Tage Alter Musik – Programmheft 2014

ten Madrigale und Motetten überliefert. Einer der frühesten und berühmtesten Musiker, die sich mit dieser Praxis beschäftigt und sie uns in exemplarischen Druckwerken vorgestellt haben, ist der aus Toledo stammende Diego Ortíz. Er wirkte Mitte des 16. Jahrhunderts als Hofkapellmeister im spanischen Vizekönigtum Neapel und veröffentlichte seinen Schule ma- chenden Tratado de glosas mit vielen Musikbei- spielen zur Improvisation 1553 in Rom. Gut ein- hundert Jahre nach Ortiz wurde der aus Neapel stammende Lautenist Andrea Falconieri, der zuvor schon in verschiedenen anderen Städten Italiens tätig gewesen war, in das Kapellmeister- amt seiner Geburtsstadt berufen. Zum Dank widmete er sein Libro Primo di Canzone von 1650 dem damaligen habsburgischen Vizekönig, Jo- hann von Österreich. Über die Verzierungspraxis der Sänger am Mai- länder Dom – beispielweise in den Motetten des römischen Meisters Giovanni Pierluigi da Pa- lestrina – geben die Regole, passaggi di musica, madrigali et motetti passegiati Auskunft, die der Franziskanermönch und Soprankastrat Giovan- ni Battista Bovicelli 1594 in Venedig in Druck gab. Mailand ist auch die Geburtsstadt von Francesco Rognoni Taeggio, unserem Kronzeu- gen für das Posaunenspiel »alla bastarda«: In seiner Selva de varii passaggi secondo l’uso moderno per cantare & sonare con ogni sorte de Stromenti von 1620 greift der Geiger auf ein populäres Chan- son des Münchner Hofkapellmeisters Orlando di Lasso zurück, und er bezeichnet diese seine Diminution über Susana d’Orlando ausdrücklich als „Modo di passegiar per il Violone Over Trombone alla Bastarda“. Widmungsträger der Selva ist übrigens der polnische König Sigis- mund III. Wasa. Dessen Sohn Karl Ferdinand, dem Bischof von Breslau, widmete der spani- sche Fagottist Bartolomé de Selma y Salaverde 1638 seine in Venedig gedruckten Canzoni fanta- sie e correnti da suonar. Das deutet darauf hin, dass sich Selma y Salaverde nach seiner Inns- brucker Anstellung beim Erzherzog Leopold von Habsburg nach Polen wandte – wo ja laut Praetorius auch Erhardus Borussus wirkte. Zur Zeit des Frühbarock wurde auch in Deutschland weltliche wie geistliche Musik ex- plizit für Posaune geschrieben oder konnte zu- mindest nach der Praxis »per sonar con ogni sorta de stromenti« mit Posaunen gespielt wer- den. Das deutsche Repertoire repräsentieren im heutigen Konzert Werke der »drei großen S« des 17. Jahrhunderts: ein ursprünglich für Vokal- und Generalbass konzipiertes geistliches Konzert des kursächsischen Hofkapellmeisters Heinrich Schütz in Dresden, einen Choralsatz und eine Folge von Tänzen seines Leipziger Freundes, des Thomaskantors Johann Hermann Schein, sowie ein instrumen- tales Lamento und eine für Orgel konzi- pierte Choralfantasie des Musikdirek- tors in Halle, Samuel Scheidt . Auf welcher Art von Posaune mag Er- hardus Borussus damals vor Praetorius gespielt haben? Die Posaunen-Familie wies seinerzeit wie die Familien der Blockflöten, der Gamben oder der Dul- ziane eine große Bandbreite an Baugrö- ßen auf, so dass alle Stimmen eines po- lyphonen Satzes besetzt werden konn- ten. Es gab Posaunen in A, in G, in F, in E und in D. Es wurden Stimmen für diese verschiedenen Instrumente ge- schrieben und in den passenden Schlüs- seln notiert. Das Instrumentenmuseum der Accademia filarmonica in Verona besitzt das wunderschöne Exemplar einer Po- saune, die 1579 von Anton Schnitzler in Nürn- berg gebaut wurde. Diese »Tenorposaune« hat die physische Länge eines Instrumentes in G (bei einem Stimmton von a = ca. 466 Hz); sie ist also um einen Ton tiefer als die »gemeine rechte Posaune« (wie Praetorius sie nennt), die in der Renaissance- und Barockzeit in A gestimmt war. Ein weiteres Exemplar einer G-Posaune, 1631 von Hanns Heinlein ebenfalls in Nürnberg ge- baut, befindet sich im Musikinstrumentenmu- seum in Leipzig. Wir sind der Überzeugung, dass ein großer Teil T AGe A LTer M usik r eGensburG J uni 2014 14 Michael Praetorius: Syntagma Musicum 1614- 1620, Posaunen, Zinken, Trompeten Erinnerung an die Anfangsjahre der Tage Alter Musik: Instrumentenausstellung im Dollingersaal

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=