Tage Alter Musik – Programmheft 2014

J uni 2014 7 heiten der Bach’schen Musik dem Pathos gro- ßer, klanglich eindrucksvoller, sonst jedoch un- differenzierter Flächen (und damit der Ästhetik des 19. Jahrhunderts) zum Opfer fielen. Tiefer, als wir zuzugeben bereit sind, sitzt diese Vor- stellung von Bachs Musik bis heute in den Köp- fen der Konzertbesucher. Joshua Rifkin, amerikanischer Musikologe und Dirigent, war es schließlich, der frischen Wind in die ruhigen Gefilde der Bach-Interpretation brachte, indem er am Beispiel der h-Moll-Messe seine Theorie von der solistischen Besetzung der vokal-instrumentalen Werke Bachs präsen- tierte (diese wurde dann von dem britischen Di- rigenten Andrew Parrott weiterentwickelt). Mit einem Schlag ging man die Problematik völlig anders an - man fragte sich etwa, wie groß die Besetzung gewesen war, für die Bach seine Werke wirklich geschrieben hat. Im Laufe jahr- zehntelanger aufgeregter Diskussionen konnten die Anhänger dieser Theorie ihre neue Vision von der Aufführungspraxis in Bachs Zeit vertei- digen, wodurch die Interpretation seiner vokal- instrumentalen Werke einen neuen, prinzipiell und nachhaltig wirkenden Impuls bekam. Oft hält man nun die Besetzung einzelner Chor- stimmen mit nur je einem Sänger für die einzig richtige, weil sie angeblich Bachs idealer Vor- stellung entspricht und historisch belegt ist. Man muss sich jedoch die Frage stellen: Ist es unser Ziel, das Werk in einer möglichst idealen Gestalt zu interpretieren, d. h. die Vorstellung seines Autors erfüllend und den Zeitkontext respektierend, oder wollen wir eine Art histori- sche Realität rekonstruieren, mit all ihren nega- tiven Aspekten, mit denen der Autor selbst stets zu kämpfen hatte? Wir wissen nämlich von Bachs andauernder Unzufriedenheit mit der zu kleinen Besetzung des ihm in Leipzig zur Ver- fügung stehenden Ensembles, die ihn gezwun- gen hat, seine Werke oft mit einer minimalen Zahl an Sängern und Instrumentalisten aufzu- führen. Aus der Feder des Meisters selbst stammt die Zuschrift aus dem Jahr 1730 an seine Vorgesetzten („Kurtzer, jedoch höchstnöthiger Ent- wurff einer wohlbestallten Kirchen Music“) , in der Bach seine Vorstellung von einem ideal besetz- ten Kirchenensemble formuliert. Er fordert, dass die Concertisten (Sänger, die sowohl Soli als auch Chorstimmen singen) durch jeweils mindestens zwei Ripienisten (die lediglich die Chorabschnitte singen) unterstützt werden. Be- merkenswert ist seine Anmerkung: „NB. Wie wohl es noch beßer, wenn der Coetus so beschaffen wäre, daß man zu jeder Stimme 4 Subjecta nehmen und also ieden Chor mit 16 Personen bestellen könn- te.” Für ein Orchester mit Trompeten und weite- ren Blasinstrumenten will er 20 bis 24 Musiker haben. Zeitzeugnisse belegen, dass diese Zahl der Instrumentalisten wohl auch im Rahmen einer einzigen Aufführung eingesetzt wurde: In Dreieinigkeitskirche Die Dreieinigkeitskirche an der Gesandten- straße ist ein stattlicher Bau des 17. Jahrhun- derts. Ungewöhnlich sind die barocken Prunk-Grabmäler an den umgebenden Hof- wänden. Die Namen der Verstorbenen sind eindeutig unregensburgerisch: von Kniestedt, von Treskow, Björnstjerna. Etwa 40 Grabsteine halten hier das Andenken an evangelische Exulanten und Reichstagsgesandte wach, die hier verstarben. Der Bau der Dreieinigkeitskir- che war notwendig geworden, weil in der Stadt nur wenige Bauten – vor allem die Neupfarrkirche – dem evangelischen Gottes- dienst zur Verfügung standen. So errichtete 1627-31 der Nürnberger Baumeister Hans Carl auf städtischem Grund einen einschiffigen, tonnengewölbten Raummit den üblichen Em- poren einer Predigtkirche. Von den beiden Osttürmen wurde nur der nördliche vollen- det. Die Formen der Architektur sind frühba- rock, jedoch noch mit Anklängen an die Gotik, vor allem im stuckierten Rippenwerk des In- neren. Die Dreieinigkeitskirche zählt zu den ersten bedeutenden evangelischen Kirchen- bauten in Bayern. Erinnerungen an die Frühzeit der Tage Alter Musik: Musica Antiqua Köln im Jahr 1984 in der Minoriten- kirche (oben) sowie die Regensburger Domspatzen und La Grande Ecurie et la Chambre du Roy unter der Leitung von Ton Koopman im Jahr 1986 in der Minoritenkirche (unten)

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