Tage Alter Musik – Programmheft 2016

35 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 ble L’Achéron erschien beim Label Ricercar Anthony Holbornes „The fruit of love“. Darüber hinaus wirkte François Joubert-Caillet bei Soundtracks zu diversen Filmen mit und war regelmäßig in verschiedenen europäi- schen Rundfunkstationen zu hören. Mittlerweile hat er mit der gesamt- aufnahme sämtlicher Werke für gambe von Marin Marais für das Label Ricercar begonnen. Dieses Mammutprojekt (fünf Bücher, über 600 Stücke, ca. 20 CDs) soll bis 2021 abgeschlossen sein. Die erste CD dieser Produktion ist im Februar 2016 veröffentlicht worden. Zum Programm: Im Jahr 1599 erscheint in england der offenbar erste veröffentlichte Band von Musikstücken für Consort: Pavans, Galliards, Almains and other short Aeirs both grave and light, in five parts, for Viols, Violins, or other Musical Winde Instruments. Ihr Autor heißt Anthony Holborne und ist Gentleman and Ser- vant to her most excellent Majesty. Doch was weiß man von Anthony Hol- borne, wenn man vom Titel des Bandes absieht, der aussagt, dass der Kom- ponist imDienst der Königin elisabeth steht? Über seine Karriere und sein Leben ist fast nichts bekannt, außer dem Datum seiner Hochzeit, dem 14. Juni 1584 in Westminster, einer diplomatischen Mission (wie sie oft von Musikern übernommen wurde) in den Niederlanden und schließlich sei- nem ungefähren Sterbedatum zwischen dem 29. November und dem 1. Dezember 1602. er stand also im Dienst der Königin, doch ist auch bekannt, dass er bei verschiedenen Personen der Aristokratie tätig war wie etwa bei „Sir Richard Champernowne, knight“, dem er diesen Band 1599 widmete. Andererseits ist anzunehmen, dass Holborne sehr enge Beziehungen zu bedeutenden Persönlichkeiten der Musikwelt unterhielt. So verdanken wir ihm zwei Widmungsgedichte, von denen das eine in englischer Spra- che geschrieben und für die wichtigste musikalische Abhandlung seiner Zeit bestimmt war, A plaine and easie Introduction to Practicall Musicke von Thomas Morley (1597), und das andere auf Latein, das den Band der Can- zonets to foure voices von giles Farnaby (1598) einleitete. Außerdemwidmete John Dowland im Jahre 1600 in seinem Second Booke of Songs or Ayres eines seiner schönsten Lieder ( 1 saw my lady weep ) „to the most famous Anthony Holborne“ . Nicht zuletzt war der Herausgeber des 1599 erschienenen Ban- des der berühmte Thomas Morley, der es auch „at his shop in Gratious- streete“ verkaufte. Holborne gehörte also zum kleinen Kreis der illustren Londoner Musiker des elisabethanischen Zeitalters. ganz wie John Dowland war Anthony Holborne sicher Lautenspieler. er spezialisierte sich sogar auf das Spiel von Instrumenten mit gezupften Metallsaiten, nämlich auf die Bandura und die Cister, durch die er schon 1597 mit der Veröffentlichung von The Cittarn Schoole bekannt wurde. Die existenz dieser Schule bestätigt, wie bedeutend dieses Instrument war, weil es damals in London, abgesehen von der Übersetzung von Adrian Le Roys Abhandlung aus dem Jahre 1574, noch zu keiner Publikation einer Lautenschule gekommen war. Im Jahr zuvor waren zwei Stücke Holbornes für Bandura im New Booke of Tabliture von William Barley veröffentlicht worden. Holborne hatte übrigens einen guten Ruf als Banduraspieler, wenn man den oft zitierten Brief eines gewissen Francis Derrick in Betracht zieht, der, als er sich in den Niederlanden aufhielt, seinen englischen Kor- respondenten Henry Wickham bat, ihm die wichtigsten „Lektionen“ für dieses Instrument zu besorgen ... nämlich die von Holborne! Holbornes Band der Pavans, Galliards... verdient es, unter mehreren gesichtspunkten betrachtet zu werden, vor allem unter denen der Art des Repertoires und der von ihm vorgeschlagenen Instrumentierungen. In der Renaissancezeit bildete die Tanzmusik eines der Lieblingsrepertoires der Instrumentalisten. Der Ursprung dieser Tänze ist zwischen den volkstüm- lichen Traditionen und den aristokratischen Tänzen zu suchen. Manchmal gingen einige Tanzweisen von einer Kategorie in die andere über. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden vor allem in Italien und in Frankreich Sammelbände mit Tanzmusik beliebt, denen die Komposition von vier- stimmigen, seltener sogar fünfstimmigen polyphonen Fassungen zugute kam. Dieses Repertoire war in england sicher schon zur Zeit Heinrichs VIII. bekannt, in der es zahlreiche Quellen mit französischer Musik gab. Danach ließen sich am ende des Jahrhunderts viele italienische Kompo- nisten und Instrumentalisten in england nieder, wo sie Posten bei Hofe bekleideten. Nach und nach wurde die Kompositionsweise dieser polyphonen Tänze komplexer, so dass sie für die Tanzpraxis weniger geeignet und anschei- nend einzig zum Vergnügen der Musiker und ihrer Zuhörer bestimmt waren. Das ist jedenfalls bei Holbornes Stücken festzustellen. Wie der Titel angibt, bilden Pavanen und galliarden den wesentlichen Bestandteil des Bandes: Dabei ist allerdings offenkundig, dass viele dieser Stücke darin zwar nicht als ,,Pavane“ oder ,,galliarde“ bezeichnet werden, bei näherer François Joubert-Caillet Foto Jean-Baptiste Millot Michael Praetorius: Syntagma Musicum

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