Tage Alter Musik – Programmheft 2016

11 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 ticum triumphale Cum rex gloriae , willkommen geheißen. Der jahrelange Streit zwischen den Přemysliden und den Habsburgern hörte nach der Schlacht nicht auf, die eheschließung zwischenWenzel und guta im Jahre 1285 war die einzig mögliche Lösung zur Linderung der Probleme. Das junge Paar wurde nach der Zeremonie für zwei Jahre getrennt – erst im Jahre 1287 kam die Königin nach Böhmen und wurde leidenschaftlich bejubelt. Der Hof Wenzels war zu dieser Zeit sehr modern. Wir können uns ihn nicht ohne den populären Minnesang vorstellen. Der König war fasziniert von den Minnesängern und dem genre – er komponierte selbst einige Lieder, eines davon ist das Lied Ûz hôher âventiure . Dieses Stück war wahrscheinlich ebenso durch das Hohelied beeinflusst wie der bekannte Marienleich, der von Heinrich vonMeißen – dem sogenannten Frauenlob (†1318) – auf Wenzels Wunsch kom- poniert wurde. Die Marienverehrung war sehr innig, so können wir auch viele andere Stücke finden, die über das Marianische Thema komponiert wurden. einige der zeitgenössischen Quellen erwähnen weitere Minnesänger am Hof, deren Musik auch nach ihrem Tod noch sehr populär war – da ist z.B. Der Mar- ner (†1270) – sein marianisches gebet Maria, muter, reine meit findet sich am ende unseres Konzertprogramms. Wir sind sicher, dass die Lieder der wichtig- stenMinnesänger auch amHof der Přemysliden in Prag gesungen und gespielt wurden – z. B. Lieder von Neidhart von Reuental (†1240) oder von dem berühm- ten Walther von der Vogelweide (†1230). Walthers Lied Vil wohl gelobter got könnte ein glaubensbekenntnis sein, deshalb legen wir es der Prinzessin guta vor der Krönung in den Mund. Wenzels und gutas Leben fand seinen Höhepunkt in ihrer Krönung im Jahre 1297. Diese Krönung war ein gewaltiges ereignis – die bedeutendste High Society europas, angeführt von gutas Bruder, dem König der Römer Albert I. von Deutschland, kam nach Prag. Die Krönung dauerte viele Tage und vor und nach der Krönungsmesse gab es zahlreiche weltliche Festlichkeiten mit Tanz und Ritter-Turnieren (wir erinnern an das Hochzeitmachen mit Neidharts wun- derschönem Lied Meie, dîn liehter schîn ). Wir haben nicht viele Belege für die liturgische Krönungszeremonie – wir wissen nur, dass sie an Pfingsten in der Hauptkathedrale St. Vitus stattfand. Wir können auch nur vermuten, welche Art von Repertoire während der Messe aufgeführt worden sein könnte – z. B. das tropierte Gloria Spiritus ut alme für Pfingsten oder der gesang Hospodine, pomiluj ny , der als traditionelle Hymne benutzt wurde. Als Teil unseres Pro- gramms finden sich einige polyphone Stücke, Conductus genannt. Diese Con- ductus stammen aus den europäischen Hauptquellen der epoche, und wir neh- men an, dass sie als Stil auch in Böhmen bekannt waren. Die Königin guta und ihre Leute erfreuten sich der Krönungsfestlichkeiten nicht lange. guta starb wenige Tage nach der Zeremonie, wahrscheinlich ermüdet von der Frühgeburt ihres und des Königs zehnten Kindes. Die Trauer erfasste das ganze Land - im ChroniconAulae Regiae steht: „...Wer immer konnte die Trä- nen zurückhalten und sich nicht von ganzem Herzen grämen...“ (Lectio O dolor! O plus quam dolor!) . Vielleicht grämte sich auchWenzel (gesang Jižť mne vše radost ostává eines unbekannten Kom- ponisten, des sogenannten Záviš). guta lebte nicht lange, es scheint, als sei sie wirklich die Königin der Sorge – wenn sie einen Anlass zum glück- lichsein hatte, folgte unmittelbar dar- auf ein tragischer Schicksalsschlag. Wir möchten an sie erinnern als an einen Teil der wichtigsten Periode der böhmischen Historie. © Barbora Kabátková R EGInA L UCTI – K ÖnIGIn DER T RAUER G ESAnG UnD P OESIE AM H OFE W EnZESLAUS ’ II. UM 1300 Die Schlacht auf dem Marchfeld (1278) Cantilena de Rege Bohemiae Wafen iemer mêre! (Colmarer Dominikanerchronist) Die Ankunft des böhmischen Herzogs in Prag (1283) Heinrich von Meißen „Frauenlob“ (1250/60 - 1318): Ei, ich sach in dem trone (Marienleich, Verse 1 & 2) Canticum triumphale Cum Rex gloriae - Psalm 23 Conductus Novi sideris Lumen resplenduit Wenzeslaus II. von Böhmen und Judith von Habsburg (1285) Heinrich von Meißen „Frauenlob“: Ich binz der sterne von Jacop (Marienleich, Vers 15) Lectio Dudum contracta sic fit omnino peracta (Chronik des Klosters Königssaal bei Prag) Wenzeslaus II. von Böhmen (1271 - 1305): Ûz hôher âventiure Walther von der Vogelweide (ca. 1170 - ca. 1230): Vil wol gelobter got Die Krönung (1297) Cantio Hospodine, pomiluj ny Heinrich von Meißen „Frauenlob“: Ob ich die warheit lerne (Marienleich, Verse 7 & 8) Gloria Spiritus et alme Conductus Redit etas aurea Lectio Sancti evangelii secundum Matthaeum Conductus Custodi nos, Domine Neidhart von Reuental (ca. 1185 - ca. 1240): Meie, din lichter schin (instrumental) Die Königin der Trauer Lectio O dolor! O plus quam dolor! (Chronik des Klosters Königssaal bei Prag) Cantio Jižť mne vše radost ostává Conductus Marie, qui gratiam Heinrich von Meißen „Frauenlob“: Ich bin erkennig (Marienleich, Verse 10 & 11) Der Marner (um 1230 - 1270): Maria, muter, reine meit P ROGRAMM Codex Manesse Wenzel II. von Böhmen Ottokar II., der Vater von Wenzel II. Cover der CD „Flos inter spinas“ des Tiburtina Ensembles T IBURTInA E nSEMBLE Barbora Kabátková Sopran , mittelalterliche Harfe Hana Blažíková Sopran , mittelalterliche Harfe Daniela Čermáková Alt, Rezitation Tereza Havlíková, Ivana Bilej Brouková Sopran Marta Fadljevičová, Anna Chadimová Havlíková, Kamila Mazalová Alt Thomas Wimmer (als gast) Fiedel A USFüHREnDE

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