Tage Alter Musik – Programmheft 2014

schriftet werden sollte. Diese Textsammlung über- gab Heinrichs Witwe nach dessen Tod an Schütz, der sie zur Grundlage des ersten Teils der Exequien, der Begräbnis-Messe, machte. In dieser Form erklangen die „Musikalischen Exe- quien“ erstmals bei der Trauerfeier für Heinrich Posthumus, die wegen seiner Verehrung für den Propheten Simeon aus dem Neuen Testament an dessen Begräbnistag, dem 4. Februar 1636, statt- fand. Nach der Predigt über den Text „Herr, wenn ich nur dich habe“ (Psalm 73, 25-26) schloss Schütz als zweiten Teil der Exequien die Vertonung eben- dieses Textes als doppelchörige Motette an. Diese zeigt unübersehbar die venezianischen Einflüsse seiner ersten Reise nach Italien. Schließlich der letzte Teil. Er ist ohne Zweifel der er- greifendste, der Lobgesang Simeons („Herr, nun läs- sest du deinen Diener in Friede fahren“). Von einem im Raum getrennt aufgestellten Doppelchor befin- det sich der tiefere, fünfstimmige Chor immer am gleichen Platz und der zweite, abseits stehende Chor in der Gruft, in der Nähe des Sarkophags. Der Bariton stellt die glückliche Seele dar und die zwei Soprane zwei Seraphim; der Prinz und seine Seele kommen den Engeln entgegen und mit demabseits stehenden Chor stimmen sie an: „Selig sind die Toten, die in dem Herren ster- ben“. Die „Musikalischen Exequien“ erschienen 1636 als Schütz’ Opus 7 in Dresden im Druck. Ihnen gegenübergestellt erklingen im zweiten Teil Vertonungen der gleichen Texte als Motet- ten von Mitgliedern der Bach-Familie: Johann Michael Bach, Johann Christoph Bach, Johann Ludwig Bach und Johann Sebastian Bach. Der Gehrener Kantor Johann Michael Bach d. Ä. (1648–1694), der jüngere Bruder Johann Christophs , wird in der Familien-Chronik als ein „habiler Componist“ bezeichnet. Der – einem zeitgenössischen Dokument zufolge – stille, zurückgezogene und kunstverständige Charakter J.M. Bachs zeigt sich auch in seinen Kompositionen. Erhalten sind etwa ein Dutzend Mo- tetten, daneben solistisch besetzte Strophenarien mit Instrumentalbeglei- tung und einige Kantaten und Orgelchoräle. Die Motetten von Johann Ludwig Bach (1677 - 1731) nehmen nicht nur inne- rhalb ihrer Gattung eine herausragende Stellung ein. Obwohl fest in der thü- ringischen Motettentradition verwurzelt, erreichen sie dennoch sonst kaum zu beobachtende Dimensionen. Das gilt besonders auch mit Blick auf die Mehrchörigkeit, die vom Meininger Hofkapellmeister von der besonderen Ausnahme zur Norm erhoben wird. Wechselnde Besetzungen und dialo- gische Abschnitte tragen zumAbwechslungsreichtum dieser ausdrucksstar- ken Kompositionen bei. Ohne Zweifel bilden die Motetten des Vetters von Johann Sebastian Bach eine wertvolle Bereicherung des Repertoires. Entgegen der vorherrschenden Meinung, Johann Sebastian Bach (1685-1750) habe Motetten nur in seiner Leipziger Zeit komponiert, ist die Motette „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, mein Jesu“ BWV 159a, die bislang seinem Eisenacher Onkel Johann Christoph zugeschrieben wurde, ein Werk der Weimarer Jahre. Die ersten 14 und letzten 8 Takte der im Nach- lass Carl Philipp Emanuels befindlichen Reinschrift zeigen Bach selbst als Schreiber, während für den Rest der zwischenApril 1712 und Oktober 1713 in Weimar sich aufhaltende Augsburger David