Tage Alter Musik – Programmheft 2015

Gebrauch als im restlichen Europa. Die Gagliarda Napolitana des blinden An- tonio Valente, Organist an Sant’Angelo a Nilo, ist ein Beispiel dieser alten Kunst. Die Katastrophen, die Neapel in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts heimsuchten - zwei Pestepidemien (1630 und 1656), der Ausbruch des Vesuv (1631) und der antispanische Aufstand des Masaniello (1647-48) - taten dem höfischen Glanz kaumAbbruch. Nach letzteremEreignis und dessen blutiger Niederschlagung bemühte sich Vizekönig Conte di Oñate um Versöhnung mit der neapolitanischen Bevölkerung. Die Finanzierung außerordentlicher Festlichkeiten unter dem Titel „Partenope liberata“ (1649 – 1650) sollten hel- fen ein positives spanisches Image wiederherzustellen. Sie brachten der Stadt eine musikalische Neuheit: die Einführung der Oper. Bei diesen Festlichkeiten waren natürlich die Musiker der Real Capella, der kö- niglichen Kapelle, involviert. Seit dem Jahre 1648 wurde sie von Andrea Falco- nieri, einem neapolitanischen Theorbenvirtuosen, der musikalische Erfahrun- gen imNorden Italiens gesammelt hatte, geleitet. Seine „BattallaBarabasoyerno de Satanas“ bezieht sichmöglicherweise auf denVolksaufstandunterMasaniel- lo. Barabbas ist mit Masaniello gleichzusetzen, seineAnhänger sind die „dichos diaboles“. Falconieri starb zusammenmit einemDrittel der Königlichen Kapel- le und einemDrittel der ganzen Stadt bei der schrecklichen Pest 1656. UmdieseZeitwarNeapelmusikalischganzinderdamaligenModerne,wiesiedie Operrepräsentiert,angekommen.InMelodramen„allaveneziana“etwavonCavalli oderMonteverdifügtenlokaleKomponistenoftkomischeFigurenhinzu.Siesangen in südlichen Dialekten, kalabresisch oder neapolitanisch. Auch in der Musik selbst waresweitverbreitet,populäreMelodien,GassenhauerundVolksliedereinzufügen und so demGeschmack des neapolitanischen Publikums zu entsprechen. Der aktivste dieser Arrangeure, Francesco Provenzale, wurde zum bedeutend- sten neapolitanischen Komponisten des 17. Jahrhunderts. Sein „Squarciato ap- pena havea“ ist eine ironischeKontrafaktur des berühmten „Lamentos della Re- gina di Svezia“, das einige Jahre zuvor Luigi Rossi geschrieben hatte. Es geht dabei um den Tod des Königs von Schweden in der Schlacht von 1632. In Pro- venzales Parodie scheint jede StrophedieGeschichte inder schmerzlichenKlage der Königin zu spiegeln. Diese wird jedoch immer wieder durch höhnische Volkslieder jäh unterbrochen. Bewusst kindisch bis schlüpfrig-doppeldeutig sind die ausgewählten Lieder, die Provenzale in die Kantate einfügt: „La Bella Margherita, Fra Jacopino, La Bella maritata (Cotognella), Girometta, Gallo di Mona undSaione“. DieNähe zumVolkston in Sprache undMusik ist auch in Si- mone Coyas L´Amante impazzito unüberhörbar. Und wieder scheint Neapel der Entwicklung im nördlichen Italien und Europa hinterherzuhinken, ähnlich wie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit dem Gebrauch der veralteten Tänze. Tatsächlichaber sind geradedasKomödiantische und die Nähe zum Volks- tondieKeime der Innovati- on, die, von Neapel ausge- hend, Theater und Musik des kommenden Jahrhun- dertsmaßgeblich beeinflus- sen: dieWurzeln der Opera buffa. ©ChristianZincke