Tage Alter Musik – Programmheft 2012

D as Amphion Bläseroktett wurde 1998 in Basel gegründet und erfreu- te sich schon bald darauf durch den Gewinn des ersten Preises beim renommierten „Van Wassenaer Concours“ in Den Haag der internationa- len Aufmerksamkeit der Alten-Musik-Welt. Dieser Anerkennung folgten Engagements zu Festivals und etablierten Konzertreihen in Österreich, der Schweiz, Spanien, Tschechien, den Niederlanden und Deutschland. Bei den Tagen Alter Musik gastierte das Ensemble erstmals 2006 im aus- verkauften Reichssaal mit großem Erfolg. Seit 2007 nimmt das Oktett für das belgische CD-Label Accent auf und erhält immer wieder glänzende Kritiken und Schallplattenpreise. Zum Programm: „Già la mensa è preparata, / Voisuonate, amicicari, / Giachèspendo i mieidanari, / Io mi vogliodivertir.“ – „Schon ist der Tisch gedeckt: Macht Musik, ihr lieben Leute. Wenn ich schon mein Geld ausgebe, will ich auch gut unterhalten werden...“ Die Szene, zu der Don Giovanni mit diesen Worten denAuftakt gibt, ist wohlbekannt: Der Titelheld aus Mozarts Oper sitzt kurz vor Eintritt der Katastrophe nichts ahnend bei seiner eigenen Henkersmahlzeit und lässt sich mit einem für Bläseroktett arrangierten Querschnitt beliebter Opernarien einschließlich des von Mozart selbst stammenden Erfolgsstücks „Non più andrai“ aus „Le nozze di Figaro“ unterhalten. So grotesk der Charakter der Szene sein mag, zeichnet Mo- zart sehr wohl auch ein realistisches Porträt höfischer Unterhaltung durch eine mit je zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten typisch be- setzte Harmoniemusik, wie sie seit der Gründung der Wiener „Kaiserli- chen Harmonie- und Tischmusik“. 1782 in Mode gekommen war. Während Ensembles dieser Art vorher nur selten ein hohes Niveau er- reicht hatten, setzte Kaiser Joseph II. anstelle einfacher, oftmals zugleich als Lakaien dienender Musiker angesehene Bläsersolisten ein, deren Kön- nen sich in einem sowohl technisch wie musikalisch deutlich anspruchs- volleren Repertoire niederschlug. Den größten Teil dieses Repertoires nahmen Opernbearbeitungen ein, die nicht nur wie in der Don Giovanni- Szene zu Tisch, sondern auch in après-diner-Konzerten gespielt wurden. Daneben entstanden für Harmoniemusik auch Originalkompositionen, die man als Serenade, Divertimento oder besonders häufig als Parthia (Partita) bezeichnete. Hatte es sich bei diesen anfänglich um Zusammen- stellungen kurzer Tanzsätze gehandelt, die besonders als Freiluftmusiken zur Unterhaltung von Jagdgesellschaften geschätzt wurden, so führte man gegen Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend auch kunstvollere Kompositionen auf. Als ein Beispiel für den letzteren Typus kann die Partita in B-Dur von Jo- seph Triebensee gelten. Triebensee wirkte seit 1794 als Kapellmeister der Fürstlich Liechtensteinschen Harmonie, neben der des Kaisers das bedeu- tendste Wiener Ensemble dieser Art. Bereits in ihrer äußeren Anlage grenzt sich Triebensees Partita von der vielgliedrigen, allein auf Unterhal- tung zielenden Freiluftpartita ab, indem sie sich auf vier Sätze in klassi- schen Formen beschränkt, wie sie etwa im Streichquartett begegnen. Be- sonders auffällig ist die Verwendung einer langsamen Einleitung, ein Merkmal, das Harmoniemusik nur äußerst selten aufweist – Mozarts „Gran Partita“ ist eines der wenigen Beispiele. Den umfangreichsten Teil des Repertoires für Harmoniemusik bildeten freilich nicht die Originalkompositionen, sondern Arrangements. Mit Vor- stellungen von «Urtext» oder «Werktreue», die der Zeit um 1800 zutiefst fremd waren, wurde Harmoniemusik von der Musikgeschichtsschrei- bung lange Zeit als minderwertige «Gebrauchsmusik»abgetan. Tatsäch- lich handelte es sich bei Harmoniemusiken jedoch um eine vitale Musik- praxis, die je nach Anlass und Kontext ausdifferenziert war: Das Reper- toire reichte von einfachen Potpourris beliebter Arien und Ballettmusiken als Wirtshausunterhaltung bis hin zu anspruchsvollen Arrangements ganzer Opern, die einer planvollen Dramaturgie folgen und ihren beson- deren Reiz aus einer raffinierten Instrumentation beziehen. Insbesondere in den Jahren nach 1800 wurden in recht umfangreichemMaße auch Sym- phonien und Kammermusik bearbeitet. So dürfte die anonyme Harmo- niemusikfassung von Beethovens 7. Sinfonie eher für einen konzertarti- gen Aufführungsrahmen bestimmt gewesen sein, und wenn es für den modernen Konzertbesucher auf den ersten Blick wie ein Sakrileg erschei- nen mag, einen einzelnen Satz aus einem geschlossenen Werk absoluter Tonkunst herauszulösen, wie es in diesem Programm geschieht, so kann sich dies auf eine seinerzeit vielfach geübte Praxis berufen. So ist etwa von Mozarts Programmen für seine Akademiekonzerte bekannt, dass die Sätze einer Sinfonie durchaus auf das gesamte Konzertprogramm verteilt oder durch Einlagearien unterbrochen werden konnten, und auch für die einzelne Darbietung des Allegretto aus der 7. Sinfonie findet sich ein hi- storisches Vorbild, wenn in einem Wiener Konzert des seinerzeit hoch- berühmten Flötenvirtuosen Louis Drouet «von dem Orchester der Con- certs Spirituels ... das wunderbare Andante [gemeint ist das Allegretto] aus Beethoven’s A-Symphonie vortrefflich gegeben» worden sei (Allge- meine Musikalische Zeitung vom Juni 1822). ImGegensatz zu Werken sin- fonischer oder kammermusikalischer Prägung dürften hingegen Bearbei- tungen Mozartscher Lieder von Andreas Göpfert – ein Schüler Mozarts und ein ausgesprochen geschickter Arrangeur – eher auf Unterhaltung ab- gezielt haben, beispielsweise für die Darbietung von Ständchen, wie sie im Wien dieser Zeit äußerst beliebt waren. Offenkundig war der Markt für Harmoniemusik-Arrangements riesig, freilich auch hart umkämpft. Während sich die meisten Arrangeure auf T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG Amphion Bläseroktett (Deutschland) M AI 2012 Montag, 28. Mai 2012, 11.00 Uhr (Matinee), Reichssaal , Rathausplatz 36 Amphion Bläseroktett Sinfonie en Harmonie – Eine Bläserserenade im kaiserlichen Wien des frühen 19. Jahrhunderts

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