Kräuter identifiziert wer- den konnte. Daneben gibt es auch stilistische Gründe für diese Datierung: schlichte Textbehandlung, traditionelle, sich auf Wiederholungen be- schränkende Doppelchörigkeit sowie das auffällige Insistieren auf dem Wort „Ich“ (Ich lasse dich nicht – ich), das ähnlich zu Beginn der Weimarer Kantate 21 „Ich hatte viel Bekümmernis“ wiederkehrt. Ferner führt die Er- findung verschiedener Themen für die Texte „Ich lasse dich nicht, du seg- nest mich denn“ in den Unterstimmen der Choralbearbeitung noch nicht zu dem für Bachs spätere Werke so typischen Raffinement kontrapunkti- scher Kombination. Auffällig dagegen ist die Verbindung eines alttesta- mentarischen Textes mit der Zentralfigur des Neuen Testamentes (mein Jesu) sowie die ungewöhnliche Harmonik im Schlusschoral. T AGe A LTer M usik r eGensburG J uni 2014 25 A usFüHrenDe V ox L uMinis kristen Witmer, Zsuzsi Tóth, Helen Cassano, kerlijne Van nevel Sopran barnabás Hegyi, Jan kullmann Altus olivier berten, robert buckland, Philippe Froeliger, satoshi Mizukoshi Tenor bertrand Delvaux, Lionel Meunier Bass Masato suzuki Orgel ricardo rodriguez Miranda Viola da gamba PP roGrAMM H einriCH s CHüTZ Musikalische Exequien SWV 279 - 281 (1585-1672) Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Martin Luther) - Choral 1. Konzert in Form einer deutschen Begräbnis- Missa, Kyrie-Gloria SWV 279 2. Motette: Herr, wenn ich nur dich habe SWV 280 3. Canticum B. Simeonis: Herr, nun lässest du deinen Diener in Friede fahren SWV 281 J oHAnn M iCHAeL b ACH Herr, wenn ich nur dich habe (SATTB) (1648 - 1694) J oHAnn M iCHAeL b ACH Unser Leben währet siebenzig Jahr (SATTB) J oHAnn C HrisToPH b ACH Herr, nun lässest du deinen Diener in (1642 - 1703) Friede fahren (SATB-SATB) J oHAnn L uDWiG b ACH Das Blut Jesu Christi (SATB - SATB) (1677 - 1731) J oHAnn s ebAsTiAn b ACH Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, (1685 - 1750) mein Jesu BWV 159a Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgel- und Cembalobau, Walter Chinaglia, I-22072 Cermenate (CO), für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. Sendetermin auf BR Klassik: 15. Juli, 20.03 Uhr schottenkirche Um 1090 erhielten irische Benediktiner ein Grundstück vor den Mauern der Stadt zum Bau ihres Klosters. Von der ersten Jakobskir- che, die 1120 geweiht wurde, sind die beiden Osttürme erhalten. St. Jakob wurde das Mut- terkloster aller Nierderlassungen irischer Mönche im deutschsprachigen Raum. 1216 war der Bau vollendet. Im 16. Jahrhundert lösten schottische Mönche die Iren von St. Jakob ab, und bis 1862 gehörte das Kloster zum schottischen Zweig der Benediktiner. Die Schottenkirche ist vor allem berühmt wegen ihres Portals mit seinem rätselhaf- ten plastischen Schmuck. Hinter dem Por- tal im Inneren ist die liegende Figur des Mönches Rydan als Türschließer darge- stellt. Der Mönchschor besitzt noch die alten steinernen Chorgestühlschranken und den originalen Bodenbelag des 12. Jahrhunderts. Die Gestaltung der vielen Säulchen hat Parallelen in der englischen Architektur. Verschiedene Ausstattungs- stücke haben sich erhalten: die romanische Kreuzigungsgruppe, eine Madonna und die Heiligen Jakobus, Paulus und Christo- phorus aus dem 14. Jahrhundert. Heinrich Schütz

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