Tage Alter Musik – Programmheft 2016

mit dem Selbstverständnis und Repräsentationsbedürfnis des fran- zösischen Absolutismus unter Ludwig XIV. entstand eine natio- nale Bedeutung Lullys, die noch generationen nach seinem Tod einfluss auf das französische Musikleben ausüben sollte. Der Kern seines künstlerischen erbes ist dabei sicherlich die „Tragédie lyrique“ (zeitgenössisch oft auch als „tragédie en musique“ bezeich- net), die Lully maßgeblich und vor- bildhaft in Form und Stil ausgestal- tete. Die Tragédie lyrique wurde zur typisch französischen Ausprä- gung der barocken Oper und bewahrte sich ihre lockere Zusammenfügung von Rezitati- ven, liedhaft einfachen Arien, ensembles, Chören und Tänzen gegen den Trend der italienischen Oper, die sich bald im restlichen europa durchzusetzen begann und durch einen vergleichsweise schematischen Wechsel von Rezitativ und Arie geprägt war. Zwischen 1673 und 1686 brachte Lully beinahe jährlich eine neue Tragédie in äußerst aufwändigen Aufführungen vors Publikum, darunter auch Pha- éton, das erstmals im Januar 1683 in Versailles gegeben und – wie die meis- ten von Lullys Tragédies – noch im selben Jahr im Druck veröffentlicht wurde. Lullys Tanzmusik, die mit dem höfischen Repräsentationsstil Lud- wigs XIV. so perfekt harmonierte, sorgte in den für die Tragédies typischen Tanzeinlagen für unterhaltsame Abwechslung; so auch die Chaconne in g-Dur, zu der in der Aufführung gruppen von „Ägyptern“, „Äthiopiern“ und „Indern“ tanzten. Über einem viertaktigen Bass-Schema, das beinahe 40mal wiederholt und auch selbst gegenstand rhythmischer Variation wird, baut Lully einen großen melodischen Bogen auf und garniert ihn mit Struktur- und Besetzungskontrasten. Während Lullys Ruhm noch maßgeblich auf vokalen gattungen basierte, etablierte sich im beginnenden 18. Jahrhundert, ausgehend von Italien, mit dem Concerto ein neuer Typus der Instrumentalmusik, der seinen wesentlichen Reiz aus dem Kontrast zwischen vollem Orchesterklang (genannt „ripieno“ oder „tutti“) und Solo-Stimmen zog. Das Instrumen- talkonzert stand fortan im Zentrum des Schaffens von Komponisten wie Corelli, Torelli, Albinoni und Vivaldi. Verschiedene Musiker konnten durch Publikationserfolge und den Ruf legendärer Spielfertigkeit innerhalb kurzer Zeit Furore machen. Häufig verbanden sich einzelne Namen fest mit bestimmten Stil- und Formausprägungen. Arcangelo Corelli etwa übte mit seinen 1714 posthum veröffentlichten Concerti grossi op. 6 noch über zwei Jahrzehnte später einfluss auf Händel und seine Konzertsammlung op. 6 aus. Antonio Vivaldi wiederum machte sich vor allem durch seine spektakulären Violinkonzerte international einen Namen. Seine Sammlung L’Estro armonico op. 3 (übersetzbar als „Die harmonische eingebung“), 1711 in Amsterdam verlegt, rief bis weit über die grenzen Italiens hinaus Begeisterung hervor und legte den grundstein für seine enorme Popula- rität. Vivaldis Estro war eine Art zwischenzeitliche Bestandsaufnahme sei- ner Konzertkompositionen, indem die Sammlung je vier Concerti für eine, zwei und vier Solovioline(n) vereinte. Das e-Dur-Konzert an zwölfter Stelle ist ein Solokonzert und zeigt bereits einige Facetten, die Vivaldi in den fol- genden Jahren noch stärker als seine Markenzeichen herausarbeiten sollte: prägnante und motorisch aufgeladene Rhythmik, schnelle sequenzierte Spielfiguren in den Solo-Passagen sowie thematisch und strukturell her- vorgehobener Kontrast zwischen Tutti- und Solo-Abschnitten. Vivaldis Stil war originell und aufsehenerregend, aber kein gänzlich vor- bildloses Phänomen. Schon kurz vor der Jahrhundertwende hatte giuseppe Torelli in seinen 1698 gedruckten Concerti musicali dem Solokonzert den Weg geebnet, praktisch zeitgleich mit Tomaso Albinoni – Venezianer wie Vivaldi –, der die Wiederholung eines Tutti-Ritornells als formales Konzept bekannt machte. Während Vivaldi diese Anlagen in seinen virtuosen Kon- zerten zur Freude seines Publikums immer deutlicher profilierte, bliebAlbi- noni einem weniger spektakulären, eher konservativen Stil treu. Das zeigt sich auch in seiner letzten Konzertsammlung, den Concerti a cinque op. 10 (Amsterdam 1735/36). Die Herausarbeitung von Solo-Tutti-Kontrasten spielt hier nur eine geringe Rolle, und auf spieltechnische Virtuosität wird 39 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 Rachel Podger bei ihrem Solo-Rezital 2015 in der Alten Kapelle Basilika St. Emmeram Aus einer kleinen, möglicherweise spätantiken georgskapelle entstand die karolingische Basilika um das grab des westfränkischen Wander- bischofs emmeram, der im Jahr 652 bei Regensburg getötet wurde. Am grab emmerams, des ersten baye- rischen Nationalpatrons, ließen sich Benediktinermönche nieder und gründeten eines der ältesten Klöster in Bayern. An eine Ringkrypta mit dem grab des Heiligen schloss sich noch im 8. Jahrhundert eine dreischiffige Basilika an, die um 1050 ein mäch- tiges Westquerhaus mit Dionysiu- schor erhielt. Die weitläufige Klos- terkirche birgt neben zahlreichen grabstätten von Seligen auch die grabstätte von Bischof Wolfgang, die sog. Wolgangskrypta. Wolf- gang hatte in St. emmeram die klösterliche gemeinschaft refor- miert und sie 974 von einer bis dahin geltenden Personalunion mit dem Bischofsamt befreit. 1731-33 erfolgte eine barocke Modernisierung durch Michael Prunner. Durch die gebrüder Asam erhielt die Klosterkirche ihr festli- ches Aussehen mit Stukkaturen, Figuren und Malereien. Seit der Säkularisation im Jahr 1803 besteht die Kirche als Pfarrkirche fort, die Klostergebäude kamen 1812 an die Fürsten Thurn und Taxis.

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