Tage Alter Musik – Programmheft 2016

48 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 Cut Circle (USA) Leitung: Jesse Rodin Sonntag, 15. Mai 2016 22.45 Uhr (nachtkonzert) Dominikanerkirche Predigergasse „My Fair Lady“ – Guillaume Du Fay – Missa Ecce ancilla Domini/ Beata es Maria – Marienmotetten von Josquin Desprez – Chansons von Antoine Busnoys und Johannes Ockeghem D as amerikanische Vokalensemble Cut Circle wurde 2003 von Jesse Rodin gegründet und zählt zu den Spitzenensembles seines genres. Das ensemble erhielt 2010 den amerikanischen Noah-greenberg-Preis, der außerordentliche Beiträge zur historischenAufführungspraxis würdigt. Im August 2015 gastierte das ensemble beim renommierten „Laus Poly- phoniae“- Festival inAntwerpen mit Konzerten und Workshops. Die jüng- ste CD-einspielung mit Musik aus der Sixtinischen Kapelle um 1490 (Werke von Marianus de Orto, Josquin Desprez und gaspar van Weerbeke) wurde mit dem Diapason d’or ausgezeichnet. Im Frühjahr 2016 erschien eine Doppel-CDmit den späten Messen von Du Fay. Cut Circle (der Name steht für das Mensurzeichen für einen schnellen Dreiertakt in der Notation der Renaissance) zeichnet sich durch einen bestechend homogenen gesamtklang und ein hohes Maß an expressivität aus. In Regensburg gibt das ensemble sein Deutschlanddebut. Jesse Rodin ist Professor in der Musikabteilung der Stanford Universität (Kalifornien) und Mitherausgeber des „Journal of Musicology“. er ist Autor verschiedener musikwissenschaftlicher Veröffentlichungen über Josquin Desprez, u. a. betreute er die Herausgabe der L’homme armé-Messen der Neuen Josquin-Ausgabe (2014). er ist Mitherausgeber von „The Cambridge History of Fifteenth-Century Music“ (2015). er leitet das „Josquin-Rese- arch-Project“, ein digitales Forschungsprojekt über die Renaissance-Musik. Als aktiver Musiker und ensembleleiter von Cut Circle betreut er Meis- terklassen zur Aufführungspraxis der Vokalmusik des 15. und 16. Jahr- hunderts. An der Stanford Universität leitet er eine gruppe (Facsimile Sin- gers), die ausschließlich aus Kopien von Renaissance-Manuskripten und Renaissance-Drucken singt. Zum Programm: „My Fair Lady“ [Vorbemerkung des Übersetzers:] Es gibt englische Wendungen, die durch die Übersetzung ins Deutsche unverständlich würden, so auch der Titel dieses Konzerts: „My Fair Lady“ heißt zwar ungefähr „Meine schöne, holde Dame“, aber die Übersetzung würde die Pointe zerstören. Die Wendung „fair lady“ ist seit dem 15. Jahrhundert dokumentiert und meint zumeist die angebetete Dame im Kontext höfischer Liebeslyrik. Zum geflügelten Wort wurde „My fair lady“ aber durch den Refrain des Kinderliedes „London bridge ist falling down“ und insbesondere durch dessen (ironische) Verwendung als Titel eines der beliebtesten Musicals aller Zeiten. Das Konzert verbindet Werke der Marienverehrung mit höfischen Chansons des 15. Jahrhunderts. Erst wenn man erkennt, dass der Titel „My Fair Lady“ auf die Jungfrau Maria wie auch auf Eliza Doolittle bezogen werden kann, trifft man die Intention des heutigen Konzerts, das zeigen will, wie eng die Sphären der weltlichen und der geist- lichen Liebe und Verehrung in der Musik der Renaissance benachbart waren. Längst sind viele von uns mit dem gedanken vertraut, dass im späten Mittelalter und der Renaissance die grenze zwischen dem geistlichen und dem weltlichen Bereich äußerst schmal war. Vermeintlich weltliche Texte konnten unversehens mit religiösem Sinn erfüllt werden, wenn sie in der Cut Circle

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