Tage Alter Musik – Programmheft 2016

51 Mai 2016 digen Halt kommt, tritt der Bass ein, während Cantus und Contra in Imi- tationen weitergetrieben werden - zuerst in gleichförmigen Rhythmen, dann, bei der Stelle „deprecationem nostram“, mit gleichsam überborden- den Synkopierungen. Dieses Satzgewebe bereitet die Bahn für den einsatz der Tenorstimme („qui sedes“). Aber Du Fay behandelt diesen Tenorein- satz eigentlich nicht als Höhepunkt einer Steigerung; vielmehr führt er den musikalischen Diskurs weiter, indem er die Rhythmik wieder verein- facht. erst im folgenden Duo („quoniam tu solus sanctus“), in dem zwei dicht aufeinanderfolgende Kadenzen wieder die anderen Stimmen ins Spiel bringen, beginnt Du Fay den Weg in Richtung auf das abschließende „Amen“ einzuschlagen. Wir haben uns dafür entschieden, alle fünf Ordinariumsteile von Du Fays Missa Ecce ancilla domini in direkter Folge zu singen, um die musikalischen Verbindungen zwischen den Teilen zu verdeutlichen. Natürlich sind die Ordinariumsteile während des gottesdienstes durch andere liturgische Funktionen voneinander getrennt. Vermutlich haben Du Fay und andere zeitgenössische Komponisten gerade aus diesem grund die Teile durch verschiedene musikalische Mittel miteinander verbunden. Das wichtigste dieser Mittel ist wohl die Verwendung eines „Kopfmotivs“ - einer kleinen, wiedererkennbaren Wendung, die zu Beginn jedes Ordi- nariumsteils erklingt, dabei aber im Verlauf der Messe elegant verändert wird. Die Phrase, die wir am Anfang des Kyrie hören, wird am Beginn des gloria erweitert, wo sie als Ausgangspunkt für ein wesentlich längeres einleitungs-Duo dient. Das Credo beginnt wie das gloria, aber das ein- leitungs-Duo ist hier noch stärker ausgedehnt. Der entscheidende Punkt kommt dann im Sanctus, das mit der Musik des Kyrie beginnt, die jetzt freilich durch eine lebhafte Basslinie gestützt wird. Wenn man die Stelle im geschilderten Kontext hört, dann versteht man die dreistimmige Satz- struktur als eine intensivierte Vertonung des Textes („Heilig, heilig, hei- lig!“). Dagegen kehrt das Agnus Dei zur schlichten Musik des Kyrie zurück; der einzige Unterschied besteht in einer angefügten „Coda“, die für einen geschmeidigeren Übergang in den vollstimmigen Satz sorgt. Du Fay hat die Messe um 1464 geschrieben, zu einer Zeit, als es noch nicht üblich war, das Agnus Dei III als den abschließenden Höhepunkt der Messe zu komponieren. Das Agnus Dei III ist eine exakte Wiederho- lung des Osanna II. Aber auch wenn das Agnus Dei III dieser Messe kein „großes Finale“ ist, so bildet es dennoch einen ausdrucks- starken Abschluss des Werkes. Du Fay macht hier ein letztes Mal gebrauch von seinem kreativen Umgang mit der Satztechnik: bei den Worten „dona nobis pacem“ setzt der Cantus aus, während die Unterstimmen unter Führung des Contra mit erneuerter energie vor- wärtsstreben. Beim nächsten Zäsurpunkt tritt der Cantus auf einem tiefen Ton ein, bewegt sich dann stufenweise aufwärts und leitet so den Schlus- sabschnitt des Werkes ein. Unterdessen beschließt der Tenor seinen letzten Vortrag der Worte „Beata es Maria“ - der als Cantus firmus dienenden Marienantiphon - mit dem nachdrücklichen Ausruf: „Alleluia“! © Jesse Rodin Übersetzung: Wolfgang Horn, UR „M Y F AIR L ADY “ – M ISSA – M ARIEnMOTETTEn – C HAnSOnS J OSqUIn D ESPREZ Motette: Virgo prudentissima (um 1450/55 – 1521) A nTOInE B USnOYS Chanson: Je m’esbaïs de vous (um 1435 – um 1492) Chanson: Quant vous me ferez G UILLAUME D U F AY / J OSqUIn Hymnus: Ave maris stella (um 1400 – 1474) J OSqUIn D ESPREZ Motette: Christe fili dei J OHAnnES O CKEGHEM Chanson: Aultre Venus (um1420/25 – 1497) A nTOInE B USnOYS Chanson: Terrible dame G UILLAUME D U F AY Missa ecce ancilla Domini / Beata es Maria Kyrie – Gloria – Credo – Sanctus – Osanna I – Benedictus – Osanna II – Agnus Dei Sendung BR: 28.05.2016, 22.05 Uhr (Forum Alte Musik) Sendung Deutschlandfunk: Sendetermin steht noch nicht fest P ROGRAMM C UT C IRCLE Carolann Buff, Clare Mcnamara Sopran Lawrence Jones, Steven Soph Alt Jonas Budris, Bradford Gleim Tenor Sumner Thompson, John Taylor Ward Bass A USFüHREnDE T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Dominikanerkirche Die Dominikanerkirche gehört zu den frühesten Schöpfungen der deutschen gotik und ist eine der größten Bettelordenskirchen in Deutschland. Mit ihrem Bau wurde 1246 begonnen. Anfang des 14. Jahrhunderts war die Kirche bereits fertiggestellt. Albertus Magnus, der berühmte gelehrte und Bischof von Regensburg, wirkte von 1236 bis 1240 im Regensburger Dominika- nerkloster. Die Kirche wurde gemäß der Regel des Bettelordens der Dominikaner in strenger Schlichtheit erbaut. Sie besitzt des- halb auch keinen ihren Ausmaßen entsprechenden Turm. Unter den Wandfresken im Inneren ist v. a. eine Darstellung der 14 Not- helfer von 1331 hervorzuheben, eine der frühesten, die wir kennen. Die Fresken wurden bei Renovie- rungsarbeiten zwischen 1967 und 1973 freigelegt. Cover der Doppel-CD von Cut Circle „G. Du Fay, Späte Messen“

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