Tage Alter Musik – Programmheft 2014

men, dass sich unter den Anonyma auch Werke großer Komponisten befin- den, die auf diese Weise unerkannt und unbekannt bleiben, während andere Werke derselben Komponisten denWeg auf die Konzertpodien derWelt fan- den und heute ein großes Publikum begeistern. Für das Jugendbarockorchester Bachs Erben ist der Jenaer Musikforscher Prof. Dr. Manfred Fechner im ehemaligen Repertoire der Dresdner Hofka- pelle (heute Teil der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universi- tätsbibliothek Dresden) fündig geworden und hat zwei Werke aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für die erstmalige Wiederaufführung nach mehr als 250 Jahren vorbereitet. ouverture F-Dur Ouverturen – oft auch Ouverturensuiten oder nur Suiten genannt – bestehen aus einem Einleitungssatz, der eigentlichen Ouverture , und mehreren Folge- sätzen, die in der Mehrzahl auf französische Tanzformen zurückgehen. Mit einem Fanfarenmotiv eröffnen die Streicher mit großer Geste das präch- tige Werk. Insgesamt orientiert sich die dreiteilige Ouverture am französi- schen Vorbild Lullys, das heißt, ein gravitätisch schreitender, festlicher Ab- schnitt umrahmt einen schnellen Mittelteil, bei dem die einzelnen Stimmen im Fugato, also kanonartig, nacheinander einsetzen. Es folgt ein Paysan ge- nannter Satz, der in seiner betont einfachen Melodiegestaltung auf den Ge- sang eines Landmannes (= deutsche Bedeutung von paysan) Bezug nimmt. Bourrée und Menuet sind französische Hoftänze, wobei nach Johann Matthe- son die „Eigenschafften der Boureen-Melodie … zufrieden, gefällig, unbe- kümmert, gelassen, nachläßig, gemächlich und doch artig“ sind, während ein Menuet „keinen andern Affect [hat], als eine mässige Lustigkeit.“ Mit einem Satz Plaisir (= Vergnügen, Freude, Spaß, Behagen) findet das Werk einen vergnüglichen Ausklang. Concerto a-Moll Mit diesem Violinkonzert haben wir ein geradezu „klassisches“ Doppelkon- zert italienischer Schule vor uns. Die italienischen Solokonzerte mit drei Sät- zen in der Abfolge schnell – langsam – schnell wurden Anfang des 18. Jahr- hundertsmit ihrer damals ausgesprochen neuartigen Behandlung der Soloin- strumente prägend für die gesamte Entwicklung des instrumentalen Solo- konzerts in Europa. Weitere Attribute dieser Konzerte sind eine eingängige Melodieführung, virtuose Figurationen in den Solopassagen und eine meist unbeschwerte, musikantische Grundstimmung, die auch bei Werken in einer Molltonart kaum je ins Dramatische oder Melancholische abgleitet. Der erste Satz besitzt eine ausgeprägte Ritornellform, also eine Struktur, in der sich mehrfach Orchester- und Solopassagen abwechseln, wobei die Or- chesterabschnitte den Charakter eines Refrains bekommen, während in den Soloabschnitten die Solisten Gelegenheit zu virtuoser Entfaltung erhalten. Im zweiten Satz stimmt die erste Solovioline eine wunderschöne Gesangslinie über einer einfach gehaltenen Orchesterbegleitung an; die zweite Solovioline integriert sich hier in das Ensemble. Der zupackende letzte Satz gibt den So- listen nochmals die Möglichkeit des virtuosen Wettstreites, wobei die erste Solovioline darüber hinaus eine umfangreiche, kadenzartige Solopassage zu meistern hat. Ist es vermessen, bei einem solchen Konzert an die berühmten Werke von Antonio Vivaldi zu denken, zumal die Musik Vivaldis in der Dresdner Hofkapelle zum gern und häufig gespielten Repertoire gehörte? brandenburgisches konzert