Tage Alter Musik – Programmheft 2016

14 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 Aber ansonsten herrschen Tanzsätze vor, man findet Allemanden, Couran- ten, Branles... Besonders schöne Melodien wie La Benedetta oder La Suave Melodia und Rhythmen, die auf verschiedene einflüsse zurückgehen, ver- binden sich in dieser Sammlung mit einer zukunftsweisenden Musikspra- che. Falconieri war aber bei Weitem nicht der einzige illustre Musiker der nea- politanischen Hofkapelle, und aus der Reihe seiner zahlreichen spanischen Kollegen sei beispielsweise der aus Toledo stammende Diego Ortiz genannt, der 1558 Kapellmeister am neapolitanischen Hof wurde, zur Zeit des Vize- königs FernandoAlvarez de Toledo, dem 3. Herzog vonAlba. Diese Position hatte er mindestens bis 1565 inne, als Pedro Afán de Ribera, Herzog von Alcalá, Vizekönig war. Ortiz’ Hauptwerk ist der Trattado de glosas sobre cláusulas y otros géneros de puntos en la música de violones nuevamente puestos en luz ; er wurde 1553 in Rom veröffentlicht, zu jener Zeit, als der Komponist in Neapel wirkte. Diese Abhandlung ist mit Bezug auf die gambe geschrieben (die als vihuela de arco oder auch vio- lón bezeichnet wird) und erschien sowohl auf Kastilisch als auch auf Italienisch. Ortiz hatte sich vorgenommen, dem Mangel an Werken für dieses Instrument abzu- helfen, das er für so wichtig hielt. Sein Werk ist Pedro de Urries, Baron von Riesy, gewidmet und umfasst zwei Bände. Im besonders wichtigen ersten Band zeigt Ortiz mit einer Fülle von Notenbeispielen, wie ein kleines Melodieelement aus einer Kadenz verziert werden kann und wie seine Intervalle ausgefüllt und umspielt wer- den können; im zweiten Band lehrt er, wie man auf der gambe über eine Choralmelodie oder über andere Werke „fantasieren“ (improvisieren) kann. Dieser zweite Band enthält 27 Werke, die als recercadas bezeichnet werden - Beispiele, die die beschriebenen Techniken illustrieren und einen wahren Musterkatalog bilden, der den Reichtum und die Origi- nalität der spanischen Renaissancemusik deutlich macht. Zwei dieser Werke sind im heutigen Konzert zu hören: Die erste recercada über „Doulce Memo- ire“ , eine vierstimmige französische Chanson von Pierre Sandrin, veran- schaulicht die Kunst der differencia (dieser Begriff wurde auf der iberischen Halbinsel für Variationen verwendet) über ein musikalisches Fragment; außerdem stehen die Recercadas sobre tenores italianos auf dem Programm, die am ende des Trattado zu finden sind und auf einigen Choralmelodien basieren, „welche man in Italien gemeinhin tenores nennt“. Unser heutiges Programm umfasst auch Werke anderer Komponisten des 17. Jahrhunderts, die Zeitgenossen jener Musiker waren, die sich am nea- politanischen Hof aufhielten. So entsteht ein umfangreiches Panorama, das unsere Vorstellung von der barocken Instrumentalmusik in Spanien und Italien erweitert und klarmacht, wie verbreitet diese Musik in weiteren euro- päischen Ländern war. Der Augustinermönch Bartolomé de Selma y Salaverde, der unter seinem italianisierten Vornamen Bartolomeo bekannt war, war vermutlich ein Sohn eines maestro de los imtrumentos der königlichen Hofkapelle in Madrid. Aus dem Vorwort zu seinem Canzoni, fantasie e correnti da suonar a 1, 2, 3, 4 voci con Basso Continuo, Venedig , 1638 geht hervor, dass er seine Ausbildung in Spanien erhielt. Später trat er in die Dienste erzherzog Leopolds V. von Österreich, des Bischofs von Straßburg. Dort spielte er den Dulzian, einen Vorläufer des heutigen Fagotts. Im Jahr 1638 ließ er in Venedig den genannten Sammelband drucken, das einzige seiner Werke, das erhalten ist. es ist für verschiedene Instrumente und Basso continuo komponiert und dem Prinzen Johann Karl von Polen und Schweden, dem Bischof von Breslau, gewidmet, sicher in der Hoffnung, in dessen Kapelle eine Stellung als Dulzianspieler zu erhalten. Die Canzon quinta a tre, Doi Soprani e Basso zeichnet sich durch außergewöhnliche Schönheit und durch eindrucksvolle tech- nische Anforderungen aus. giovanni Battista Vitali, Domenico gabrielli und giu- seppe Maria Jacchini (alle drei Cellisten) waren Mitglie- der der Kapelle der Basilika San Petronio in Bologna (in dieser Kirche wurde Karl V. durch Papst Clemens VII. zumKaiser gekrönt) und der Accademia Filarmo- nica dieser Stadt. Vitali war vermutlich ein Schüler von Maurizio Cazzati, maestro di cappella an San Petronio. Zu dieser Kapelle gehörte er seit 1658 als Violonespieler. Anschließend wurde er Kapellmeister an der Confraternità del Santissimo Rosario und neben giuseppe Colombi zweiter Kapell- meister amHof Francescos Il. in Modena. Dort wirkte auch Domenico gabrielli, der für seine Virtuosität bekannt war und im bologneser Dialekt den Spitzna- men Mingéin dal viulunzèl, also „der kleine Domenico amVioloncello“ trug (Mingéin ist eine Verniedlichung von Domenico). er schrieb sieben ricercari , die ersten überlieferten Kompositionen für Violoncello solo. Sein Schüler Jacchini - bei ihm handelt es sich wahrscheinlich um den gleichen Musiker, der Giosefo del Violonzino genannt wurde – verfolgte denWeg weiter, den sein Lehrer eingeschla- gen hatte, und betraute das Violon- cello häufig mit solistischen Aufga- ben. Diese drei Komponisten erweiterten erstmals die Rolle des Violoncellos, dessen Funktion bis dahin darin bestanden hatte, den Basso continuo zu unterstützen. © José Luis Obregón Perea Tamar Lalo und Miren Zeberio David Mayoral Ignacio Prego Alfons V. auf einer Silbermedaille von Pisanello 1449 hoc Cover der CD von La Ritirata „Il spiritillo brando“

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