Tage Alter Musik – Programmheft 2012

sitionen, darunter Konzerte, Or- chestersuiten und Solowerke. Im Jahre 1720 verfasste Bach in Köthen einen sechsteiligen Zy- klus von Werken für Violine solo, bestehend aus drei Sonaten, die nach dem Muster der italieni- schen Kirchensonate aufgebaut sind, sowie drei Suiten, welche er in seiner Originalhandschrift je- weils als „Partia“ bezeichnete. Mit der Komposition dieser gewalti- gen Sammlung für unbegleitete Violine griff Bach eine Virtuosen- tradition auf, die etliche italieni- sche und deutsche Geiger seit dem späten 17. Jahrhundert eta- bliert hatten: Als Krönung ihrer eigenen kompositorischen und interpretatorischen Fähigkeiten schufen u. a. Carlo Ambrogio Lonati, Francesco Geminiani, Heinrich Ignaz Franz von Biber und Johann Paul von Westhoff Werke für Violine solo. Insbe- sondere die sechs 1696 in Dresden veröffentlichten Solosuiten von Johann Paul von Westhoff (1656–1705) dürften Bach gut bekannt gewesen sein, da dieser komponierende Geiger seine letzten Lebensjahre amWeimarer Hof verbracht hat, wo 1702/03 auch der junge Bach wirkte. Wie die Vorgängerkompositionen in dieser Besetzung sind auch Bachs Kompositionen für Violine solo von dem ehrgeizigen Bestreben durchzo- gen, auf einem Melodieinstrument mit begrenzten Möglichkeiten zu ak- kordischem Spiel den gewohnten harmonischen und kontrapunktischen Reichtum seiner Musiksprache zu präsentieren. Um dieses Ziel zu errei- chen, wurden die technisch-virtuosen Möglichkeiten des Violinspiels von Bach bis an die Grenzen ausgereizt und die Geige gewissermaßen als mehrstimmig spielendes Instrument aufgefasst. Betrachtet man die Satz- folge der drei Partiten in der Sammlung, so ist eine enorme Vielfalt der Formen und Spieltechniken zu erkennen. Die h-Moll-Partita (BWV 1002) weist die stilisierten Tanzsätze Allemande, Courante, Sarabande und Bourrée auf, die durch Virtuosität sowie kunst- volles mehrstimmiges Spiel beeindrucken. Zu jedem dieser vier Sätze er- gänzt Bach allerdings noch einen „Double“, also einen streng einstimmig gehaltenen Satz, der den Charakter des zuvor gehörten Tanzes gleichsam variierend fortspinnt. In der Partita d-Moll (BWV 1004) erklingt zunächst die Folge der vier Sui- tensätze Allemande, Courante, Sarabande und Gigue, die Violine spielt dabei weitgehend einstimmig. Dieser scheinbar traditionelle Werkaufbau wird jedoch durch den Schlusssatz gänzlich aus dem Gleichgewicht ge- bracht: An die Gigue schließt Bach eine gewaltige Chaconne an, deren Umfang und innerer Gehalt das bisher Erklungene noch weit übertreffen. Ein absteigender Quartgang in der Tonfolge d-c-b-a bildet die Grundlage für ein viertaktiges harmonisches Modell, das in dem umfangreichen Stück einer Vielzahl von Variationen unterzogen wird. Bach spart dabei nicht an spielerischen Raffinessen, wie etwa Doppelgriffen, gebrochenen Akkorden und virtuosen Läufen. Es bleibt die Frage, für wen Johann Sebastian Bach diese enorm vielfälti- gen und anspruchsvollen Kompositionen schuf. Unter den Köthener Mu- sikern kommen dafür vor allem zwei Personen infrage, mit denen Bach freundschaftlich verbunden war: Joseph Spieß, der offiziell den Titel „Pre- mier Cammer Musicus“ trug und in dieser Funktion Bachs direkter Stell- vertreter war, sowie Christian Ferdinand Abel, ein überragender Geiger und Gambist. Oder hat Bach, der die Violine hervorragend beherrschte, die Solissimo-Werke doch für sich selbst geschrieben? T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2012 27 P ROGRAMM J OHANN S EBASTIAN B ACH (1685-1750): Partita I h-Moll, BWV 1002 Allemanda Double Corrente Double.Presto Sarabanda Double Tempo di Borea Double Partita II d-Moll, BWV 1004 Allemanda Corrente Sarabanda Giga Ciaccona Spitalkirche St. Katharina Die Spitalkirche entstand 1287 als Grable- ge des Patriziers und Schultheißen Hein- rich Zant und ist ein Werk der frühen Dombauhütte. Mehrfache An- und Um- bauten gaben der Spitalkirche ihr heutiges Aussehen mit sechseckigem Zentralbau, Chor, Langhaus, achteckiger Josephs- bzw. Andreaskapelle und Sakristei. Ursprünglich betrat man den Zentralbau durch das heute vermauer- te Schulterportal an der Südostseite. Der Zentralbau darf als archi- tektonisches Zitat der Allerheiligenkapelle im Domkreuzgang gelten. Die Innenausstattung der Spitalkirche wurde 1860 dem Zeitge- schmack der Neugotik angepasst. In ihrer ursprünglichen Form blie- ben die Kapitelle und Fensterformen (!) des Zentralbaus erhalten. Die spätgotischen Flügelaltäre, der Katharinen- und Andreasaltar, stan- den ursprünglich in der Kirche von Martinsberg, einer abgegangenen Siedlung am Rande des Truppenübungsplatzes Hohenfels. Das äußerst qualitätvolle Hochgrab des Ulrich Zant († 1250) stand ur- sprünglich in der Katharinenkirche an der Brücke und ist heute in die Westwand des Langhauses eingelassen. Die Pfarrei des Katharinenspitals wird erstmals im Jahre 1238 in einer Bulle von Papst Gregor IX. erwähnt. Seit 1990 wird die Pfarrei „ex- currendo“ vom Pfarrer von Regensburg-Stadtamhof versehen. Das Präsentationsrecht übte bis zur Säkularisation das Domkapitel aus, wonach es auf den Landesherrn überging. Seit 1918/1928 hat der Spi- talrat bzw. dessen geistliche Mitglieder, die schon vorher ein Nomi- nationsrecht hatten, das Besetzungsrecht. Katharina von Alexandrien war der Legende nach die Tochter des Königs von Zypern und starb im Jahre 307 unter Maxentius den Mär- tyrertod. Als hochgebildete und außergewöhnlich schöne Königs- tochter verweigerte sie tapfer das vom Kaiser verlangte Götzenopfer. Spielend entschied sie nicht nur das vom Kaiser verlangte Rededuell mit fünfzig heidnischen Philosophen für sich, sondern bekehrte sie auch noch alle zum Christentum. Der Kaiser übergab jene dem Schei- terhaufen, Katharina dagegen wurde in den Kerker geworfen, gefol- tert und auf ein Rad gebunden. Als dieses zersprang, wurde sie mit dem Schwert hingerichtet. Schon früh setzte im Orient und dann auch im Abendland ihr Kult ein. Zentrum waren die Benediktiner- klöster Monte Cassino und St. Gallen. Ihre Verehrung verbreiteten vor allem die Kreuzritter. Johann Sebastian Bach

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