Tage Alter Musik – Programmheft 2013

tions, Hesperion XXI und wirkte bei zahl- reichen CD-Produktionen dieser Ensem- bles mit. Er gründete und leitet neben dem Orchestra Barocca di Bologna auch andere Ensembles wie L’Astree und Can- tilena Antiqua. Neben seiner Dirigenten- tätigkeit unterrichtet er am Konservatori- um in Padua Barockoboe, Blockflöte und Kammermusik. Zum Programm: Charles Burney, der im August 1770 Galuppis singende Mädchen bei den Incurabili hörte, einem der vier konkurrierenden Ospedali oder musikali- schen Waisenhäuser Venedigs, bewunderte sowohl ihren hervorragenden Aufführungsstandard („indeed all were such as would have merited and received great applause in the first operas of Europe“ [„in der Tat waren alle dergestalt, dass sie in den ersten Opernhäusern Europas großen Applaus verdient und erhalten hätten“]) als auch die Qualität der Musik, die der alternde Maestro immer noch für sie zu schreiben imstande war: „it is generally al- lowed here that his last operas, and his last compositions for the church, abound with more spirit, taste, and fancy, than those of any other period of his life” [„es wird hier allgemein zugegeben, dass seine letzten Opern und seine letzten Kompositionen für die Kirche überfließen von mehr Geist, Geschmack und Fantasie als diejenigen irgendeiner anderen Periode seines Lebens“]. Hätte Burney Venedig und die Incurabili kurz vorher, am 24. Mai, be- sucht, hätte er der Uraufführung von „Jahel“ beiwohnen können, einem Galuppi-Oratorium, das vor kurzem in der Schweiz in der Zürcher Zen- tralbibliothek entdeckt wurde – wahrscheinlich ein „Remake“ der Parti- tur, die schon 1747 und 1748 am Ospedale dei Mendicanti aufgeführt wurde. Nach den Maßstäben des 18. Jahrhunderts waren 23 Jahre eine ziemlich lange Zeitspanne für die Veränderung des musikalischen Ge- schmacks. Das erklärt vielleicht, warum Galuppi im Jahre 1772 mit einem anderen Libretto und mit einer größeren Anzahl von Charakteren unter dem Titel „Debbora prophetissa“ auf dasselbe Thema zurückgriff. Die Kerngeschichte aber blieb dieselbe, basierend auf den Kapiteln 4–5 des Buches der Richter in der Fassung, die die lateinische Vulgata bietet. Trotz der Triumphe, die seine Opern in London, St. Petersburg und Wien feierten, erfreute sich Galuppi nirgends größerer Beliebtheit denn als Komponist lateinischer Oratorien über Bibelthemen für die Ospedali sei- ner Geburtsstadt Venedig. Es wird berichtet, dass seine „Tres pueri heb- raei in captivitate Babylonis“ — uraufgeführt 1744 bei den Mendicanti — es auf etwa hundert (bezahlte) Aufführungen brachten, eine Bravourleis- tung, die mit solchen moderner Musical-Theater vergleichbar ist. Leider ist die aus dem Jahre 1770 stammende Fassung von „Jahel“ alles, was uns in diesem Genre geblieben ist, weil zwei weitere in musikalischen Quellen überlieferte Oratorien, nämlich „Adamo caduto“ von 1747 und „Il sacrifi- cio di Jephtha“ von 1749, in italienischer Sprache geschrieben sind. AmAnfang des 18. Jahrhunderts wurde die Sprache der Oratorien bei den Incurabili ausschließlich das Lateinische, und so blieb das auch unter der musikalischen Leitung von Porpora, Jommelli, Cocchi, Ciampi und Bal- dassare Galuppi. Ein ähnlicher Trend lässt sich bei den übrigen drei Ospe- dali beobachten. Obwohl die Librettisten eine vereinfachte Variante des Lateinischen wählten und dabei den Metaphernbestand zeitgenössischer Kantaten und Opera-seria-Texte nachahmten, stellt sich die Frage, ob solch eine überraschende Verbindung von Latein und Belcanto - in einem sogar weit größeren Rahmen als dem katholischen Gottesdienst - nicht hauptsächlich aus dem traditionellen Status Venedigs als Zentrum von Opernaufführungen für ein internationales Publikum erklärbar wird. Zum inhalt und zur besetzung des oratoriums Baldassare Galuppi vertont die biblische Geschichte der mutigen Jüdin Jahel, der Frau des Keniters Heber, der in einer Schlacht Sisara, den Gene- ral der Asowschen Unterdrücker des Volkes Israel, besiegt. Nachdem Si- sara in dieser Schlacht seine Armee verloren hat, bittet er Jahel um Zu- flucht in ihrem Zelt. Diese nimmt ihn gern auf, denn sie erkennt darin die Möglichkeit, dem Volk Israel zum endgültigen Triumph über seine Unter- drücker zu verhelfen. Als der erschöpfte Sisara schläft, tötet sie ihn, indem sie ihm einen Zeltpflock durch die Schläfen treibt. Dann zeigt sie der Priesterin Debora den leblosen Körper und bittet um eine angemessene Belohnung. Im Jahre 1747 gestaltet Galuppi diese blutige Episode der Bibel als Orato- rium in lateinischer Sprache speziell für die Musikerinnen des Ospedale dei Mendicanti in Venedig, wo er Maestro de’ Concerti war. Die Vokal-Be- setzung besteht aus sechs Rollen. Die Stimmen sind natürlich alle weib- lich, Duette und Ensemblestücke sind rar. Das Orchester besteht aus Strei- chern mit Basso continuo; in einer einzigen Arie verwendet Galuppi zwei Mandolinen. Mit der üblichen Lebendigkeit und vokalen sowie instrumentalen Virtuo- sität erzählt Galuppi die Ereignisse dieser Passage aus der Bibel mit Tiefe und Eleganz, wodurch er es den heutigen Zuhörern ermöglicht, teilzu- nehmen am Erlebnis der hohen musikalischen Qualität des veneziani- schen achtzehnten Jahrhunderts. T age a lTer M usik r egensburg M ai 2013 31 P rograMM b alDassare g aluPPi : g eisTliCHes o raToriuM „J aHel “ (1770) Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgel- und Cembalobau, Walter Chinaglia, I-22072 Cermenate (CO), für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. a usFüHrenDe C aPPella a rTeMisia Jahel, Frau des Keniters Heber: Pamela lucciarini Sopran Debbora, Prophetin und Richterin Israels: silvia Vajente Sopran Barac, Heerführer der Israeliten: elena biscuola Alt Sisara, kanaanitischer Feldherr: Candace smith Alt Nabal, kanaanitischer Führer der Reiter-Armee: Patrizia Vaccari Sopran Heber, der Keniter, Mann Jahels: Floriana Fornelli Sopran o rCHesTra b aroCCa D i b ologna luca ronconi (Konzertmeister) , Paolo Cantamessa, stefano Chiarotti, laura scipioni, isotta grazzi, silvia Tarozzi,Maria ines Zanovello, biancaMuggleton Violine gianfranco russo Viola, Mandoline emanuele Marcante Viola Caroline boersma, Massimiliano Varusio Violoncello giovanni Calcaterra Kontrabass stefano rocco Theorbe stefano albarello Mandoline Miranda aureli Orgel Paolo Faldi

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