Tage Alter Musik – Programmheft 2015

war. Gibbons Charakter trägt zweifelsohne einen Zug von Besessenheit, wenn man sich an- sieht, wie penetrant er sich weigert, die Kontrol- le über ein Motiv preiszugeben - eine Leiden- schaft, die seiner Polyphonie einen bleibenden Wert verleiht, mit dem nur wenige seiner Zeit- genossen mithalten können. In William Byrds Consort-Musik begegnet man einem der scharfsinnigsten Denker des Elisabe- thanischen Zeitalters, der es außerordentlich ge- nießt, das musikalische Erbe seiner Vorgänger zu beherrschen und zu transformieren. Sein Pre- lude and Ground beispielsweise beruht auf einem wiederkehrenden Bassmotiv, das Byrd mit unruhigen musikalischen Figuren auffüllt: Anstatt sich ordentlich an ihre heimische ,Ayre‘ zu halten, scheinen sich Harmonien in F nur zu gern von ihren aufsässigen Nachbarn in G ver- führen zu lassen, was ein „Brueghel-artiges“ Chaos erzeugt. Ein ähnlicher Stilmix findet sich auch in Byrds Fantasia a5 , die auf einem strengen Kanon zwischen den beiden Oberstimmen ba- siert. Doch mitten in das kunstfertige Gebäude dieser beiden durch das ganze Stück hindurch kanonisch geführten Stimmen fügt Byrd ein rüdes Volkslied als Teil des Kanons ein: ,Sicke, sicke, and very sicke‘ - eine im vergeistigten Mi- T AGE A LTER M usik R EGEnsbuRG M Ai 2015 44 Impressionen vom letztjährigen Festival: Collegium 1704 in der Dreieinigkeitskirche (oben) und El Mundo in der St.-Oswald-Kirche (unten) Fotos: Hanno Meier

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