRANCISCOGUERRERO Ductus est Iesus (1528-1599) CRISTÓBAL DEMORALES Regina caeli AUSFÜHRENDE THEBRABANTENSEMBLE Helen Ashby, Kate Ashby, Alison Coldstream Sopran Emma Ashby, Sarah Coatsworth, Fiona Rogers Alt Alastair Carey, Andrew McAnerney Tenor Jon Stainsby, David Stuart Bass Heinrich VIII. Schottenkirche Um 1090 erhielten irische Benediktiner ein Grundstück vor den Mauern der Stadt zum Bau ihres Klosters. Von der ersten Jakobskirche, die 1120 geweiht wurde, sind die beiden Osttürme erhalten. St. Jakob wurde das Mutterkloster aller Nierderlassungen irischer Mönche im deutschsprachigen Raum. 1216 war der Bau vollendet. Im 16. Jahrhundert lösten schottische Mönche die Iren von St. Jakob ab, und bis 1862 gehörte das Kloster zum schottischen Zweig der Benediktiner. Die Schottenkirche ist vor allem berühmt wegen ihres Portals mit seinem rätselhaften plastischen Schmuck. Hinter dem Portal im Inneren ist die liegende Figur des Mönches Rydan als Türschließer dargestellt. Der Mönchschor besitzt noch die alten steinernen Chorgestühlschranken und den originalen Bodenbelag des 12. Jahrhunderts. Die Gestaltung der vielen Säulchen hat Parallelen in der englischen Architektur. Verschiedene Ausstattungsstücke haben sich erhalten: die romanische Kreuzigungsgruppe, eine Madonna und die Heiligen Jakobus, Paulus und Christophorus aus dem 14. Jahrhundert.

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