Tage Alter Musik – Programmheft 2015

wagte, dessen Ergebnisse seinen Zeit- genossen teils seltsam vorkommen mussten: Er kultivierte einen „dunklen Stil“, der viel unmittelbarer durchs Hören erfahrbar ist, als durch Analyse sichtbar. Vielleicht war dies auch aus- schlaggebend dafür, dass er eines sei- ner großangelegten und ungewöhn- lichsten Instrumentalstücke mit „Cecus non judicat de coloribus“ beti- telte: „Der Blinde kann keine Farben sehen“..., aber durchaus hören. Die außergewöhnliche Komposition „Cecus“ fungierte für das vorliegende Programm zugleich als Ausgangs- punkt und Thema, das neben rein in- strumental konzipierten Stücken auch Chansonbearbeitungen, also in- strumentale Arrangements von ursprünglich vokalen Kompositionen, enthält. Abgesehen von einigen selten zu hörenden Stücken – darunter auch eine Bearbeitung von Agricola über die Chanson „Tout a par moy“ des Walter Frye – enthält das Programm eine Bearbeitung über das da- mals europaweit beliebte Lied „Tandernaken“ und ein schlicht als „Duo“ betiteltes Gemeinschaftswerk, das Agricola offenbar zusammen (oder im Wettstreit?) mit Johan- nes Ghiselin kompo- nierte. In der Auffüh- rung werden kleinere Werke zu größeren „Suiten“ zusammenge- fasst, um eine dramatur- gische Linie über das Programm hinweg zu gestalten und die einzelnen Stücke in einen sinn- vollen Kontext zu stellen. Dafür sind die originalen Liedsätze den Chan- sonbearbeitungen von Agricola vorangestellt. Dabei wird der Tenor ge- sungen, also diejenige Stimme, welche die Grundlage für Agricolas Fas- sungen bildet, um dem Hörer die Gelegenheit zu geben, Agricolas Vor- gang bei der Bearbeitung als ästhetische Er- fahrung in vollen Zügen zu genießen. Wir wählten dabei die Überlieferungen des berühmten Chansonnier Cordiforme, in dem neben dem Cantus auch die Tenorstim- me mit dem Liedtext versehen wurde. Ein ergreifendes Konzert voller Farben, Klänge und Hintersinn in idealer Besetzung mit dem üppigen Klang früher Gamben, Violinen, Harfen, Lauten, Zink und einem Sänger. © Marc Lewon T AGE A LTER M usik R EGEnsbuRG M Ai 2015 17 Marc Lewon A usfüHREnDE E nsEMbLE L EOnEs Raitis Grigalis Gesang baptiste Romain Renaissancevioline, Vielle Elizabeth Rumsey Viola d’arco uri smilansky Viola d’arco Marc Lewon Quinterne, Cetra, Viola d’arco & Leitung kirsty Whatley gotische Harfe Gawain Glenton Zink P ROGRAMM A LExAnDER A GRiCOLA In minen Zin (1445/6 – 1506) H AYnE V An G HisEGHEM De tous biens plaine (ca. 1445 – ca. 1497) J OHAnnEs T inCTORis De tous biens plaine (ca. 1435 – ca. 1511) A LExAnDER A GRiCOLA De tous biens plaine II De tous biens plaine III De tous biens plaine IV De tous biens plaine V A nOnYM Tandernaken A LExAnDER A GRiCOLA Tandernaken A nOnYM Si congié prens A LExAnDER A GRiCOLA Si conge prens D... Je ne puis plus A LExAnDER A GRiCOLA Cecus non judicat de coloribus Fors seullement A GRiCOLA / J OHAnnEs G HisELin Duo (ca. 1455 – ca. 1507/11) W ALTER f RYE Tout a par moy (gest. um 1474) A LExAnDER A GRiCOLA Tout a par moy II Tout a par moy I A LExAnDER A GRiCOLA Fortuna desperata Sendetermin auf BR Klassik: 10.8.2015, 20.03 Uhr Foto: Björn Trotzki Cover der CD “Colours in the Dark” des Ensembles Leones Alexander Agricola: Tenorstimme aus einer Messe st.-Oswald- kirche Die gotische Kirche des 1318 erstmals erwähnten „Spitals auf Turnau“ wurde von Friedrich Auer und Karl Prager gestiftet und in der Folgezeit vom rei- chen Patriziergeschlecht der Auer reich beschenkt. Sie ist dem hl. Oswald, dem Patron der Pilger und Reisenden, beson- ders aber der Kreuzfahrer, ge- weiht und steht an der Einmün- dung des Vitusbacharmes in die Donau, am sogenannten Weiß- gerbergraben, dem ehemaligen Graben der frühmittelalterlichen Stadtmauer (um 920 von Herzog Arnulf von Baiern errichtet). Hier waren Gerber ansässig, die das feine, weiße Leder herstell- ten. 1553 wurde St. Oswald vom Rat der Stadt an die protestanti- sche Kirche übergeben, 1708 ba- rockisiert. Dabei entstand eine für Bayern einmalige „Bilder- predigt“ an Decke und Empo- ren: „Des Herren Wort bleibt in Ewigkeit“. 1750 errichtete hier der Regensburger Orgelbauer Franz Jakob Späth seine heute einzig erhaltene Barockorgel (a = 468 Hz), eine von maximal fünf original erhaltenen Barockor- geln Bayerns. Die letzte Restau- rierung von Kirche und Orgel, bei der die Orgelmodernisie- rung von 1958 rückgängig ge- macht wurde, war am 6. 10. 1991 abgeschlossen.

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