nr. iV G-Dur In Köthen, wo Johann Sebastian Bach zwischen 1717 und 1723 als Hofkapell- meister angestellt war, komponierte er vor allemweltliche Musik – vielleicht auch wegen des „gnädigen und die Music so wohl liebenden als kennenden Fürsten“ (Bach rückblickend im Jahr 1730). In dieser Zeit entstanden u. a. die sechs Brandenburgischen Konzerte , die ihre Bezeichnung von ihrer Widmung an den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg erhielten, der Bach Anfang 1719 gehört und um Werke gebeten hatte. Bachs Vorbild waren die Konzerte Antonio Vivaldis mit ihrer schon erwähnten Satzfolge schnell – langsam – schnell. Allerdings verwendete Bach diese Form auf sehr eigen- ständige Weise. Die einzelnen Formteile sind bei Bach größer angelegt, die Harmonik ist komplexer und der Tonsatz polyphon. Beispielsweise ist der letzte Satz des IV. Konzertes eine fünfstimmige Fuge. Auch experimentiert Bach mit verschiedenen Besetzungen. Jedes Brandenburgische Konzert besitzt seine eigene Zusammenstellung von Soloinstrumenten; im IV. Konzert sind es Violine und zwei Blockflöten. „regensburger“ sinfonie A-Dur Christoph Willibald Ritter von Gluck ist heute vor allem als Reformator des zeitgenössischen Opernschaffens bekannt. Sein sinfonisches und sein kam- mermusikalisches Schaffen hingegen sind bisher nur wenig erschlossen. Auch die Regensburger Sinfonie wurde erst 2005 erstmals imDruck herausge- geben. Bei demWerk handelt es sich um eine spritzige frühklassische Sinfo- nie, für welche die im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts aktuelle Opern- Sinfonia Modell stand. Das Werk besteht aus drei Sätzen: einem geschwin- den, zupackendenAllegro, einem lyrisch-kantablenAndante mit schwärme- rischer Vorhaltsmelodik sowie einemnicht übermäßig eiligen, beschwingten weiteren Allegro. Warum die Sinfonie die Regensburger genannt wird, ist nicht ganz klar. Mög- licherweise hielt sich Gluck während einer seiner zahlreichen Reisen, die er insbesondere in den Jahren vor 1752 durch ganz Europa unternahm, auch in Regensburg auf. Jedenfalls wird das einzige bekannte Manuskript der Sinfo- nie heute in der Hofbibliothek Thurn und Taxis aufbewahrt, was durchaus ein Indiz dafür ist, dass die Sinfonie einst hier in Regensburg auch tatsäch- lich erklang. Für Bachs Erben ist diese Sinfonie eine willkommene Gelegenheit, Musik aus ihrer musikalischen Heimat Mitteldeutschland gemeinsam mit Musik ihrer Gastgeberstadt im Konzert zu präsentieren. © Bert Siegmund T AGe A LTer M usik r eGensburG J uni 2014 17 P roGrAMM A nonYMus ouverture F-Dur [erstaufführung] für zwei Hörner, Streicher und Basso continuo Ouverture – Paysan – Bourrée – Menuet – Plaisir A nonYMus Concerto a-Moll [erstaufführung] für zwei Soloviolinen, Streicher und Basso continuo Allegro – Largo – Allegro J oHAnn s ebAsTiAn b ACH brandenburgisches konzert nr. iV G-Dur, (1685–1750) bWV 1049 für Violino concertato, zwei Blockflöten, Streicher und Basso continuo Allegro – Andante – Presto C HrisToPH W iLLibALD G LuCk (1714–1787) „regensburger“ sinfonie A-Dur, Wq deest, Chen A 1 für zwei Hörner, zwei Oboen, Streicher und Basso continuo Allegro – Andante – Allegro un poco moderato Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. A usFüHrenDe b ACHs e rben solisten: Jonas Zschenderlein Violine Marie oesterlee Violine Lars bausch Horn Clemen Alpermann Horn Laura kießkalt Blockflöte Tabea seibert Blockflöte

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