Tage Alter Musik – Programmheft 2014

schen einer erstaunlichen Sinfonia und dem vierstimmigen Schlusschor stehen nur drei Nummern, davon eine einzige Arie, in der Bachs Hinwendung zur dramatischen Aus- druckskraft der Oper bereits deutlich wird. Hö- hepunkt und Zentrum der Kantate ist das große Tenor- und Bassrezitativ, das immer wieder von einer Litanei des Soprans unterbrochen wird. Ausdrucksstarke Figuralismen heben besonde- re Worte hervor: „Verfolgung“ ertönt z.B. über einem wahrhaft teuflischen Tritonus, es folgt eine wilde Basslinie, wenn das feierlich gesun- gene Gebet Mord und Gotteslästerung, Zorn und Gewalt der Feinde der Christen verurteilt. Die Kantate „ Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ BWV 106 geht auf das Jahr 1708 zurück. Sie trägt den Untertitel Actus tragicus und war für eine Trauerfeier bestimmt. Der Text besteht haupt- sächlich aus Elementen des Alten Testaments und einigen Choralversen. Es ist eine Meditati- on über den Tod Christi, gekreuzigt zwischen zwei Dieben, und parallel dazu über unseren ei- genen Tod als Menschen in einer Menschheit von Dieben. Die Instrumentierung ist mit zwei Blockflöten, zwei Gamben und Continuo auf ein Minimum beschränkt; sie wirkt archaisch und schafft eine intime und meditative Stimmung. Auf eine Sinfonia (Sonatina) folgt ein erster Teil, in dem Chor und Arien in einem delikaten Mo- saik von Symmetrien und Gegensätzen kombi- niert sind, bis zum Choral Ich hab’ mein’ Sach’ Gott heimgestellt . Der zweite Teil beginnt mit einer Arie von Alt und Bass, begleitet von zwei Gamben, und erzählt von Christi Leiden und Tod. Es folgt ein Arioso für Bass mit den Chris- tusworten: Heute wirst Du mit mir im Paradies sein , eine Art lange Psalmodie, die den Christen die Hoffnung zurückgibt. Das folgende Altsolo knüpft an das Arioso an, das Christi Tod voraus- ging, und in einem bedächtigen cantus firmus erklingt das Lied des Simeon Mit Fried’ und Freud’ . Der Schlusschor lobt erst den Herrn im Choral In dich hab’ ich gehoffet und in einem ju- belnden fugierten Amen überwindet der gläubi- ge Christ den Tod in der Vereinigung mit Chris- tus. Die Kantate „Leichtgesinnte Flattergeister“ BWV 181 schrieb Bach zum Sonntag Sexagesi- mae und führte sie am 13. Februar 1724 erstmals auf, wahrscheinlich zusammen mit einer Wie- deraufführung der Weimarer Kantate BWV 18. Die beiden Kantaten erklangen dann jeweils vor und nach der Predigt. Der Originaltextdruck von 1724 enthält neben BWV 181 auch BWV 144, doch weicht die textliche Struktur von BWV 181 insofern erheblich von derjenigen der benach- barten Kantate ab, als sie keinerlei Choralstro- phen enthält. Die Besetzung des Werkes (ohne Holzbläser; Trompete im Schlusschor) bleibt ursprünglich noch hinter derjenigen von BWV 144 zurück; Traversflöte und Oboe fügt Bach erst anlässlich einer Wiederaufführung 1743-46 hinzu. Das Ob- ligatinstrument (vermutlich eine Violine) der Tenor-Arie bedarf der Rekonstruktion, da die Original-Partitur des Werkes verloren ist. An- stelle eines Eingangschores enthält die Kantate einen Schlusschor, der offensichtlich auf eine unbekannte Komposition der Köthener Zeit zu- rückgeht. T AGe A LTer M usik r eGensburG J uni 2014 52 Erinnerung an die Tage Alter Musik 2009: Le Poème Harmonique in der St.-Oswald-Kirche Cover der CD “Bach: Kantaten für Epiphanie Vol. 5: 72, 81, 155, 156” von Bande Montréal Baroque Foto: Hanno Meier

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