Tage Alter Musik – Programmheft 2016

41 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 E UROPEAn U nIOn B AROqUE O RCHESTRA Ellen Bundy (GB), Matthea de Muynck (nL), Mayah Kadish (I), David Rabinovici (R), Corinne Raymond-Jarczyk (Pl), Justyna Skatulnik (Pl), Hed Yaron Mayersohn (D), Maria Ines Zanovello (I) Violine I & II Isabel Juárez Juarranz (E), Sara Gómez Yunta (E), Priscila Rodriguez Cabaleiro (E) Viola Candela Gómez Bonet (E), Ester Domingo Sancho (E) Violoncello Carlos navarro Herrero (E) Kontrabass Tatjana Zimre (D), Ana Inés Feola (A) Oboe Alessandro nasello (I) Fagott Andreas Westermann (D) Cembalo A USFüHREnDE K REATIVES E UROPA IM 18. J AHRHUnDERT – n EUE T ECHnOLOGIEn – n EUE U nTERnEHMEn – n EUES P UBLIKUM J EAn -B APTISTE L ULLY Ouverture und Tänze aus der (1632-1687) Oper Phaéton Ouverture – Air – Air – Air – Air pour les suivants de Saturne – Chaconne T OMASO A LBInOnI Concerto a cinque C-Dur (1671-1751) opus 10 Nr. 3 Allegro – Adagio – Allegro G EORG F RIEDRICH H änDEL Concerto grosso B-Dur opus 3 Nr. 1 (1685-1759) HWV 312 Allegro – Largo – Vivace U nICO W ILHELM VAn W ASSEnAER Concerto Armonico A-Dur (1692- 1766) für 4 Violinen Nr. 3 Grave sostenuto – Da capella – Largo andante – Vivace A nTOnIO V IVALDI Konzert e-Dur für Violine, Streicher (1678-1741) und Basso continuo opus 3 Nr. 12, RV 265 (aus L’estro armonico) Allegro – Largo – Allegro G EORG F RIEDRICH H änDEL Concerto grosso C-Dur „Alexander’s Feast“ HWV 318 Allegro – Largo – Allegro – Andante non presto Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. Kofinanziert durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union. In Kooperation mit der EUBO Mobile Baroque Academy. Sponsor des European Union Baroque Orchestra: The Early Music Shop. Sendung BR: 02.07.2016, 18.05 Uhr (Festspielzeit auf BR-KLASSIK) P ROGRAMM Solistengruppe treten hier durchgehend zwei Violinen und ein Violoncello hervor. Deren Rolle ist gerade im ersten Satz besonders exponiert, da sie in ihren Solo-Abschnitten motivisch weitgehend andere Wege beschreiten als die Tutti-Sektion – gänzlich anders also als in Albinonis nur wenig frü- her erschienenen Concerti a cinque op. 10 –, und dieses Prinzip findet sich auch im dritten Satz wieder, der insgesamt schon beinahe Vivaldische Züge trägt. Zwischen Namen wie Lully, Vivaldi, Albinoni und Händel muss Unico Wilhelmgraf van Wassenaer zunächst wie ein Überraschungsgast wirken, denn bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein ist er als Kom- ponist vollkommen unbekannt gewesen – anders als seine Musik: Seine 6 Concerti armonici , 1740 in Den Haag gedruckt, hatten sich die Jahrhun- derte hindurch bei Kennern Alter Musik stets einer gewissen Beliebtheit erfreut. Bis ins 20. Jahrhundert blieb die Wertschätzung für diese Werke ungebrochen, und verschiedene ensembles nahmen die Konzerte in ihr Repertoire auf. Trotzdem war van Wassenaers Name auf der musikge- schichtlichen Landkarte nirgends zu finden. Auf der Basis spärlicher Argu- mente wurden stattdessen Carlo Ricciotti (gestorben 1756 in Den Haag) und giovanni Battista Pergolesi (1710–1736) als Urheber vermutet. Das änderte sich erst 1979, als auf Schloss Twickel bei Delden ein Manuskript der Concerti gefunden wurde, in dessen Vorwort sich der ehemalige Schlossherr van Wasse- naer als Autor zu erkennen gab. Daraus geht auch hervor, dass die Verschleierung seiner Identität als Komponist durchaus gewollt war. Van Wassenaer war in eine ein- flussreiche niederländische Adels- familie geboren worden, der wich- tige politische Ämter anvertraut wurden. Sein Vater war Botschafter der Vereinigten Niederlande am kurpfälzischen Hof in Düsseldorf gewesen, und auch Unico vereinte mehrere wichtige politische Posten in seiner Person. Die Veröffentlichung der Konzerte unter eigenemNamen kam für den angesehenen Aristokraten nicht in Frage; allerdings gestattete er auf Betreiben Ricciottis einen anonymen Druck. Ricciotti stellte der erst- veröffentlichung – ohne sich selbst als Autor zu bezeichnen – eine Wid- mung in eigenemNamen voran und galt in einem englischen Piratendruck fünfzehn Jahre später prompt als Komponist der Concerti . Pergolesis Name kam durch eine handschriftliche Bemerkung ins Spiel, die sich auf einer Abschrift der Concerti aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befand. So kommt es zum Beispiel, dass eine edition der Konzerte aus den 1950er Jahren als Autor „Ricciotti (Pergolesi?)“ angibt. Die Unsicherheit der Zuschreibung hat der Beliebtheit dieser Werke keinen Abbruch getan. Obwohl sich stilistische Bezüge etwa zu Corelli finden las- sen, sind van Wassenaers Concerti in erster Linie originelle Kompositionen von einem außerordentlich talentierten Amateur, der sich nicht um geschmack und Anforderungen eines Dienstherrn zu scheren brauchte. Van Wassenaer orientierte sich vermutlich am Vorbild Corellis, indem er jedes seiner viersätzigen Konzerte mit einer langsamen einleitung begin- nen ließ, der meist ein schnellerer fugierter Satz folgt. Im A-Dur-Konzert verwendete er hierfür einen Kanon als grundlage, der verschiedentlich Byrd oder Palestrina zugeschrieben wurde und in unterschiedlicher Form auch die Aufmerksamkeit von Corelli, Bach, Mozart und Beethoven erregte. Der Schlusssatz im 9/8-Takt lebt vor allem vomWechselspiel zwi- schen zwei Solo-Violinen und Ripieno und erinnert in manchen Facetten an Vivaldis Konzertstil, der – wohlgemerkt – zur Zeit der Veröffentlichung der Concerti bereits außer Mode kam. Aber einen anonym veröffentlichen- den Aristokraten brauchte das ja nicht zu kümmern. © Michael Braun, UR Jean-Baptiste Lully

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