Tage Alter Musik – Programmheft 2016

(vermutlich sogar schon eher) auch Rektor der Kirche S. Maria Annunziata (häufiger bekannt als Orbatello) in Florenz, wo er sich damals aufhielt. Wir wissen auch, dass Paolo für die Komposition eines Antiphonariums (heute in Douai, Französisch-Flandern, aufbewahrt) verantwortlich war, das in derselben Werkstatt wie der Codex Squarcialupi verziert wurde, nämlich im Scriptorium des Klosters S. Maria degli Angeli in Florenz. es ist anzunehmen, dass Paolo als bedeutender Komponist und Kleriker seiner Zeit in Florenz an der Zusammenstellung des Codex Squarcialupi beteiligt war. Sind diese Seiten vielleicht gerade wegen seiner besonderen Beziehungen zum Scriptorium des Klosters Santa Maria degli Angeli leer- geblieben? Im gegensatz zu Landini und anderen Komponisten, die in diesen wun- dervollen Codex aufgenommen worden sind, war Paolo damals noch am Leben. Vielleicht hat das eine Veröffentlichung seiner „best of“-Komposi- tionen verhindert. Aber wenn seine Musik zum Zeitpunkt der erstellung des Codex für eine Veröffentlichung noch nicht „reif“ war, wie lässt sich dann die Anzahl der für ihn frei gehaltenen Seiten erklären? Viele Fragen bleiben offen. glücklicherweise stehen uns noch andere Quellen für Paolos Musik zur Verfügung; die wichtigste davon befindet sich in der Bibliotheque Natio- nale in Paris (ms. fonds italien 568). Abgesehen von einem Benedicamus und einem Gaudeamus sind alle von Paolo erhaltenen Kompositionen – eine Sammlung von etwa 60 Werken – säkularer polyphoner Natur ( Madri- gale und Ballate ). Damit repräsentiert er nach Francesco Landini das musi- kalische italienische Trecento. Neben der Anzahl seiner Werke ist es jedoch vor allem die Qualität seiner Musik, die uns noch heute bezaubert. es ist allerdings nicht einfach, bei dieser höchst persönlichen und komplexen Polyphonie eine geeignete Auswahl zu treffen. Wir haben Werke für das heutige Konzert gewählt, die sich ähneln und zugleich kontrastreich ergän- zen und die besonders gut zu den Stimmlagen sowie Stimmfarben der Sänger von ClubMediéval passen. Paolos musikalische Sprache oszil- liert zwischen zwei Polen: dem kunstvoll-abstrakten, übersensi- blen Manierismus der Spätgotik und der schlichten empfindsam- keit des aufkommenden Huma- nismus der Renaissance. Für den heutigen Interpreten stellt die Musik Paolos eine große Heraus- forderung dar: er muss die Waage halten zwischen Impression und expression, Innerlichkeit und ekstase und muss versuchen, die Schönheit mittelalterlicher Kirchenfenster musikalisch mit Leben zu füllen. Während der einstudierung des Programms hatten wir den eindruck, dass die von uns ausgewählten Lieder eine Art Zyklus bilden, und wir haben uns die Freiheit genommen, sie mit einer durch das Decamerone inspirierten Rahmenhandlung zu umgeben. So hoffen wir, dass sich für die Zuhörer eine mittelalterliche „Dichterliebe“ entspinnen wird. © Thomas Baeté Übersetzung: Christina und Hannsjörg Bergmann 59 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 C LUB M EDIéVAL Olalla Alemán Sopran Carla nahadi Babelegoto Mezzosopran Raffaele Giordani Tenor Daan Verlaan Tenor und Harfe Thomas Baeté Fiedel Elisabeth Seitz Hackbrett Guillermo Pérez Organetto A USFüHREnDE „A MOR , TU SOLO ’ L SAI “ – P AOLO DA F IREnZE (1355-1436): B ALLATE & M ADRIGALE Amor, tu solo’l sai (Ballata) Lena virtù (Ballata) Una c'osa di veder (Ballata) girand’un bel falcon (Madrigal, instrumental) Altro che sospirar (Ballata) Poc’anno di mirar (Ballata, instrumental) Sofrir m’estuet (Ballata) Ma’, ria, ver di me pietà (Ballata) gaudeamus omnes Non più infelici (Madrigal, instrumental) Ventilla con tumulto (Madrigal) Perchè vendetta (Ballata) Lasso, grev’è’l partir (Ballata) Benedicamus Sendung BR: 26.07.2016, 21.05 Uhr (Festspielzeit auf BR-KLASSIK) P ROGRAMM Cover der CD von ClubMediéval „P. da Firenze, Amor, tu solo’l sai“

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