Tage Alter Musik – Programmheft 2012

verbunden geblieben und singt neben seinem Gesangsstudium in profes- sionellen Chören und Ensembles wie dem „Eranos-Ensemble für Alte Musik“ und dem französischen Ensemble „Arsys Bourgogne“. Er studier- te zunächst bei Prof. Markus Schäfer Gesang an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover und wechselte dann am glei- chen Institut in die Gesangsklasse von Prof. Sabine Ritterbusch. 2010 er- reichte er beim Bundeswettbewerb Gesang in Berlin die Finalrunden. Seit 2011 gehört er der Pocket Opera Nürnberg an. Sein Repertoire reicht von den alten Meistern der Renaissance bis zur Moderne und umfasst sowohl Opern als auch Oratorien, Messen und ganz besonders das Lied. Bereits jetzt im Alter von 23 Jahren kann er eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland vorweisen. Den Grundstein für Christof Hartkopfs Sängerlaufbahn bildete seine Zeit bei den Regensburger Domspatzen, in der er schon als Knabensolist bei Fernseh- und Rundfunkproduktionen mitwirkte. Nach demAbitur absol- vierte er sein Gesangsstudium an der Universität der Künste Berlin bei Anke Eggers mit Liedunterricht bei Dietrich Fischer-Dieskau. Parallel dazu gehörte er zeitweise dem Ensemble Singer Pur an, als dessen Mitglied er auch mit dem Hilliard Ensemble konzertierte, im Anschluss erhielt er eine Festanstellung beim RIAS Kammerchor Berlin. Christof Hartkopf war Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes und belegte Meisterkurse bei Thomas Quasthoff, Bernd Weikl und René Jacobs (hier als Countertenor). Im Jahr 2004 wechselte der gebürtige Regensburger zum Chor des Bayerischen Rundfunks. Solistische Engagements führten ihn an das Hans-Otto-Theater Potsdam, an die Bayerische Staatsoper, zum Freiburger Barockorchester und zu den Berliner Philharmonikern. Christof Hartkopfs Repertoire umfasst eine große Bandbreite vom mittelalterlichen Organum, der Ensemblemusik der Renaissance über die klassische Oper und den Liedgesang bis hin zur zeitgenössischen Musik. Sein besonderes Interesse gilt der Musik J. S. Bachs. Zum Programm: Neun Takte gaben ihr den Namen Franz Schubert: Sinfonie h-Moll „Die Unvollendete“ D 759 Wann ist eine Sinfonie vollendet? Wenn sie vier Sätze hat? Oder gar fünf? Oder nur zwei?! Dass Franz Schubert vom Scherzo seiner h-Moll Sinfonie nur neun halbfertige Takte schrieb, zum Trio auch nicht viel mehr als Skizzen hinterließ, verlieh diesem Werk seinen Beinamen „Die Unvollen- dete“ und außerdem den unwiderstehlichen Charme eines Torsos. Aber stimmt das? Empfinden wir die Unvollendete wirklich als so unvollen- det? Umgekehrt gesagt: Im Grunde handelt es sich bei Schuberts Sinfonie h-moll D 759 um ein besonders ‚vollendetes’ Werk, denn seine beiden Sätze sind, jeder für sich, eine eigene, restlos vollendete Welt. Und bis heute ist nicht geklärt, ob nicht Schubert selbst diese zweisätzige Sinfonie-Lösung sogar als durchaus tragfähig und musikalisch komplett ansah. Immerhin schickte er die Partitur der beiden Sinfoniesätze 1823 dem Steiermärkischen Musikverein Graz zur Aufführung. Klar ist nur, dass Schubert mit seinen sinfonischen Werken eine Alternative zu Beetho- ven schaffen wollte, und das ist ihm gelungen. Beethoven als das damali- ge Maß aller Dinge in Sachen Sinfonik erfährt in Schuberts „Unvollende- ter“ ein Pendant, das nicht nur als Bindeglied zwischen Klassik und Ro- mantik gesehen, sondern auch als eines der populärsten Musikstücke des 19. Jahrhunderts gefeiert wird. Über die genaue Entstehungsgeschichte der Sinfonie lassen sich bis heute keine sicheren historischen Belege finden. Bekannt ist nur, dass Schubert sie im Herbst 1822 komponierte. Sechs Jahre blieben ihm noch bis zu sei- nem Tod, und doch vollendete er diese Sinfonie nicht. Da sie mit ihren zwei Sätzen auch nicht in den klassischen Kanon der Sinfonik passte, wundert es kaum, dass sie zu Schuberts Lebzeiten nie in einem Konzert erklang. Und dass diese Sinfonie tatsächlich so etwas wie ein unergrün- detes posthumes Erbstück ist, zeigt auch der Umstand, dass sie erst am 17.12.1865 im Wiener Musikverein uraufgeführt wurde - das war fast 40 Jahre nach Schuberts Tod. Franz Schubert: Messe Nr. 5 As-Dur (Missa solemnis) D. 678 Schuberts Messe in As-Dur (D 678) entstand zwischen 1819 und 1822, einer Zeit, in der sich der Komponist neben dem ihm vertrauten Lied zu- nehmend den repräsentativen Gattungen der Vokalmusik wie der Oper, dem Oratorium und der Kirchenmusik zuwandte und nach neuen, individuellen Ausdrucksformen suchte. Schubert hatte zuvor bereits vier Missae breves geschrieben, von denen zwei in Wien-Lichtenthal, der Pfarrgemeinde seiner Familie, mit Erfolg aufgeführt worden waren. Die Entstehung der Messe in As zog sich jedoch von den ersten Skizzen im No- vember 1819 über mehrere Jahre hin. Sie war Schuberts erste große Messe und sollte – möglicherweise im Wissen um Beethovens zeitgleiche Be- schäftigung mit einer eigenen Missa solemnis – höchsten Ansprüchen genügen: Er wolle sie dem Kaiser oder der Kaiserin widmen, schrieb Schubert nach Abschluss der ersten Fassung im Dezember 1822 an seinen Freund Josef von Spaun, weil er sie „für gelungen“ halte. Dennoch über- arbeitete er die Messe in den Jahren 1824-1825 (wohl im Hinblick auf eine Bewerbung für das Amt des Vizehofkapellmeisters) nochmals in eine letztgültige Fassung. Schuberts As-Dur-Messe schließt deutlich an die Missae solemnes Mo- zarts, Joseph und Michael Haydns und ihrer Zeitgenossen an. Wie seine bedeutenden Vorgänger verbindet Schubert in dieser mit großem Orche- ster besetzten Messe den kontrapunktisch gesetzten Kirchenstil mit der harmonischen und formalen Disposition eines zeitgemäßen sinfonischen Satzes. So erscheint das Kyrie zunächst als typischer Motettensatz, in dem zwei Themen – auf Gottvater („Kyrie“) und auf den Gottessohn („Chri- ste“) bezogen – nach den Regeln eines streng kontrapunktischen Satzes nacheinander vorgestellt und schließlich zusammengeführt werden. Die harmonische Anordnung beider Themen und die zweiteilige Form, bei der sich der zweite Teil als Wiederholung des ersten herausstellt, lehnen sich jedoch deutlich an die Sonatenform an, die für den sinfonisch-kon- zertanten Stil steht. Dass hieraus, anders als in der korrekten liturgischen Abfolge, eine (zumindest musikalische) Gleichstellung von Gottvater und Sohn resultiert, wird Schuberts nach eigenem Bekenntnis stark auf Chri- stus konzentrierter Glaubensvorstellung entgegengekommen sein. T AGE A LTER M USIK R EGENSBURG M AI 2012 6

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