Tage Alter Musik – Programmheft 2014

Infolge des Wechsels von den spanischen Habsburgern zu den Bourbonen und aufgrund des folgenden spanischen Erbfolgekriegs (1700-1713) began- nen sich die spanischen kulturellen Stile zu verschieben. Dies wurde deut- licher, als Philip V. (der Sohn Ludwigs XIV.) die Italienerin Isabella Farnese heiratete. Italienische Musiker wie z. B. Domenico Scarlatti und Farinelli (Carlo Broschi) wurden nach Madrid gebracht, während andere in die Ko- lonien gesandt wurden. Langsam begannen spanische und koloniale Mu- siker einen zusammengesetzten italienisch/spanischen Kompositionsstil anzunehmen, der eher Rezitative und Da-capo-Arien als die üblicheren (und charakteristisch spanischen) Coplas und Estribillos enthielt, wobei sie die ganze Zeit weiterhin die einzigartigen rhythmischen und harmoni- schen Traditionen Spaniens aufrechterhielten. (Anmerkung: Während es einen entschiedenen Wechsel zugunsten eines italienischen Stils in der Musik des königlichen Hofes und Theaters gab, wurde der mehr traditio- nelle spanische Stil das ganze 18. Jahrhundert hindurch weiterhin benutzt: in den öffentlichen Theatern durch das als T onadilla bekannte Genre und in der Kirche durch den fortgesetzten Gebrauch des Villancico. ) Alle anderen Städte der Neuen Welt überragte Lima, Peru, mit einer außer- ordentlichen Menge an musikalischer Aktivität als direkter Empfänger dieses hybriden italienisch/spanischen Kompositionsstils. Lima war der Ort, wo die erste Oper der Neuen Welt komponiert und aufgeführt wurde, und es war auch ein Ziel für einige von Europas talentierteren Musikern. Unter diesen war Roque Ceruti, ein Geiger aus Mailand (einer Stadt unter spanischer Herrschaft von 1535 bis 1706), der zum Palastkomponisten des 24. Vizekönigs, des Marquis de Castelldosríus, ernannt wurde und 1708 nach Peru auswanderte. Er diente schließlich als Maestro de capella an der Kathedrale in Lima. Nach seinem Tode wurde José de Orejón y Aparicio sein Nachfolger (1706-1765). Aparicio, ein begabter Organist, verbrachte sein ganzes Leben in Peru und war höchstwahrscheinlich ein Schüler von Tomás de Torrejón y Velasco, dem Komponisten der ersten Neue-Welt- Oper. Aparicio’s A del dia de la fiesta ist ein dreisätziges Werk, bestehend aus einer eröffnenden Da-capo - Arie, gefolgt von einem Rezitativ und ab- geschlossen mit einem tanzartigen Duo-Satz in einer Villancico-Form. Wie wir gesehen haben, wurden die spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika das 16. und 17. Jahrhundert hindurch Quellen hohen kultu- rellen Niveaus. Besonders das Vizekönigtum Mexiko (das auch das heuti- ge Guatemala umfasste) erlebte eine Blütezeit, und Kathedralen und Hof- leben verlangten eine vielseitige und aktive Musikszene. Oft wurden die indigenen Bevölkerungen in die Künste einbezogen und nahmen an ihrer Produktion teil. Das musikalische Ergebnis war ein Stil, der selbst in geist- lichen Kompositionen den Stempel von Volksmusik trägt. Rafael Antonio Castellanos (ca. 1725-1791), geboren in Guatemala, wurde 1765 zum Maestro de capilla der Kathedrale in Guatemala ernannt. Wie die meisten lateinamerikanischen Komponisten war er sehr versiert in der Po- lyphonie des 16. Jahrhunderts, verwendete aber in seinen geistlichen Kompositionen auch Tanzmusik, wobei er immer die wesentliche Form des Villancico beibehielt. Sein Ausente del alma ist ein ehrfürchtiges Stück von ruhiger Glückseligkeit, während im Gegensatz dazu Oygan una xaca- rilla ein brilliantes Beispiel für einen säkularen, niedrigen „Grobians- Tanz“ ist, der für geistliche Zwecke verwendet wurde. Für meine Ohren ist diese Vermischung geistlicher und säkularer Musik und die Rückbesin- nung auf volkstümliche Genres ein frühes und erfolgreicheres Beispiel für das, was das Zweite Vatikanische Konzil in den 1960er Jahren zu erreichen versuchte. © Richard Savino T AGe A LTer M usik r eGensburG J uni 2014 45 A usFüHrenDe e L M unDo Jennifer ellis kampani, nell snaidas Sopran Paul shipper Bass, Barockgitarre, Perkussion Adam LaMotte, Maureen Murchie Violine John Lutterman Violoncello Corey Jamason Cembalo richard savino Gitarre, Theorbe und Leitung P roGrAMM D oMeniCo s CArLATTi Symphonia para empezar (1685-1757) F rAnCesCo M AneLLi Acceso mio core (Ciacona) (1594 – 1667) D oMeniCo M AZZoCCHi Sdegno campion audace (1592 – 1665) Nell Snaidas, Sopran G eorG F rieDriCH H änDeL Cantata a voce sola con chitarra Espagnola Jennifer Ellis Kampani, Sopran Aria: No se emenderá jamás Recitado: Si del quereros es causa Aria: Dicenté mis ojos J uAn D e A rAñes Parten las galeras (17. Jh.) Paul Shipper, Bass s AnTiAGo De M urCiA /A nonYM Fandango (ca. 1685 – 1732) r AFAeL C AsTeLLAnos Ausente del alma mía (18. Jh.) A nTonio De s ALAZAr Tarara qui yo soy Anton (1650 - ca.1711) PAUSE A nonYM La Folia (17. Jh.) J ose M Arin Ojos pues me desdeñais (1619 – 1699) Nell Snaidas, Sopran A nDreA F ALConieri Ciaconna (1585 – 1656) J uAn H iDALGo Xacara de Clarin (1614 -1685) Paul Shipper, Bass J uAn H iDALGo Ay quesi Jennifer Ellis Kampani, Sopran r AFAeL C AsTeLLAnos Oygan una Xacarilla Nell Snaidas, Sopran J osé De o reJón Y A PAriCio A del dia de la fiesta (Peru) (1706 – 1765) Jennifer Ellis Kampani, Nell Snaidas, Sopran Aria: A del dia de la fiesta Recitative: Y pues oi en su solio asi se ofrece Aria: En la sed pues el empeño Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos.

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