Tage Alter Musik – Programmheft 2016

burg 1773 andererseits. Man ver- spricht nicht zuviel, wenn man ein Hör-erlebnis im Rahmen des Wort- feldes „Wunder“ vorhersagt: Bewun- derung und Verwunderung über Wunderbares und Wunderliches werden sich verbinden und keinen Moment der Langeweile aufkommen lassen. Carl Philipp emanuel Bach wurde am 8. März 1714 in Weimar geboren, wo sein Vater Hoforganist und Konzert- meister war. Aufgewachsen ist er zusammen mit seinem vier Jahre älte- ren Bruder Wilhelm Friedemann und einigen weiteren geschwistern. Die Mutter Maria Barbara Bach starb bereits 1720; ende 1721 heiratete der Vater seine zweite Frau, Anna Magdalena, die alsAdressatin zweier „Klavierbüchlein“ imBewusstsein der Nachwelt leben- dig geblieben ist. 1723 siedelte die Familie nach Leipzig über. Nach dem Besuch der Thomasschule war Philipp emanuel in Leipzig und Frankfurt/Oder für Jura immatrikuliert. 1738 begab er sich, wohl in der Hoffnung auf eine Anstellung, in den Umkreis des preußischen Thronfolgers, der 1740 König in Preußen wurde und bald den Namen „Friedrich der große“ erwarb. 1767 verließ Bach den Ber- liner Hof, um in Hamburg Kantor an den fünf Hauptkirchen zu werden, womit er seinen im selben Jahre verstorbenen Patenonkel georg Philipp Telemann beerbte. gestorben ist er am 14. Dezember 1788. Das Schaffensprofil Philipp emanuels offenbart kompositorische Strategien, die als Kontrapunkt zum Schaffen des in der Retrospektive fast übermächtig erscheinenden Vaters Johann Sebastian gelesen werden können. Die weit über hundert dreisätzigen Klaviersonaten (spielbar auf Cembalo, Clavichord oder Hammerklavier bzw. Pianoforte) stehen imZentrum. Johann Sebastian dage- gen hatte noch keine einzige Klaviersonate komponiert. Philipp emanuels 50 Cembalokonzerten und knapp 10 Konzerten für weitere Instrumente stehen wesentlich weniger Konzerte des Vaters gegenüber – Verluste eingerechnet, sind es wohl um die 20 gewesen. Auch die Orchestersinfonien des Sohnes haben im Werk des Vaters kein Pendant. Und schließlich ist auch das genre der Triosonate für zwei Melodieinstrumente und Basso continuo – obwohl eigentlich eine erzbarocke gattung – bei Johann Sebastian Bach kaum anzu- treffen, wohl aber – in einer galant-empfindsamen Intonation – bei Philipp emanuel. So zeigen die drei gattungen des Programms von vornherein einen Künstler, der sich von den Kompositionen seines Vaters, deren Qualität er im Übrigen bedingungslos anerkannte, vollständig emanzipiert hatte. Von den drei Konzerten für Violoncello und Orchester Bachs erklingen heute zwei, das Konzert in a-Moll (Wotquenne-Verzeichnis 170), komponiert in Berlin 1750, und das Konzert in A-Dur (Wq 172), komponiert in der Residenzstadt Potsdam 1753. Die drei Cellokonzerte (Wq 171 trägt die Angabe Berlin 1751) weisen eine wunderliche Besonderheit im Schaffen Bachs auf. Ursprünglich wohl für einen besonders guten Cellisten komponiert (worüber wir aber über- haupt nichts wissen), hat Bach dieWerke später noch in doppelter Weise arran- giert: für Cembalo (Wq 170-172 finden sich wieder unter Wq 26, 28-29) und für Traversflöte (zu finden unter Wq 166-168), die ja bekanntlich von Friedrich demgroßen virtuos traktiert wurde. Das a-Moll-Konzert nimmt durch seinen frühen Sturm-und-Drang-gestus für sich ein, während das A-Dur-Konzert einen gelasseneren Ton anschlägt. Beide Werke sind in der üblichen Weise dreisätzig, und in den Kopfsätzen orientiert sich Bach an der Ritornellform, an der er zeitlebens festhielt. In einem Solokonzert kann man nicht nur die Musik, sondern auch das virtuose Wirken der Solistin bewundern. In der Sinfonie dagegen wird die Musik vom Orchester gemeinschaftlich produziert, ohne dass eine einzelstimme dominieren würde. Bachs 19 Sinfonien gliedern sich in drei gruppen. Die ersten 9 Sinfonien (Wq 173-181, komponiert in Berlin von 1741-1762, die meisten aber um 1755; Wq 177 und 178 bieten dieselbe Musik, nur in verschiedener Besetzung) sind recht kurze, dreisätzige gebilde mit und ohne Bläser, die teils dem Typus der älteren Opernsinfonia noch nahestehen, teils aber auch schon große thematische und klangliche Originalität entwickeln. Darauf folgen dann noch zwei geschlos- sene gruppen: die sechs Sinfonien für reine Streicherbesetzung (Wq 182,1-6, in Hamburg 1773 komponiert), und schließlich die unvergleichlichen vier „Orches- ter-Sinfonienmit zwölf obligaten Stimmen“ (Wq 183,1-4), die Bach 1780 in einem Leipziger Verlag drucken ließ. Die letztgenannten Sinfonien, in der ersten Blü- tezeit der Wiener Klassik publiziert, bieten Musik auf höchstem Niveau, aber zugleich in einer unschematischenWeise, die wenigmit den abgeklärten Formen der Symphonie bei Haydn und Mozart zu tun hat. Als Detail sei nur genannt, dass Bachs relativ kurze Stücke aus drei Teilen bestehen, die kaum separiert, sondern oft durch attacca-Anschlüsse miteinander verbunden sind und dadurch viel enger zusammenhängen als die vier Sätze einer klassischen Symphonie. Bedenkt man noch, dass Bach kein einziges Streichquartett komponiert hat, so 45 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 Carl Philipp Emanuel Bach Ophélie Gaillard Foto: Caroline Doutre

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