Tage Alter Musik – Programmheft 2013

T age a lTer M usik r egensburg M ai 2013 auch weniger oft als andere Werke!); wir denken mit unseren Lehrern und später mit unseren Schülern nach über die zahlreichen technischen Pro- bleme, die sie aufwerfen; und vielleicht fangen wir eines Tages an, wenn wir viele andere Stücke verschiedener Epochen und Stilrichtungen aufge- führt haben und einmal Bachs Musik dank all unserer früheren Erfahrun- gen unsere Ohren und Gehirne auf eine natürlichere und empfindlichere Weise erreicht, daran zu denken, sie aufzunehmen. Und dann, mit dieser höchst anregenden Aussicht vor uns, überkommen uns sofort neue Zwei- fel. Denn wenn gewisse, selbst komplizierte Werke des Violinrepertoires von selbst zu reifen scheinen und uns manchmal ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit geben, so muss ich doch sagen, dass für mich die Dinge bei Bachs Werken für Solovioline ganz anders liegen. Sie sind ein im Entste- hen befindliches Werk und werden das für mein ganzes Leben bleiben, ein Meisterstück, für das meine Interpretation, flüchtig (im Konzert) oder fi- xiert (auf der CD), nicht mehr ist als ein Ausdruck dessen, wie die Dinge gegenwärtig stehen, ein provisorischer Röntgenstrahl meines Verständ- nisses, meiner intellektuellen, sensorischen und technischen Fähigkeit, eine getreue Deutung des Werkes mit einem Geschmack für das Riskante in Einklang zu bringen – wofür, wie immer, gesorgt wird durch das Spiel ohne Kinn- und Schulterstütze und die Verwendung von Darmsaiten! Bachs Sonaten und Partiten sind schon immer von einer gewissen Aura des Mysteriösen umgeben. Neben einer ansehnlichen Anzahl von Ko- pien aus dem 18. Jahrhundert – die sich in ein paar Kleinigkeiten vonei- nander unterscheiden – können wir jetzt Bachs wunderschönes, auf 1720 datiertes, Original zu Rate ziehen, das über 130 Jahre lang verschwunden war. Diese Handschrift trägt den Titel „Sei solo a violino senza basso ac- compagnato“. Meiner Ansicht nach ist das ‘Sei solo’ (das auch wörtlich mit ‘du bist allein’ übersetzt werden könnte!) eine Art Prinzipien-Erklä- rung: der/die Geigenspieler/in sieht sich allein mit seinem/ihrem kleinen viersaitigen Instrument einem Reper- toire gegenübergestellt, das mit seinen spektakulären vierstimmigen Fugen und seinen üppigen Harmonien für eine große Kirchenorgel konzipiert worden zu sein scheint. Nach J. F. Agricola spiel- te Bach diese Stücke oft auf dem Tasten- instrument und fügte die ‘notwendigen’ Harmonien hinzu! Beweise dafür liegen uns in Bachs Transkriptionen für Orgel (wie z.B. der nach d-Moll transponierten g-Moll-Fuge, wo die Episoden eine neue und wahrhaft außer- ordentliche Farbe annehmen) oder Cembalo vor (siehe das Adagio der C-Dur-Sonate mit einem rhythmischen Gegengewicht von unwi- derstehlicher Kraft, die ich mir bei weitem nicht vorstellen konnte, als ich nur die Fassung für Violine kannte!). Bachs Werke hatten häufig einen Erstaufführer, der uns bekannt ist: einen Virtuosen auf der Durchreise durch einen seiner Wohnorte; einen seiner Söhne oder Schüler mit einem zugrunde- liegenden pädagogischen Zweck; oder, am häu- figsten, den Komponisten selbst. Es ist C. Ph. E. Bach, der uns mitteilt, dass sein Vater auch im fortgeschrittenen Alter noch die Violine spielte, und zwar mit „feinem Ton und perfekter Into- nation“. Könnte er diese ausgezeichneten Stü- cke für den Eigengebrauch geschrieben haben? Aber die extremen technischen Anforderungen seiner Musik deuten nicht einfach auf einen ‘guten Geiger’ hin, sondern eher auf einen Vir- tuosen auf dem Instrument. Für den Fall wäre der Kandidat par excellence J. G. Pisendel, der bekannteste deutsche Geiger seiner Generation. In der Tat wissen wir, dass Pisendel eine handschriftliche Kopie dieser Werke besaß, und für einen Musiker wie ihn, der fasziniert war von He- rausforderungen, war diese Musik zweifellos eine ständige Quelle der Freude. Bach selbst muss sicherlich Pisendels Spiel zugehört haben, denn sie trafen sich in Weimar, und seine Fähigkeiten müssen auch Bach zu neuen gewagten Einfällen bei der Komposition seiner Sonaten und Parti- ten veranlasst haben. Ich glaube nicht, dass es voreilig ist zu behaupten, dass Pisendels Talent eine zentrale Rolle gespielt haben muss in dem Pro- zess, der dieses Werk hervorbrachte, das unser Verständnis übertrifft. © Amandine Beyer 35 Cover der Bach/Pisendel-CD von Amandine Beyer PP rograMM J oHann s ebasTian b aCH (1685-1750): Solopartita Nr. 3 E-Dur BWV 1006 Preludio Loure Gavotte en Rondeau Menuets I & II Bourrée Gigue J oHann g eorg P isenDel (1687–1755): Solosonate a-Moll Ohne Satzbezeichnung Allegro Giga Variatione J oHann s ebasTian b aCH : Solosonate Nr. 3 C-Dur BWV 1005 Adagio Fuga Largo Allegro assai bruderhauskirche st. ignatius Zwei Stiftungen der Regensburger Bürger Ste- phan Notangst von 1419 und Hans Kasten- mayer von 1437 führten zur Gründung des Bruderhauses, das insgesamt 24 alten und schwachen, aber angesehenen Regensburger Handwerkern Kost und Herberge bot. Mit demNeubau 1445 entstand auch die Kirche St. Ignaz. 1622/23 erfolgte ein grundlegender Umbau der Kirche, die in einen protestanti- schen Gemeindesaal verwandelt wurde. Das zugehörige Stiftsgebäude Obere Bach- gasse 22 wurde 1936 durch einen Neubau ersetzt (evangelisches Altenheim). Die westlich und nordwestlich anschließenden Baulichkeiten des Stifts mussten seit 1881 in mehreren Etappen dem Neubau des Evan- gelischen Krankenhauses weichen, zuletzt 1990/91 das ehemalige evangelische Wai- senhaus (Emmeramsplatz 10), das 1808/09 durch Emanuel Joseph d’Herigoyen neu ge- baut worden war. Die schlichte Giebelfassade der Bruder- hauskirche gliedern spitzbogige Maßwerk- fenster: links führt eine Treppe in den aufge- sockelten Kirchensaal. Die Ostseite ist ge- kennzeichnet durch den dreiseitigen Erker von 1445 und die schlichte Kanzel von 1622. Das Gestühl ist nach der evangelischen Ständeordnung aufgestellt. Die ölbilder stammen wohl aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts. Im Vorraum befindet sich ein Gemälde der Taufe Christi von 1710.

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