Tage Alter Musik – Programmheft 2012

1986 Dozent an der Akademie für Alte Musik Bremen und hat seit 1994 eine Professur an der Hochschule für Künste in Bremen inne. Er war auch Gastprofessor an der Sibelius-Akademie in Helsinki (1997-98) und gibt re- gelmäßig Meisterkurse (Koninklijk Conservatorium Den Haag, Sommer- akademie in Neuburg an der Donau, Mozarteum Salzburg). Auch ist er viel gefragt als Juror (etwa beim Bach-Wettbewerb in Leipzig und Men- delssohn-Wettbewerb in Berlin). Zum Programm: Erstaunlich genug, dass sich Mozart zweimal während seines kurzen Le- bens musikalisch mit dem Tod auseinandergesetzt hat (der ebenfalls früh verstorbene Mendelssohn tat dies beispielsweise nicht). Schon als Elfjähri- ger (!) schrieb er 1767 eine Grabmusik (KV 42) für zwei Solisten, Chor und Orchester. Und als sein letztes, unvollendet ge- bliebenes Werk kompo- nierte Mozart das berühmte Requiem. Ver- mutlich für eine Andacht vor dem „Heiligen Grab“ einer Salzburger Kirche fasste Mozart den Ent- schluss, eine Grabmusik zu schreiben. Das „Heili- ge Grab“ ist eine plasti- sche oder reliefartige Dar- stellung des Felsengrabes, zuweilen auch der Grablegung Christi, die sich in katholischen Kirchen zumeist in einer Seitenkapelle befindet. Offenbar hervorgegangen aus den mittelalterlichen Mysterienspielen, pflegte man vor allem in der Barockzeit am Karfreitag ein mit großem musikalischem Aufwand dargebotenes Szenarium vor dem „Heiligen Grab“ aufzu- führen. Der deutsche Text dieser Passionskantate, der aus dem Salzburger Freundeskreis der Familie Mozart stammt, stellt in einem geistlichen Dia- log der von Jesu Sterben erschütterten gläubigen Seele einen Trost und Stärkung spendenden Engel gegenüber, der Jesu Passion als Erlösungs- wirken deutet. Das Werk gehört noch ganz barocken Passionstraditionen an. Leopold Mozart beschreibt sie als „Eine Cantate zum heiligen Grab von 2 singenden Personen, mit 2 Arien, Recitativen und Duetto“. Mozarts Komposi- tion, 1772 oder erst 1775 um ein weiteres Rezitativ und den Schlusschor „Jesu, wahrer Gottessohn“ erweitert, orientiert sich zwar formal am Ora- torientypus des „sepolcro“ und an der Neapolitanischen Operntradition, sie erreicht aber in der Deutung des Karfreitagsgeschehens - jenseits des konventionellen Textes - eine ganz persönliche musikalische Ausdrucks- tiefe, die als Werk eines Elfjährigen einfach nur Staunen hervorruft. Über das Requiem (KV 626) , Mozarts berühmtestes geistliches Werk, ist in den letzten zweihundert Jahren sehr viel geschrieben worden. Eine Aura des Geheimnisvollen umgibt es aufgrund der Umstände seiner Entste- hung und der Tatsache, dass es unvollendet blieb. Mittlerweile ist be- kannt, dass Mozart im Laufe des Sommers 1791 den Auftrag zu seinem Requiem von Graf Walsegg-Stuppach (1763-1827) erhielt, einem Freimau- rer wie er. Der Graf - ein leidenschaftlicher Musikliebhaber - veranstaltete gewöhnlich Privatkonzerte in seinem Schloss und wollte das Werk in Er- innerung an seine Frau aufführen lassen, die am 14. Februar 1791 imAlter von 20 Jahren gestorben war. Walsegg-Stuppach hatte schon viele Werke bei anderen Komponisten in Auftrag gegeben (z. B. Flötenquartette bei Franz Anton Hoffmeister), und wenn er sie seinen Gästen vorspielen ließ, fragte er sie im Allgemeinen nach dem Autor. Zweifellos wollte er ebenso mit dem Requiem verfahren, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass er - wie behauptet wurde - das Werk als sein eigenes hat ausgeben wollen. Jedenfalls schrieb er es eigenhändig ab und dirigierte es selbst in Wiener-Neustadt am 14. Dezember 1793. Vorher fand am 2. Januar dessel- ben Jahres in Wien eine Aufführung von Baron van Swieten zugunsten von Constanze Mozart statt. Laut Quellenangaben schrieb Mozart das Requiem erst nach seiner Rück- kehr aus Prag (wo er „La Clemenza di Tito“ hatte aufführen lassen) Mitte September 1791. Am 30. des Monats fand die Premiere der Zauberflöte statt, und in diese Zeit fällt auch die Entstehung des Klarinettenkonzerts. Mozart starb am 5. Dezember und hinterließ das Requiem unvollendet. Um es zu Ende zu bringen, wandte sich Constanze zunächst an den Komponisten Joseph Eybler (1765- 1846). Dann, als dieser ablehnte, an einen anderen Schüler Mozarts, Franz Xaver Süßmayr (1766-1803), der die Fassung schrieb, die gegenwärtig am häufig- sten gespielt wird und auch im heutigen Konzert er- klingt (Süßmayr „beendete“ ebenfalls das Konzert für Horn in D-Dur, KV 412, auch ein Werk von 1791). Süßmayr behauptete, das Sanctus, das Benedictus und das Agnus Dei des Requiems „vorbereitet“ zu haben, die in Mozarts Autograph fehlen, aber zwei- fellos war sein Beitrag zu diesen Abschnitten weni- ger bedeutend, als man damals glaubte. Das Auto- graph beweist, dass Mozart vollständig den Intro- itus und im Wesentlichen das Kyrie schrieb (seine Instrumentierung wurde von Süßmayr vervollstän- digt) und dass er für die sechs Teile der Sequenz (ab- gesehen davon, dass das Lacrimosa nach 8 Takten abbricht) und die zwei des Offertoriums alle Sing- stimmen sowie den Basso continuo notierte und wichtige Angaben zur Instrumentierung machte. Beim Komponieren seines Requiems hatte Mozart verschiedene Beispiele seiner österreichischen Kol- legen vor Augen, das wichtigste davon war sicher das in c-Moll, das im Dezember 1771 (also zwanzig Jahre zuvor) von Michael Haydn für das Begräbnis von Sigismund von Schrattenbach, dem Fürstbi- T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2012 22 Wolfgang Amadeus Mozart Der Beginn des Dies irae im Autograph mit Eyblers Instrumentation. Rechts oben Nissens Anmerkung: „Alles, was nicht mit einer Bleyfeder eingezäunt ist, ist Mozarts Handschrift bis auf pagina 32.“ „Eingezäunt“ sind, wie auf der Abbildung sichtbar, die Bläserstimmmen (Zeile 4-7) sowie ab Takt 5 die zweiten Violinen und Bratschen (Zeilen 2 und 3). Die Stimme der ersten Violinen (Zeile 1), die Chorstimmen (Zeilen 8-11) und der bezifferte Bass (letzte Zeile) sind ganz von Mozart.

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