Tage Alter Musik – Programmheft 2012

A nima Eterna Brugge und Jos van Immerseel, diese beiden Namen sind untrennbar miteinander verbunden. Mit dem Symphonieorche- ster Anima Eterna Brugge geht der Dirigent Jos van Immerseel immer wieder aufs Neue auf die Suche nach den Ursprüngen einer jeden Kom- position. Die Zusammenarbeit zwischen dem Dirigenten und seinem Or- chester ist geprägt von der gemeinsamen Leidenschaft für die epochenge- treue Rekonstruktion des musikalischen Erbes. Mozart verlangte von den Musikern, die seine Stücke aufführten, „dass je- dermann glaubt, dass der Musiker der Komponist selber ist“ . An diesem Postu- lat orientiert sich auch Anima Eterna Brugge , was den Konzerten des Or- chesters Farbe und Reichtum verleiht. Anima Eterna Brugge vereint For- schung und Praxis zu einer überzeugenden Synthese, indem es die origi- nalen Partituren einer kritischen Untersuchung unterzieht, auf Epochen- instrumenten spielt und so die ursprüngliche Orchestrierung rekonstru- iert. Dies hat zur Wiederentdeckung eines Klangidioms geführt, das mit dem üblichen modernen Orchesterklang in keiner Weise übereinstimmt. In den vergangenen Jahren ist es Anima Eterna Brugge gelungen, einen ausgezeichneten Ruf zu erlangen. Er ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Orchester häufig und erfolgreich die ausgetretenen Pfade des späten 18. und des gesamten 19. Jahrhunderts verließ, wobei die neuen Erkenntnisse als Leitfaden dienten. So wurden die Aufführungen und Einspielungen der symphonischen Werke von Mozart, Beethoven und Schubert, Brahms und Johann Strauß, Tschaikowsky und Rimski-Korsa- kov, Liszt und Ravel von der internationalen Musikkritik begeistert gefei- ert. Das Regensburger Tage-Alter-Musik-Publikum konnte in den vergan- genen 12 Jahren die rasante Entwicklung von Anima Eterna Brugge haut- nah miterleben. Nach 2000 (Mozart: Klavierkonzerte), 2001 (Brahms, Strauß) , 2004 (Rimski-Korsakov, Borodin), 2006 (Liszt, Grieg, Tschaikowski), 2008 (Ber- lioz, Liszt) 2010 (Mozart: die drei letzten Symphonien) gastiert dieses Aus- nahmeorchester zum siebten Mal bei den Tagen Alter Musik. Seit 2003 residiert Anima Eterna Brugge mit Jos van Immerseel als „Or- chestra in residence“ im neuen Concertgebouw in Brügge. Bis heute hat das Orchester ca. 45 CDs eingespielt, darunter Gesamteinspielungen von Mozarts Klavierkonzerten, der Symphonien Schuberts und Beethovens sowie Berlioz’ Symphonie fantastique (Echo Klassik). Die erste Poulenc- CD des Orchesters wurde im Juni 2011 veröffentlicht: das Konzert für zwei Klaviere und Orchester mit den Solisten Claire Chevallier und Jos van Immerseel, die „Suite Francaise“ und das „Concert Champêtre“ mit Katerina Chroboková am Cembalo. „Immer mehr Menschen verstehen, dass man einem Komponisten keinen größe- ren Respekt zollen kann, als indem man seine Musik ernst nimmt, und zwar durch eine Ausführung, in der Pflicht und Freiheit Hand in Hand gehen. Unter Pflicht verstehe ich: korrekte Ausführung des Notentextes, Gebrauch des vorge- schriebenen Instrumentariums, Anwendung historischer Gegebenheiten, als da wären Stimmtonhöhe, Spieltechnik, Gleichgewicht innerhalb des Orchesters sowie das vom Komponisten geforderte Tempo. Aber es gibt auch Freiheit; das Recht nämlich, hier und jetzt zu leben, mit dem uns eigenen Wissen und Gefühl, und mit der Möglichkeit, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel wohldosiert einzusetzen.” (Jos van Immerseel) Pianist, Dirigent, Forscher, Sammler, Pädagoge – für Jos van Immerseel be- deutet die Arbeit das Leben und dieses Leben gehört der Musik. Seine viel gerühmten historischen Aufführungen beruhen auf einem ständigen Dia- log zwischen der Musikwissenschaft und der Praxis. Jos van Immerseel ist ein leidenschaftlicher Sammler und Forscher. Im Laufe der Jahre trug er eine eindrucksvolle, für die Klaviermusik von 1700 bis Anfang des 20. Jahrhunderts repräsentative Sammlung historischer Cembali und Kon- zertflügel zusammen. Anhand dieser Instrumente untersucht er systema- tisch die historische Beziehung zwischen der Komposition, dem Instru- ment und der erforderlichen Spieltechnik. Er verzaubert sein Publikum von Tokio bis New York mit der jeweils zeitgenössischen Klangfarbe der klassischen, der romantischen und der impressionistischen Instrumente, die er immer wieder in einen historisch fundierten und um Zeitgenössi- sches bereicherten Kontext stellt. Als Solist genießt Jos van Immerseel sowohl durch seine Konzerte als auch durch seine Aufnahmen internationale Anerkennung. Seine Solo- Aufnahmen wurden durch eine Reihe renommierter Preise gewürdigt, darunter der Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Diapason d‘Or, Editor’s Choice (The Gramophone), Diapason d’Or de l’Année, Le Choc du Monde de la Musique und FFFF de Télérama . Als Dirigent von Anima Eterna Brugge, das er 1987 gründete, vertiefte er alle Erkenntnisse, die er während seiner bisherigen Laufbahn gewonnen hatte. 2008 erschien die große Beethoven-Edition. Anima Eterna Brugge wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und gastiert auf allen wich- tigen Konzertpodien der Welt. Auch als Musikpädagoge ist Jos van Immerseel eine international aner- kannte Kapazität. Er war längere Zeit Professor am Conservatoire Natio- nal Supérieur von Paris und Gastdozent an der Schola Cantorum Basili- ensis. Von 1982 bis 1985 war er zusammen mit Ton de Leeuw künstleri- scher Leiter des Sweelinck-Conservatorium Amsterdam. Konservatorien und Musikhochschulen in Europa, den USA und Japan laden Jos van Im- merseel regelmäßig ein, um Meisterklassen oder Seminare zu leiten. Als Solist, Begleiter und Dirigent wirkte Jos van Immerseel inzwischen in mehr als hundert Aufnahmen unter anderem der Labels Accent, Channel Classics und Sony mit. Seit 2002 leitet er die Aufnahmen zur „Collection Anima Eterna“ des Pariser Labels Zig-Zag Territoires. Sämtliche Aufnah- men erfolgen ausschließlich mit historischen Instrumenten. T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2012 Jos van Immerseel Foto: Herman Sorgeloos 19

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