Tage Alter Musik – Programmheft 2015

D as mit internationalen Spezialisten besetz- te Ensemble Leones hat sich unter Leitung von Marc Lewon der Aufführung früher Musik verschrieben. Dabei stehen die genaue Kenntnis der originalen Quellen, eine verinnerlichte Ver- trautheit mit den historischen Musikstilen, Vir- tuosität und Lebendigkeit der Aufführung an vorderster Stelle. Ein Markenzeichen ist die Ent- deckung bislang unbekannter Werke aus Mittel- alter und Renaissance. Hier setzt das Ensemble Leones mit Pionierarbeit und Neuinterpretatio- nen in seinen Konzerten und CD-Einspielungen neue Akzente. Das Ensemble, dessen Mitglieder aus der Talentschmiede der Schola Cantorum Ba- siliensis , der berühmten Schweizer Hochschule für Alte Musik entstammen, konzertiert mit gro- ßem Erfolg auf den Bühnen renommierter Festi- vals wie dem Stockholm Early Music Festival, dem Heidelberger Frühling, den Niedersächsi- schen Musiktagen oder dem Festival Oude Mu- ziek Utrecht. Marc Lewon ist Spezialist für Musik des Mittel- alters und der Renaissance. Er studierte Musik- wissenschaft und Altgermanistik an der Univer- sität Heidelberg und absolvierte ein Studium der Laute (bei Crawford Young), Vielle und Gesang an der renommierten Schweizer Schola Canto- rum Basiliensis , das er mit Auszeichnung ab- schloss. In ihm vereinigen sich musikalisches Talent und Forschergeist, mit dem er neue He- rausforderungen für die Aufführungspraxis sucht. Als international konzertierender Musi- ker arbeitet er außer mit seinem eigenen En- semble Leones mit führenden Ensembles und Solisten wie Andreas Scholl, Crawford Young und Benjamin Bagby und tritt durch zahlreiche CD- und Rundfunk-Einspielungen sowie Publi- kationen über Frühe Musik in Erscheinung. Neben Dozenturen an der Musikhochschule Leipzig, den Universitäten Wien und Heidel- berg und der Schola Cantorum in Basel gibt er Meisterklassen und Ensemblekurse und promo- viert nebenbei an der Universität Oxford . zum Programm: Kurz nach seinem Tod im Jahr 1506 zählte Ale- xander Agricola bereits zu den ehrwürdigen „Alten Meistern“. Seine Kompositionen genos- sen hohes Ansehen und waren bald Teil des Bei- spielkanons für guten und anspruchsvollen Kontrapunkt. Er hatte nicht nur Messen, Motet- ten und Chansons komponiert, wie es in dieser Zeit üblich war, sondern gehörte zur ersten Ge- neration derjenigen Komponisten, die ein sub- stantielles Œuvre textloser Stücke hinterließen, das vermutlich für die Aufführung durch in- strumentale Ensembles gedacht war. Als einer der produktivsten Komponisten für dieses neue Genre entwickelte er eine musikalische Rheto- rik, die in ihrer Kompromisslosigkeit deutlich weiter ging als die Experimente seiner ansons- ten kongenialen Zeitgenossen wie Josquin De- sprez und Heinrich Isaac. Nicht nur sein verfeinerter Kontrapunkt machte Agricolas Stil aus: Er galt bei seinen Zeitgenos- sen zugleich als „ungewöhnlich, verrückt und seltsam“. Seine Vorliebe, kleine Motive im Ver- laufe einer Komposition zu entwickeln und weitverästelt auszubreiten, verglich der Agrico- la-Experte Fabrice Fitch mit einem Wurzelsys- tem: Dieser musikalische Irrgarten reift, wenn man als Hörer metaphorisch „zurücktritt“, fast organisch zu einer Struktur heran, die ein textlo- ses Stück mit Sinngehalt auflädt. Das bedeutete aber zugleich, dass Agricola sich auf ein uner- forschtes Terrain musikalischen Ausdrucks vor- T AGE A LTER M usik R EGEnsbuRG M Ai 2015 16 Ensemble Leones Ensemble Leones (Deutschland/schweiz) samstag, 23. Mai 2015, 16.00 uhr st.-Oswald-kirche, Weißgerbergraben „farben im Dunkel“ – Die wunderbare klangwelt des Alexander Agricola (1445/6-1506) Quinterne, Cetra, Viola d’arco & Leitung: Marc Lewon Foto: Björn Trotzki

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