Tage Alter Musik – Programmheft 2013

T age a lTer M usik r egensburg M ai 2013 43 Zum Programm: Paris in der Zeit des Concert spirituel Die Entstehung der Symphonie ist eine der großen Neuerungen der Epo- che der klassischen Musik. Zum ersten Mal wurde die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Orchester selbst fokussiert, das so endlich aus sei- ner Rolle als Begleiter in Kirchenmusik und Oper heraustreten konnte. Die Entstehung der Symphonie ist auch eng verbunden mit einer Erweite- rung der Orchesterbesetzung, in beachtlichem Umfang insbesondere in den großen Zentren der Erneuerung, wie z. B. am Hof von Mannheim. In- nerhalb kürzester Zeit wird die Symphonie in ganz Europa rezipiert. Man spielt sie überall, in Italien wie in Deutschland, von Prag bis Stockholm oder St. Petersburg, ohne die großen Musikzentren der damaligen Zeit, Wien, Paris und London zu vergessen. Gerade Paris ist ein wahres Zen- trum für die Entwicklung der Symphonie, zweifellos am aufgeschlossens- ten für alle Neuerungen: aus ganz Europa kommt man hierher. Einige der Komponisten dieser Symphonien lassen sich auf Dauer in der französischen Hauptstadt nieder, unter anderem die Wallonen François- Joseph Gossec und André-Mo- deste Grétry. Ersterer lässt sich im Jahre 1751 in Paris nieder, nach- dem er seine mus i ka l i s che Ausbildung in Walcourt, Mau- beuge und An- vers genossen hat. Im Orches- ter des General- steuerpächters Ludwigs XVI., des großen Mä- zens Le Riche de La Poupli- nière, begegnet er Johann Sta- mitz, einem he- rausragenden Vertreter der Mannheimer Schule. Sicherlich ist das einer der Gründe dafür, dass Gossec später der große Spezialist der französi- schen Symphonie wurde, denn offensichtlich beginnt er kurz nach diesem Treffen mit Johann Stamitz mit der Niederschrift von etwa zwanzig Sym- phonien zwischen 1756 und 1765. Die drei Symphonien, die sein Opus 8 bilden, stammen exakt aus dem Jahre 1765. Die zweite, in F-Dur, umfasst nur drei Sätze (während die bei- den in Es-Dur, die sie umrahmen, jeweils vier Sätze umfassen): Ein Largo in f-Moll für Violine und Bratsche als Einleitung geht in den ersten Satz, ein Adagio , über. Darauf folgt ein Adagio poco andante für Streicher. Der Schlusssatz ist ein Moderato, das genaue Anweisungen enthält, eine Me- thode, die Gossec geradezu genüsslich anwendet: „Dieses Stück muss sehr gemäßigt gespielt werden, anders kann es nicht ausgeführt wer- den...“ Im Gegensatz zu Gossec, der als Orchesterkomponist brilliert, mit seinen Opernwerken aber scheitert, ist André-Modeste Grétry, seit dem Ende der 1760-er Jahre in Paris, von Anfang an ein gefeierter Komponist des Musik- theaters. Die reine Instrumentalmusik dieses Komponisten, der vor allem von Kö- nigin Marie-Antoinette geschätzt wurde, beschränkt sich auf nur wenige Stücke. Dazu zählt insbesondere die kleine Symphonie in D-Dur , in Um- fang und Formgebung eher italienisch als französisch, die auch als Instru- mentalwerk zeigt, dass sie das Werk eines Künstlers mit einer großen Zu- kunft ist, der eher die Ränge der Opéra-Comique erobern wird als die Konzertsäle. Im Jahre 1725 wurde in Paris eine der wichtigsten Gesellschaften für öf- fentliche Konzerte der französischen Hauptstadt gegründet, das Concert spirituel . Ursprünglich sollten nur an öffentlichen Feiertagen Konzerte an- geboten werden, da die Opern an diesen Tagen geschlossen waren. Bis zur Revolution und selbst darüber hinaus – das letzte Konzert fand am 13. Mai 1790 statt – erlebte diese Gesellschaft aber eine erstaunliche Entwick- lung: Aus den am Anfang vorgesehenen 13 Konzerten wurden sehr schnell im Durchschnitt 25 pro Saison. Zunächst gab es überwiegend Motetten für Solisten, Chor und Orchester, nach und nach entwickelte sich aber das Programm zugunsten der Instru- mentalmusik. Gerade dort hörte man zum ersten Mal in Paris die Sym- phonien der Mannheimer Schule oder die von Joseph Haydn, Konzerte der italienischen und deutschen Virtuosen, kurz alles, was das jeweils Neueste und Modernste war. Zu den jungen Künstlern, die sich hier auszeichneten, zählt auch der Komponist Johann Christoph Vogel, der in Nürnberg im selben Jahr gebo- ren wurde wie Mozart, aber noch viel jünger als sein berühmter Zeitge- nosse in Paris starb. Johann Christoph Vogel, dessen Klarinettenkonzert Eric Hoeprich im heutigen Konzert spielt, war bereits mit 17 Jahren Mit- glied der Thurn und Taxis’ schen Hofkapelle in Regensburg. Er kam im Alter von 20 Jahren nach Frankreich und machte schnell auf sich aufmerk- sam durch sein unbestreitbar frühreifes Talent, das ein tragisches Schick- sal aber nicht bis zur vollen Entfaltung kommen ließ. Ihm blieb gerade einmal die Zeit, einen Weg als Opernkomponist einzuschlagen - seine ly- rische Tragödie Das goldene Vlies wurde an der Académie royale gespielt – und einige Instrumentalwerke von hoher Qualität zu verfassen, zu denen auch dieses wunderschöne Konzert für Klarinette gehört, das auf den Pla- katen des Concert spirituel angekündigt wurde. Diese Konzerte trugen auch dazu bei, Haydns Ruf in Paris definitiv zu fes- tigen. Sein Name erschien auf den Programmen der Konzerte von 1773 bis zum allerletzten im Jahre 1790, dem 1280. in der Geschichte des Concert spirituel . Andere Gesellschaften in Paris bemühten sich ebenfalls um ihn, vor allem das Concert de la Loge olympique , das aus einer Freimaurerloge hervorge- gangen war, zu der hauptsächlich Musiker gehörten, und dessen Aktivitä- ten 1782 begannen. Der musikalische Leiter war der berühmte Violinist und Ritter des Heiligen Georg Joseph Boulogne. Dieser erteilt im Jahre André-Ernest-Modeste Grétry François-Joseph Gossec

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