Tage Alter Musik – Programmheft 2016

28 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 Recht turbulent war für Schütz das Jahr 1617, da zwei wichtige ereignisse bevorstanden: der Besuch des Kaisers im Sommer einerseits und die Jahrhun- dertfeier der lutherischen Reformation andererseits. Aus letztgenanntem Anlass kam eine Reihe von großangelegten mehrchörigen Werken zur Auf- führung, von denen sechs später in den Psalmen Davids veröffentlicht wurden. Bei den Psalmen Davids (SWV 22-47) handelt es sich um insgesamt 26 mehr- chörige Stücke in deutscher Sprache, in denen italienische und deutsche Musiktraditionen miteinander verschmelzen. Der Originaldruck besteht aus insgesamt dreizehn Stimmbüchern: acht für die Chori, vier für die Capellae und eine für Basso Continuo. Schütz war der Unterschied zwischen Chori und Capellae sehr wichtig, weshalb er imVorwort dazu auch einige Anweisungen gegeben hat. Während die Chori klein besetzt werden sollten und somit den Kern des Werkes verkörpern, dienen die Capellae als Ausschmückung und können fakultativ nur instrumental oder sogar vokal-instrumental besetzt wer- den. Dazu schreibt er Folgendes: „Die Capellen, so mit hohen Stimmen gesetzet / seynd meistentheils auff Zincken und andere Instrument gerichtet / Jedoch wann man auch Sänger dabey haben kan / ist so viel desto besser“. Als Quelle für die Texte diente vor allem das Buch der Psalmen in der deutschen Über- setzung von Martin Luther. Drei Nummern entstanden aus anderen Vorlagen: Die Motette Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn (Nummer 19, SWV 40) stammt aus dem Buch Jeremia und das Concerto Zion spricht, der Herr hat mich verlassen (Nummer 25, SWV 46) basiert auf der Bibelstelle Jesaja 49, 14-16. Zudem ver- tont Schütz in Nun lob, mein Seel, den Herren (Nummer 20, SWV 41) die erste Strophe des gleichnamigen Kirchenliedes von Johann gramann. Jeder der Psalmen zeichnet sich durch die musikalische Umsetzung bildlicher Motive aus. Solche fast lautmalerischen Darstellungen finden sich in prägnan- tenWörtern wie „ewigkeit“ (SWV 37) oder „ewiglich“ (SWV 32) wieder. Diese sind geprägt durch lange, punktierte Notenwerte und einen ansteigenden Melodieverlauf. Die Phrase „sie gehen hin“ in Die mit Tränen säen (SWV 42), bei welcher die Noten aufsteigend „davonlaufen“ und eine Art echo durch den Wechsel der Singstimmen erzeugt wird, fällt ebenfalls unter diese laut- malerische Darstellung. Durch das echo in den verschiedenen Stimmlagen wird der effekt des Davongehens weiter verstärkt. Phrasen oder Wörter, die den Schmerz versinnbildlichen, wie z. B. „Tränen“ (SWV 42), werden mit Hilfe von chromatischen Verläufen zumAusdruck gebracht. Das in Zion spricht oft wiederkehrende Wort „verlassen“ (SWV 46) wird durch lange Notenwerte gestreckt, sodass die zurückbleibende einsamkeit fast greifbar wirkt. erwähnenswert ist auch die abwechslungsreiche gestaltung der Anfänge und der Stimmverlauf innerhalb der Psalmen, was den einsatz der Chöre und der Solisten betrifft. So beginnt zum Beispiel der 121. Psalm (SWV 31) mit einem Solo, das imweiteren Verlauf des Psalms eine wichtige Rolle spielt, da es durch alle Stimmen hindurchwandert. Dabei werden ein oder mehrere Verse vorge- sungen, die anschließend vom Chor wie ein Refrain beantwortet werden. Als gegenbeispiel sei der antiphonal beginnende Psalm An den Wassern zu Babel (SWV 37) genannt, bei dem Chor I und Chor II sich geschlossen gegenseitig antworten. In einigen Psalmen wird der Psalmton verwendet, der den liturgischen Cha- rakter der Psalmen unterstreicht. ein sehr deutliches Beispiel findet sich im Psalm „Der Herr sprach zu meinem Herren“ (SWV 22), bei dem häufig ein ganzer Satz auf einem einzigen Ton gesungen wird. Der Abend endet mit dem Psalm Danket dem Herren, denn er ist freund- lich (SWV 45). Besonders eingängig ist hier die immer wiederkehrende Zeile „denn seine güte währet ewig- lich“, die deutlich und imposant zur Wirkung gebracht wird. Diese Ver- tonung, die am 22. Juli 1650 im Dankgottesdienst nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges aufge- führt wurde, lag Schütz selbst besonders am Herzen. © Julia Rudlof, UR Lisandro Abadie Felix Schwandtke David Erler Stefan Kunath Charles Daniels Tobias Mäthger Gerlinde Sämann Isabel Jantschek Titelbild des Erstdrucks der Psalmen Davids von 1619 Einweihung der Dreieinigkeitskirche am 5. Dezember 1631 Foto Pablo Kornfeld Foto Hanya Chlala Cover der Doppel-CD des Dresdner Kammerchors „H. Schütz, Psalmen Davids“

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