T AGE A LTER M usik R EGEnsbuRG M Ai 2015 15 P ROGRAMM A nTOniO V ALEnTE Gagliarda Napolitana (1520-1581) f RAnCEsCO P ROVEnzALE Squarciato appena havea (1624 – 1704) A nDREA f ALCOniERi Soave Melodia y su Corrente (1585 – 1656) A nOnYM Ciaconna (Mitte 17. Jahrhundert) G iusEPPE T RiCARiO Sdegno campion audace (1623 – 1697) A nDREA f ALCOniERi Battalla de Barabaso yerno de Satanas G REGORiO s TROzzi Toccata de Passagali (ca. 1615 – nach 1685) P iETRO P AOLO C APPELLini Tarantella (Mitte 17. Jahrhundert) G REGORiO s TROzzi Mascara sonata e ballata da più Cavalieri Napolitani nel Regio Palazzo s iMOnE C OYA Che volete da me? (2. Hälfte 17. Jahrhundert) In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik. A usfüHREnDE E CHO Du D AnubE francesca boncompagni Sopran Elisabeth seitz Salterio Martin Jopp Violine Reinhild Waldek Tripelharfe Thomas boysen Laute/Barockgitarre Christian zincke Viola da gamba Michèle Claude Perkussion st. Magn kirche und kloster Die Gründung eines Augustiner- chorherrenstifts in Stadtamhof ist den Regensburger Klerikern Pau- lus und Gebhard von Bernried zu verdanken. Nach dem Vorbild des Chorherrenstifts St. Maria in Portu in Ravenna errichtete Geb- hard 1138 dasAugustinerchorher- renstift an einer bereits im 11. Jh. nachgewiesenen Kirche zu Ehren des hl. Magnus. Im 15. Jahrhun- dert wirkte im Stift der berühmte Geschichtsschreiber Andreas von Regensburg. Im Dreißigjährigen Krieg wurde 1634 die mittelalter- liche Anlage durch die Schweden zerstört. In der Zeit von 1730 bis 1738 wurde das Augustinerchor- herrenstift neu errichtet. Die Klo- stergebäude umschließen als ba- rocke Dreiflügelanlage einen In- nenhof, der nach Süden von der vorgelagerten Kirche und nach Osten von den ehemaligen Wirt- schaftsgebäuden abgeschlossen wird. Nach der Säkularisation des Stifts im Jahre 1803 war in den Klostergebäuden zeitweilig das Amtsgericht, das Bezirksgericht, ja sogar eine Brauerei eingerichtet gewesen. Seit dem Umbau zwi- schen 1975 und 1978 beherbergt es die Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpäda- gogik Regensburg (HfKM). Die Kirche St. Magn im Regens- burger Stadtteil Stadtamhof geht auf eine Kirche zu Ehren des heili- gen Magnus zurück, die hier seit 1140 stand. Bereits 1051 wurde an diesem Ort eine Wegkapelle er- wähnt. Für das Jahr 1156 ist eine Altarweihe zu Ehren des heiligen Andreas überliefert. Nach der Zerstörung im Jahr 1634 errichtete man eine Loretokapelle. Dort - im zu Bayern gehörenden katholi- schen Stadtamhof - nahmman für einige Jahre die im damals prote- stantischen Regensburg versiegte Wallfahrt zur Schönen Maria wie- der auf. Im Jahre 1697 gelang Otto Gerhard der Neubau einer ein- schiffigen Kirche mit zweijochi- gemChor im Stil des Rokoko. Der sechssäulige Hochaltar mit dem Altarbild des heiligen Andreas stammt wie das mit Schnitzereien verzierte Chorgestühl aus Eiche aus dem Jahr 1720. Links und rechts davon stehen Figuren des hl. Augustinus und der hl. Moni- ka. Das Deckenbild im Chor zeigt die Berufung von Petrus und Andreas zu Aposteln. Die Pfarrkirche St. Magn und der angrenzende In- nenhof der Hochschule für Katholische Kirchenmusik

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