Tage Alter Musik – Programmheft 2015

dem heutigen Tschechien, dem mährischen Nová Říše. 1776 kam er nach Wien, wo er zunächst zweigleisig ein Theologiestudium und seine musi- kalische Ausbildung vorantrieb, um sich bald jedoch einzig der Musiker- karriere zu widmen. Seinen größten und andauerndsten Erfolg als Kom- ponist hatte er mit seiner Oper Oberon , die 1789 ihre Premiere erlebte. Zu diesem Zeitpunkt war Wranitzky allerdings längst schon eine zentrale Ge- stalt im Wiener Musikleben: als bewunderter und gefragter Ensemblelei- ter, dem etwa Beethoven die Uraufführung seiner ersten Sinfonie anver- traute. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Anton, der vor allem als Violinvirtuose in hohemAnsehen stand, war Paul Wranitzky eine Institu- tion der musikliebenden Stadt Wien und gut vernetzt mit Persönlichkei- ten wie Haydn, Mozart, Beethoven oder eben Vanhal. Insofern hätte man als Zeitgenosse – um zur imaginären Gruppierung des Konzertprogramms zurückzukommen – auch eine plausible Einteilung vornehmen können, durch die nunmehr Joseph Martin Kraus (1756–1792) alleine gestanden hätte. Vanhal, Wranitzky und Mozart stammten aus den habsburgi- schen Ländern oder deren unmittelba- rem Einzugsgebiet (Salzburg war bis 1805 selbständiges Fürsterzbistum) und gehörten derselben Musikszene an. Kraus hingegen wurde im unterfränki- schen Miltenberg geboren und erlebte die Glanzzeit seiner Karriere im hohen Norden, im Königreich Schweden. Dort- hin war er 1778 gezogen, um sein Glück zu versuchen. Nach drei entbehrungsreichen Jahren gelang es ihmmit sei- ner Oper Proserpin , die Aufmerksamkeit des Monarchen Gustav III. auf sich zu ziehen. Kaum zwei Wochen nach der Uraufführung hatte er den Posten als zweiter Hofkapellmeister des Königs inne. Bald darauf brach Kraus in königlichemAuftrag zu einer großangelegten vierjährigen Studi- enreise durch Europa auf, die ihm die Bekanntschaft einiger der berühm- testen Musikerpersönlichkeiten der Zeit eintrug: Haydn in Eszterháza, Padre Martini in Bologna und in Wien Gluck, Salieri, Vanhal und Wranitz- ky. Eine Begegnung mit Mozart ist nicht belegt, aber immerhin sehr wahr- scheinlich. Zurück in Stockholm, arbeitete sich Kraus demHöhepunkt sei- ner Karriere entgegen. Er wurde zu einer zentralen Persönlichkeit des schwedischen Musiklebens, feierte Opernerfolge und wurde zu einem wichtigen Teil jener kulturellen Blüte, die ihren spiritus rector in Gustav III. hatte. Ein jähes Ende fand diese Periode durch die Ermordung des Mo- narchen auf einemMaskenball – ein Ereignis, das Opernkenner aus Verdis Un ballo in maschera vertraut sein wird. Kraus überlebte seinen königlichen Gönner nur um ein Jahr. Die Symphonie funèbre , die er für die Aufbahrung Gustavs komponierte, gehört heute zu seinen bekanntesten Werken. Der Zufall will es also, dass sich so manche Parallele in den Lebensläufen von Kraus und Wolfgang Amadeus Mozart ergibt: Beide starben in noch jungen Jahren, die Lebensspannen sind beinahe deckungsgleich und am Ende ihres Schaffens steht ein Werk der Begräbnismusik. Liegt es an sol- chen Zufälligkeiten, dass man Kraus häufig den „schwedischen Mozart“ genannt hat? Kurz gesagt, ja. Denn Kraus besaß als Komponist seine urei- gene Originalität und ist alles andere als ein Epigone gewesen. Überhaupt gruppiert das Konzert mit Kraus, Mozart, Vanhal und Wranitzky vier ei- genständige und -willige Komponisten nebeneinander, ungeachtet aller musikgeschichtlichen Bedeutungszuschreibungen. Die Werkauswahl des Programms sorgt nun dafür, dass sich diese eigent- lich so unterschiedlichen Komponisten stilistisch sehr nahekommen und T AGE A LTER M usik R EGEnsbuRG M Ai 2015 20 Manufaktur für historische Tasteninstrumente mit Arthur Schoonderwoerd Christine Schornsheim Kristian Bezuidenhout Ronald Brautigam Malcolm Bilson Trevor Pinnock Andreas Staier Bahnhofstr. 17 | 79219 Staufen | christoph-kern.de | Tel 07633 80 24 88 neuhaussaal Der Bau des Stadttheaters mit dem Neuhaussaal wurde unmit- telbar nach der Säkularisation vom neuen Stadtherrn, dem Kur- fürsten und Erzkanzler Carl von Dalberg, in Auftrag gegeben. Der Architekt d'Herigoyen schuf das Stadttheater im Jahr 1804. Nach einem Brand wurde es 1849 in etwas veränderter Form wie- deraufgebaut. Ein Mittelteil mit Dreiecksgiebel und seitliche Bal- kone zeichnen den Bau aus, der eine reiche Theatergeschichte schreibt. Der klassizistische Neu- haussaal kann auf eine reiche Konzert- und Ballgeschichte zurückblicken. Joseph Martin Kraus Leopold Mozart mit seinen Kindern Wolfgang Amadeus Mozart und Maria Anna, an der Wand ein Porträt der verstorbenen Ehefrau Anna Maria. Gemälde von Johann Nepomuk della Croce, um 1780

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